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Kategorie: Kulturbetrieb

Sahra Wagenknecht stellte ihr Buch ‚Reichtum ohne Gier‘ in bewegter Zeit in Frankfurt vor, Teil 1


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Wahl Trumps war die Antwort auf amerikanische Sozialstaatsversäumnisse, eine Anklage an den angelsächsischen Sozialdarwinismus. Die alte Führungselite bekam den Schlag versetzt.


Jedoch war diese Wahl das wohl ungeeignetste Gegenmittel. Weiße Underdogs werden unter Trump noch mehr leiden. Die amerikanische Gesellschaft ist eine Kastengesellschaft. Darauf sprechen Wirtschaftsvertreter gerne an. Bildung ist nicht frei, sie erfordert ein Vermögen. Die Aussicht auf gute Arbeit ist aber unsicher.


Trump und ‚Reichtum ohne Gier‘ – das passte auf den Tag genau


Das Ergebnis der Wahl fiel auf den Tag, an dem Sahra Wagenknecht, promovierte Volkswirtin und Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag, ihr Buch ‚Reichtum ohne Gier‘ in Frankfurts Hugendubel  vorstellte. Die Wahl in den USA wurde sofort zum Thema. Der Ausgang der Wahl war für sie nicht überraschend. Es sei die persönliche Rache des weißen Mannes gewesen, abgesehen von den Unappetitlichkeiten der Ressentiments gegen Minderheiten. Die mittleren Löhne seien bereinigt gegenwärtig nicht höher als vor 40 Jahren [was auch für die Bundesrepublik gilt]. Sie seien in die Taschen der oberen Zehntausend gelangt [gilt für Deutschland nicht weniger].


Die Abgeschriebenen sind enttäuscht, ‚irgendwann werden Menschen rebellisch‘. Hillary Clinton sei das Gegenteil von Glaubwürdigkeit gewesen. Sie konnte die ‚Latinos‘ und die Black Community nicht mehr erreichen (wie noch Barack Obama).


Frage des Moderators an Frau Wagenknecht: Sei es denn ein Votum gegen die Eliten gewesen? Die Antwort war: Ja, doch. Es war auf die Politik der Wirtschaftsmächtigen gemünzt, in Anbetracht der ‚institutionellen Korruption‘. Der Macht der Politik werde nicht mehr geglaubt. Schon Obama habe enttäuscht. Wohlstandgewinne seien bei den oberen Zehntausend hängen geblieben. Politik lasse sich kaufen, erpressen [wie in diesen Tagen Gabriel beim Klimaschutzplan-2050]. Die schlimme Folge davon sei die Abwendung von der Demokratie.  


Ein Widerspruch sei: der Kapitalismus verspreche viel, halte aber wenig. Die Chancen lägen in den Händen von Aktienportfolios á la Klatten, mit 500 Millionen an Dividende. Die höchsten Einkommen generiere der Finanzsektor, der keinen Vorteil für die Unternehmen bringe, der in Gier gründe, unter Zuhilfenahme von Leiharbeit und Werkvertrag. Die gesellschaftlich gewinnbringende Arbeit werde nicht entgolten, die hochwertige Arbeit prekär gestellter Sprachlehrer, der Erzieherinnen und Krankenschwestern hundsmiserabel bezahlt. Gier werde belohnt, Leistung nicht.


Und wer brauche denn eigentlich Milliarden? Die eigentlich leistungsfeindlichen Finanzmärkte seien ein Hebel gegen die innovative Leistung, Ideen verlören sich in ihnen, gingen unter.

 


Die Unternehmensträgerstiftung


Sahra Wagenknecht plädierte für eine Unternehmensform in der Jenaer Tradition eines Ernst Abbe (1840-1905), Physiker («Mikroskope»), eine Form, die dieser erfolgreich praktizierte. Löhne sollten sich am mittleren Arbeitslohn orientieren, nach der 10-er-Regelung (nicht über das Zehnfache hinaus), mit 8-Stunden-Tag, Urlaub und Pensionsrecht. Das Unternehmen gehöre nur sich selbst. Es solle nicht der Macht des sich vermehrenden Geldes unterworfen sein, Erbschaften nicht daraus abgeleitet werden können, die Gewinne den Löhnen dienen. Das Diktum einer nicht aktienoptimierten Unternehmenskultur laute: Unternehmen brauchen keine externen Eigentümer, also keine Eigentümer, die Druck um der Rendite willen ausüben.


