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Kategorie: Kulturbetrieb

Von Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters kam die dritte Serie heraus, Teil 1/2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Debatte um die kategoriale Ordnung der Seins- und Wesenheiten von Religionen zieht sich durch den sie begleitenden philosophischen Diskurs von Schulen und Köpfen über einen Zeitraum von achthundert Jahren, bevor dann Vernunft und Aufklärung, die säkularen Gegenspieler der philosophischen Theologie des Mittelalters und ihrer Dialogkultur, das Ruder übernehmen.


Eine ganz wesentliche Disputationsweise der damaligen Debattenkultur spitzte sich auf Fragen wie etwa die folgende zu: Ist die ausgesprochene Dreieinigkeit von Gottvater, Gottessohn und Heiliger Geist nur eine bloße Hervorbringung des Intellekts, die als eine von endlichen Menschen gesprochene Kategorie nur dem fahlen Widerschein des Seins Gottes und seiner Realität entsprechen kann oder ist sie notwendigerweise immer auch – und zwar vollkommen realistisch – nicht nur eine der höchsten Kategorien des christlichen Gottesverständnisses, sondern auch gleichzeitig die unmittelbare Emanation aus dem Geiste Gottes - insofern sie hier und jetzt gesprochen wird. In der Frage steckt, abgesehen vom theologischen Streitpunkt, implizit auch ein Stück Möglichkeit schlichter Kritik von Erkenntnis als solcher überhaupt, wie es später heißt; etwas, das in diesen Tagen sehr dienlich wäre, in Zeiten des wachsenden dogmatischen und intoleranten Religionswahns.



Gegenwärtig dominieren Kämpfe um Interessen, keine Debatten um Erkenntnis

Diese und ähnliche Gedanken und Überlegungen um Bezeichnung und Realität sind in der Periode um das dreizehnte Jahrhundert in hochgebildeten Ständen reichlich zu finden, einer Periode, die das Abendland auf lange Sicht zu einer der Möglichkeit nach feingeistigen Welt gemacht hat, die auch den Freisinn zu kultivieren versteht. Das, was damals aktuell war, reichlich gehandelt wurde, hat es uns heute noch etwas zu sagen? Könnten durch den Rekurs auf die alten Schriften moderne Gesellschaften ein Stück an reflektierender und Erkenntnis begünstigender Methode zurückgewinnen, die im Prozess der Entzauberung verlorenging? Gehört die Beschäftigung mit Aristoteles und den Kommentaren zu seinen Texten nicht zu den Grundübungen des sich formenden Intellekts? Müsste nicht manchmal zurückgegangen werden, um neu anzusetzen und neue Horizonte aufzutun?
 
Übermittelt wurden derartige Möglichkeiten und Versuche der geistigen Kultur durch die Vorleistungen der hochkulturellen Periode des maurischen Spanien, die zwischen 800 und 1500 währte, bis sie aus niedrigen Motiven zerstört wurde. In dieser Hochkultur konkurrierten jüdische, christliche und muslimische Gelehrte überwiegend tolerant und gelassen um die höchste Ausprägung der Theologie, der Philosophie und der Einzelwissenschaften. Es war eine intellektuell aufgeschlossene Epoche, alle Sparten standen in Blüte. Wohl war sie geographisch begrenzt, doch reichten ihre Fühler bis nach Bagdad und dem dortigen Haus der Weisheit.

Das maurische Spanien wurde zur Brücke der Übertragung von Wissen und Weisheit ins Abendland. Verfertigte Kommentare der Aristotelischen Philosophie in lateinischer Sprache vermittelten einen Schub an Bildung und aufgeklärter Denkart in die nördlichen Regionen, wobei es zunächst darum ging, die Sätze des Glaubens in die Sprache der Vernunft zu überführen, mit der Chance, dass diese dann vor der menschlichen und gelehrten Kritik bestehen kann. Alle grundlegenden Wissensgebiete, besonders auch die Medizin, waren vertreten und schon bereits weit entwickelt. Heutige Zeiten könnten sich vom damaligen Raffinement einige Scheiben abschneiden. Fortsetzung folgt

 

Foto: Aristoteles, Büste aus dem Palazzo Altemps, Rom, (c) di Giovanni Dall'Ort

Info:

Die Bände sind standardmäßig zweisprachlich, in Deutsch und Latein. Band 31 ist dreisprachlich, lateinisch, hebräisch und aramäisch · ‚Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters‘, 38 Bände bereits erschienen, 25 kommen ab März 2017 · Herausgeber:


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