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Kategorie: Kulturbetrieb
Serie: Frankfurt liest ein Buch: Benjamin und seine Väter von Herbert Heckmann, Teil 14

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nein, dieses Lied KANN DENN LIEBE SÜNDE SEIN kam nicht, denn jeder Komponist war nur mit einer Komposition dabei. Nach dem Vorlesen der Passagen über die Zubereitung und das frühzeitige Verspeisen der Pfefferkuchen durch Benjamin, war wieder so eine süffige Melodie fällig. ICH WEIß NICHT, ZU WEM ICH GEHÖRE ist einer der Hits von Friedrich Hollaender (1896-1976).
Die Nazis haßten Jazz als Negermusik, ließen bestimmte Arten der Unterhaltungsmusik zu, förderten Zarah Leander u.a. als Ablenkung für die Massen und verfolgten jeden Juden, erst recht erfolgreiche, die sofort. Aber gerade diese konnten sich Gott sei Dank eher ins Exil retten wie Hollaender, der erst 1955 zurück nach Deutschland kam. Diese abendliche Viererbande bringt dies alles als gehobene Barmusik rüber, die Nachbarin möchte sofort lostanzen, der Charleston ist nicht weit, der andere trommelt den Rhythmus. Grundsätzlich ist die kecke und beschwingte Spielweise genau die richtige für diese Musik und man denkt sich, wie wenig dies eigentlich öffentlich geboten wird. Sehr interessant, die Musizierenden zu beobachten. Nur die Geigerin geht mit Mimik und Körpersprache völlig mit dem Inhalt mit und hat ständig die anderen im Blick, der Bassist, das sagten wir schon, verzieht hochkonzentriert keine Miene, der Pianist sucht den Blickkontakt mit der Geige, der Klarinettist auch, der im übrigen am meisten dem Typ eines Barmusikers ähnelt.

Überrascht nehmen die, die das Buch noch nicht fertig gelesen haben, vom Tod der Mutter Kenntnis, wenn Lothar Ruske weiterliest, und von dem überraschenden Besuch des Dr. Schneeberg, der Karten aus Kairo und der weiten Welt an Benjamin geschickt hatte. Dies Szene beim Essen ist wirklich komisch. Und zum Abschluß, die Heckmannschen Bemerkungen über den Durst, naja, schon ziemlich voller Plattitüden wie „Wer rastet, der rostet“ oder „Ohne Wein bleiben wir dumm!“

Da waren wir doch ob der Schlager froh, denn längst ertönte ja schon Theo Mackebens (1897-1953) FRAUEN SIND KEINE ENGEL, ein Hit nach dem gleichnamigen Film von Willi Forst aus dem Jahr 1942, also im schlimmsten Krieg. Mackeben gehört zu denen, die, ohne Nazi gewesen zu sein, in Ruhe gelassen wurde und musikalisch arbeiten konnte. Das hätte nicht für Sholom Secunda (1896-1976) gegolten, dessen Familie früh aus der Ukraine in die USA ging, wo Secunda den Welterfolg Mir Bistu Shein komponierte, den wir als BEI MIR BIST DU SCHÖN kennen.

Tja, jetzt muß doch die Katze aus dem Sack! Es gab keinen Gesang bei Texten, die nach der menschlichen Stimme schreien. Das bleibt richtig, aber für diesen Abend, als Begleitung zu dieser Lesung war die kleinstorchestrale Fassung gerade richtig.

Auch TEA FOR TWO, dieser Kultsong, übrigens von Vincent Youmans (1898-1946), ebenfalls einem US-amerikanischen Musiker, perlte durch den Raum und als SOUS LE CIEL DE PARIS ertönte, von Hubert Giraud (1920-2016), und als Schlager im gleichnamigen Film UNTER DEM HIMMEL VON PARIS 1951 zu hören, wußte jeder Bescheid. Das sind Melodien, die weltbekannt sind, ohne daß man jederzeit den Titel und erst recht sogar den Komponisten wüßte.

Nein, DAS IST BERLINER LUFT schwebte nicht durchs Foyer. Wir hätten gewettet. Aber dieser Gassenhauer von Paul Lincke wurde schon kurz nach der Jahrhundertwende zum Schlager der Stadt Berlin. Stattdessen gab‘s es als Zugabe für ein sehr zufriedenes Publikum die 1912 ans Licht der Welt getragene HEINZELMÄNNCHENS WACHTPARADE von Kurt Noack. Schmissig und ein schöner Abschluß eines Abends, der für uns musikalisch noch Stunden hätte weiter gehen können.

Foto: (c) zonaar.de

Info:

Herbert Heckmann, Benjamin und seine Väter, Roman
Mit einem Nachwort von Peter Härtling
440 Seiten. Gebunden. Lesebändchen.
€ 22,00 €[A] 22,70
ISBN: 978-3-89561-482-8


Herbert Heckmann, Benjamin und seine Väter,
Audio-CD
Ganzlesung von Herbert Heckmann. Eine Produktion des Hessischen Rundfunks 1996
2 mp3-CDs. Spieldauer ca. 13 Stunden
€ 20,00 (UVP) €[A] 20,00
ISBN: 978-3-89561-481-1