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Kategorie: Kulturbetrieb
Die Religion mit ihrer exzessiven Gewalt im Namen Gottes war Thema im Historischen Museum Frankfurt Teil 1/2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Religion, ist sie nicht ein Reservoir für falsche Hoffnungen und großspurig verbreitete Versprechen? - Wer nimmt denn vorzugsweise führend Bezug auf das angeblich so robuste religiöse Bedürfnis? - Priester, Imame, Autokraten und Gewalttäter. Ihr Geschäft ist: Meister der Ziehfäden zu sein, Vorbeter in Sachen Eigeninteresse, dummdreiste Massenbeschwörer und Schlächter im Namen Gottes. Im letzteren Zusammenhang ist die gescheiterte Spätadoleszenz in die Diskussion gelangt.


Systemische Unkalkulierbarkeit der Religion

Besagte Akteure betätigen sich als Meister der Religion als Droge, machen sich zu Dirigenten der Massensteuerung und Ahnungslosenlenkung, geben den Hirten der Kalkulation auf die missliche Lage der Sterblichen, je nach Gelegenheit und Neigung. Dschihadisten nehmen sich die Endlichen zur Zielscheibe, wenn diese nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Nicht zu verkennen ist die Tatsache, dass Religion eine Sache von Männerriegen ist, die sich zu Jesuserben und Prophetennachfolgern aufschwingen. Wo sind eigentlich die Göttinen und ihre Diener abgeblieben?

Nach dem Verlust des ersten heißen Kerns wurde die Religion in der Nachfolge des Künders in aramäischer Sprache, der im großen Strom getrübten Geistes eine Lichtgestalt war, zum Mittel im Dienst des Verbrauchs der geteilten und zerstreuten Menschheit. Noch immer wird der Jugend der Provinz im Zeichen katholischer Verhältnisse die Seele beschwert. In islamischen Staaten ist die Religion ein Werkzeug, um die politische Befreiung des Menschen zu hintertreiben. Ohnedies versteht sich Religion zu einem gigantischen, über lange Zeiträume ablaufenden Zivilisationsdienst, dem sie sekundiert. In diesem Betracht ist auch das Evangelische und Lutherische zu erwähnen.

Mit dem religiösen Geschäft verbinden sich unkalkulierbare Sonderinteressen, abgesteckte Einflussbereiche des Herrschens und Lenkens, im schlimmsten Fall brutale Interessen, die Menschen von der aufgeklärten Vernunft fortscheuchen, sie ihnen austreiben, obgleich Vernunft die am wenigsten fragwürdige Instanz zur Bewältigung der Endlichkeit darstellt. Vernunft ermöglicht eine erquickliche Kultur des Denkens, die sich anbietet ohne aufzutrumpfen und die es nicht zu kurzschlüssigen Letzterklärungen versteigt.

Parallel und in Abkehr vom Lenkungsgeschäft bestand einst der Aristotelismus der Gelehrten, Denker und klugen Köpfe, jener meisterhaften Schulen, die zur ersten vernünftigen Instanz wurden und aus dem neuen religiösen Ansatz noch etwas halbwegs Kluges zu machen verstanden, ohne gleich einem herrschaftlichen Dogmatismus das Wort zu reden. Die Vertreter der organisierten religiösen Realität sind aber von ganz anderem Schlag.


Ein historisch gestimmter Abend im Historischen Museum

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide und der Althistoriker Hartmut Leppin diskutierten im Frankfurter Historischen Museum die These, dass die drei abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - aufgrund ihres offensichtlich vertretenen monopolistischen Wahrheitsanspruchs - ‚intrinsisch gewalttätig‘ sind.

Der Abend blieb zwiespältig, denn ein jeder steckte seine Interessenzonen ab, ohne mal ein ganz wesentliches zu fragen: müsste einer, der sich der Religion zuwendet, nicht erst mal die Kritik der Erkenntnis, ihrer Möglichkeiten und Grenzen, vornehmen, um nicht hinter Kants Einsicht zurückzufallen: dass die Erkenntnis des Dings an sich die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis als solcher überhaupt überschreitet und zwar auf alle Zeit.

Woraufhin man hätte dann auseinandergehen können, um sich einzugestehen, dass das Unternehmen Religion zum Scheitern verurteilt ist, es sei denn, man wäre ernstlich bereit, sich eine Bremse, ein permanentes philosophisch-methodisches Korrektiv einzupflanzen, das besagt: Halt, bis dahin und nicht weiter!

Das Ursprungsgebiet für die monotheistischen Religionen liegt im Nahen Osten, einer Region des neuartigen Drängens der Menschheit und des Gründens von Großprojekten. Der Islamwissenschaftler Khorchide bestätigte die Redewendung vom missverstandenen Gott, der missverstandenen, fehlinterpretierten Scharia. Gott glaube an den Menschen. Damit hätte dieser einen Spielraum, der ein Friedens- und Schlichtungspotential mit sich führt.

Der Althistoriker Leppin hielt sich immanent am Gewesenen, er hält den Abend im Rahmen eines historischen Rekurses und der kenntnisreichen Erklärungen, nach dem Motto: so war das nun mal. Beiden Wissenschaftlern war aber klar, dass es zum Thema genügend offenen Diskussionsstoff gibt. Die Tatsache der religiös legitimierten Gewalt ist nicht hinweg zu diskutieren, darin waren sich beide einig. Aber ein Schuss an Relativierung war jeweils unverkennbar. Man möchte etwas ideengeschichtlich retten, was schwerlich zu retten ist. Es ist nun einmal auch ein jeweils umrissenes Fachgebiet vertreten, das sich am Laufen halten möchte.

Khorchide führte eine Multidimensionalität ein, die Religion nehme eine mehr oder weniger problematische Rolle ein, sie sei selbst aber nicht die unmittelbare Ursache dafür; eine allgemeine Erklärung zu ihr sei in allen Fällen schwierig, denn es gebe auch externe, situative Gründe für die Gewalt. Man dürfe es sich aber nicht leichtmachen, die Aussage, ‚das hat nichts mit uns zu tun‘ sei unangebracht, denn die Textstellen, die Gewalt legitimieren, lägen nun mal vor.

Christentum und Islam haben gewaltsam missioniert. Dem Judentum ist Missionieren fremd. Für das Judentum ist Gott der ganz andere, übrigens eine intelligente Ansicht und Denkform. An Stelle des Wortes für Gott findet sich in den Ankündigungen zu jüdischen Festen ein Auslassungs- bzw. Andeutungszeichen. Wer wollte es sich auch herausnehmen, irgendwo im Namen Gottes auszusagen und darüber hinaus auch noch zu handeln. Ist das nicht Gottverkennung, wenn nicht gar Blasphemie?

Zu einem verhängnisvollen Missionieren zum vermeintlich Besten der anderen, zumal der Ungläubigen, zur Rechtfertigung einer Absolutheit, zu verhängnisvollem Exklusivismus und Explosivismus des religiösen Projekts, nach dem Motto ‚außer meiner Überzeugung kein Heil‘ - zum gewalttätigen Gottesbild, gibt es nach dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide sehr wohl Gründe, die in Textstellen liegen. Obgleich der Islam weniger auf dem Buche gründe, wie Juden- und Christentum dies täten, sondern kurzfristiger, situativer entstanden sei und eher für eine Kommunikation spräche, die auch Reflexion gestatte – wenn man es nur will.

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