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Kategorie: Kulturbetrieb
Die Religion mit ihrer exzessiven Gewalt im Namen Gottes war Thema im Historischen Museum Frankfurt Teil 2/2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der gewalttätige Jünger der Religion meine mit seinem Morden durchaus die Arbeit der Ewigkeit zu tun, erkennt Khorchide. Er meine die Ewigkeit nur vorzuziehen. Dennoch, es gebe externe und psychologische Lagen sowie handfeste Faktoren und Ausgangssituationen für die Exzesse der Religionen im Namen Gottes. Die Frage ist nun aber, was lauert da im Hintergrund, wodurch das Exzedieren begünstigt wird?

Immerhin waren doch Islam, Judentum und Christentum durch die Rezeption der antiken Bildung mit ihrem größten Philosophen - aller Zeiten -, Aristoteles, hindurchgegangen, die aristotelische Kategorienlehre wurde im wissenschaftlich und kulturell fortgeschrittenen Al Andalus zur Bezugsgröße für eine vernunftkompatible Paraphrasierung dessen, was Offenbarung und Eingebung gemeint haben könnten. Es gibt also die gemeinsame Geschichte, ein Verbindendes, dennoch kam es in den monotheistischen Religionen zu grausamen Entartungen – auch untereinander -, die sie der Welt obsolet erscheinen lassen.

Muslime würden zusammenzucken, wenn Dschihad unmittelbar mit einem ‚Gotteskriegertum‘ in Zusammenhang gebracht werde, so Khorchide; denn der Ausdruck meine zunächst Anstrengung, indes auch Notwehr; z.B. gegen Feinde einer Stadt. Samsons Privatschlacht gegen 1000 Philister könnte derart als alttestamentarischer Akt der Notwehr und Befreiung zu interpretieren sein. Es seien vor allem die belauerten Städte gewesen, die sich regelmäßig gegen Eroberer und nicht wohl Gesonnene verteidigen mussten.


Die Religionen durch Aristotelismus wenigstens etwas intelligenter machen

So wie Spätantike und Mittelalter durch die antike Bildung - hierfür steht vor allem auch der legendäre Alexandrinismus, bekannt geworden durch die einzigartige Bibliothek und Wissenschaftskultur der Stadt Alexandria - intellektuell bereichert und vernünftiger gemacht wurden, könnte eine dritte Aufklärung auch den Religionen nicht schlecht anstehen. Die antike Bildung ist das A & O. Sie fördert das Unterscheidungsvermögen, die Reflexion, die Verantwortlichkeit des Denkens; die geistige Haltung wird toleranter, offener, Menschen drängt es zu freieren, autonomen Entscheidungen. Darin waren sich beide Wissenschaftler wohl einig. Ein Problem ist dann aber noch der Weg und die Methode, die zum Ziel führt.

Die europäische Aufklärung - im Hintergrund die antike - habe die Gewaltpotentiale gebändigt, so argumentierte Hartmut Leppin. Hinzu komme die Dialektik und die mit dieser zur Dialektik der Aufklärung weitergetriebene Aufklärung, als erweiterte Möglichkeit - und zugleich Selbstreflektion der Aufklärung.

Khorchide wies darauf hin, dass durch den Verlust der Selbstsicherheit im Islam die Vielfalt verlorengegangen sei – eine andere, westliche, kam auf ihn zu -, daher komme die Neigung zur Eindeutigkeit, zum absoluten Wahrheitsanspruch im aktuellen Islam. Dieser müsse wieder Anschluss an seine eigene Tradition erlangen, die ihm verlorenging. Dass die Aufklärung von der Tradition her eben keine rein europäische Angelegenheit sei, könne als eine günstige Voraussetzung für den Dialog erscheinen. Dabei gehe es um Philosophie, Naturwissenschaft wie auch um die Lehre von - und die - Praxis der Gesellschaft.