Ende des 19. Jahrhunderts seien Aktiengesellschaften gegründet worden. Abbe wollte das nicht. Er begriff: externe Eigentümer sind keine Bedingung für die gedeihliche Entwicklung einer Firma. Erpressung, wie gegenwärtig, solle nicht mehr sein, leistungslose Einkommen gehörten abgeschafft, Gewinne nicht ausgeschüttet.


Jena hatte sich seinerzeit bewährt. Innovation, Forschung und Entwicklung waren erfolgreich. Zeiss-Jena hat die 30-er Jahre besser überstanden. Dem Zuhörer fällt ein, dass Ernst Abbe mit Zeiss Jena und seiner Unternehmenskultur Thema im Unterricht der frühen 60-er Jahre war, dem Aufbruchsjahrzehnt zu neuen Ufern, die jetzt wieder in Trümmer gehauen sind mit allerlei Untaten und Fehlentwicklungen.


Externe Eigner (und ihre Pressure-Groups) setzen Unternehmen und Politik unter Druck, um die nötige Verantwortung für die Umwelt zu hintertreiben – Gabriel ist bereits wieder in die Knie gegangen. Der Tag der Buchvorstellung war aufgeladen mit Trump. Private Usurpation von Wirtschaftsmacht sei nicht zielführend, sondern verhängnisvoll. Bevor Sahra Wagenknecht signierte und schnell - ähnlich der umtriebigen Rosa Luxemburg, an die sie stark erinnert - weiter auf die Reise ging, hat sie noch ihre Vorstellungen von öffentlichem Wagniskapital unter der Überschrift: ‚Zugang zu Kapital demokratisieren‘ erläutert. Die USA hat Wagniskapital - privat.


Apple wurde anfangs vom Staat finanziert, auch Tesla hat Zuschüsse bekommen. Die Anfangsfinanzierung war staatlich, aber dann wurden Private zu Milliardären. Die Allgewaltigen sollten eigentlich die Stafette weiterreichen, um öffentliches Wagniskapital gemeinwirtschaftlich arbeiten zu lassen. Öffentliche Kapitalfonds und Stiftungsgeldformen könnten Mitarbeitergesellschaften zum Aufbau verhelfen. Öffentlich heißt: kein Private Equity (das der Gier des Ausweidens Vorschub leistet), keine Einzelnen, die die Arbeit nicht interessiert. Dass Firmen denen gehören sollten, die die Arbeit machen, entspricht übrigens dem natürlichen Rechtsempfinden.


Heute aber herrsche ein falsches Anreizsystem vor. Zugriff auf die Gewinne finde statt, aber die nachherige Haftung, wenn zugemacht wird, bleibe im Unternehmen hängen. Vordem Entzogenes stehe nicht mehr zur Verfügung. Im großen Bezug auf die heutige Praxis der Wirtschaft fiel der zentrale Begriff des ‚destruktiven Risikomotivs‘. Junge Unternehmen loben den Ansatz der Mitarbeitergesellschaft, sie wollen gar nicht anders sein als ihre Mitarbeiter*innen. Das sei wesentlich motivierender. Das Stichwort für diese Rechtsform laute: ‚Alle in einem Boot‘.


Fast alle heutigen Parteien aber wollen Derartiges nicht. Milliarden werden gegeben, aber der Staat, die zusammengeschlossene Gesellschaft, ist nicht beteiligt. Im Fall der Erbschaftssteuer war die SPD nicht dahinter her, dass dem Verfassungsgerichtsurteil ohne Abstriche entsprochen wurde. Die SPD müsse sich schämen, wenn reiche Erben so gut wie nicht besteuert würden. Und GRÜN bedeute, am Ende des Tages, auf den Punkt gebracht: CDU plus Krötenzaun. Mit diesem Bonmot klang die Veranstaltung aus.

Foto: (c) Heinz Markert

Info:
Sahra Wagenknecht, Reichtum ohne Gier, Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-593-50516-9

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