Der Giganto-Kult um Gott

Leute, die es plötzlich mit der Religion haben und sie studieren wollen, waren immer kritisch zu sehen. Stets geht es dabei irgendwie um Vorschreiben und Dogmatisieren in einer Welt, die eben nicht einfach ist, auch nicht einfach gemacht werden kann, aufgrund ihrer ursprünglichen Konstruiertheit. Muslime meinen durchaus, dass auch die Christen irgendwann zum Islam übertreten würden, gegebenenfalls es müssten und die Trinität ist für ein schlichtes Gemüt in gewissen adoleszenten Jugendkulturen des Orients das Unding schlechthin. Hinzu kommt, dass Freiheit nach dem offensiven Freiheitsbegriff des kürzlich abgetretenen Bundespräsidenten dem Islam fremd ist. Unter einem strangulierten Lebensmodell leiden Adoleszent*innen dieser Länder – wie z.B. dem Iran - allerdings sehr.

Dreifaltigkeit, das heißt aber eben auch Teilung der Gewalten, gemäß der Auskunft von Matthäus 22, 21: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gott ist. Zu dieser Einsicht, die die wichtigste Grundlage für die säkulare moderne Welt geworden ist, schritten die Diskutanten nicht weiter, jeder blieb bei seinem angestammt Historischen. Das Denken in Einheiten statt in Distinktionen hatte den Vorrang.

Ein Gott mag zwar der Vorstellung nach größer als alles andere sein (dieser Satz des Ontologischen Gottesbeweises – er führt zu: ‚Gott ist!‘ – bleibt doch eine ‚Subreption‘, eine Erschleichung des Beweisgrundes); - solange unser Gehirnskasten für solche gewaltigen Sätze und Übersteigungen des Endlichen einfach zu klein, zu unterdimensioniert ist, bleibt Vorsicht – bei allen Folgen für das Behaupten – geboten.


Freiheit aktiv aufgreifen und verantwortlich gestalten

Es gibt im religiösen Feld viel Ungereimtes. Das liegt weniger an den unerforschlichen Ratschlüssen Gottes, sondern ist sehr menschlich bedingt. Der triumphal besetzte Satz: ‚Gott ist größer als Alles‘ (diese Wendung fiel gegen Ende des Abends) ist leer. Der Begriff Gott ist zunächst nur ein Gefäß unserer Sprache, verbürgt noch keine Realität. Und müsste eine höchste Instanz nicht um die fragwürdige menschliche Geschichte verlegen werden?

Am Schluss des Abends, der ein leidlich fragendes, ein wenig betretenes Publikum zurückließ, stand die Erzählung, dass die löblichen Pfleger der Heilanstalt von Alexandria zugleich auch die Schläger des Erzbischofs waren. Welchen Reim soll sich ein Gott auf so etwas Menschliches machen? Das 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. war durch Christengewalt geprägt.

Den spontansten Einwand gegen den Abend lieferte der Philosoph Rainer Forst („Die Herausbildung normativer Ordnungen“), der in der ersten Reihe mithörte. Er bemängelte, dass der Teufel gar nicht erwähnt worden sei. Reicht es einfach das Kreuz zu schlagen und schon geht er weg? Khorchide meinte, ‚auf ihn zu schieben‘, sei einfach. Gleichwohl, zu einem Gesetzten gibt es auch den Widerpart, das Widersacherische, das ‚im Faust‘ als Handlungsmacht die Entwicklung vorantreibt.

Vorschlag zur Güte: Die religiösen Zeugnisse mögen als Alte Testamente für Erwachsene und große Kinder zu verstehen sein, wie auch die Sagen und Märchen Alttestamente für die Kinder sind. Sie bewegen sich im metaphorischen, allegorischen und narrativen Bereich.

Wie wäre es, wenn wir uns einfach an das griechische Nous halten würden, an die griechische und römische Stoa und an den kategorischen ethischen Imperativ Immanuel Kants, statt uns in einen Gotteswahn zu begeben. Auch fünf Minuten tägliche Meditation auf die gegebene Zeitlichkeit bringt schon viel.

Foto: (c)