k lackhbgAusstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG)  Eröffnung: 27. Februar 2019, bis 26. Mai 2019

Felicitas Schubert

Hamburg (Weltexpresso) - Im Frühjahr 2019 präsentiert sich die materielle Kultur Chinas, Koreas und Japans in den Ostasien-Räumen des Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) von ihrer luxuriösen Seite – der Lackkunst. Brillantes Schwarz, intensives Rot, schimmerndes Gold und geheimnisvolles Perlmutt dominieren die Lackwaren, die alle Lebensbereiche der gesellschaftlichen Elite wie Essen, Schreiben, Reisen, Musik, Schmuck und Teekultur bereichern.

Seit dem späten 16. Jahrhundert wurden Lackwaren auch an den europäischen Höfen bewundert, gesammelt und imitiert. Gründungsdirektor Justus Brinckmann (1843–1915) legte die Sammlung des MKG in der Hochphase des Japonismus um 1900 an. Anhand wertvoller Schalen, Kämme und Schmuck, Kästen für Kosmetik, Schreibutensilien und Spiele sowie Stapelkästen für Esswaren gibt die Ausstellung Einblicke in die Erwerbungspolitik des MKG und in die internationale Sammlerszene von Ostasiatika zwischen der Weltausstellung 1873 in Wien und dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914. Neben wesentlichen Objektgruppen stellt die Ausstellung wichtige Lacktechniken, charakteristische Motive, einzelne Meister und ihre Malereien sowie Farbholzschnitte vor. Moderne und zeitgenössische Positionen wie Insektenpräparate und Lackstühle ergänzen die Präsentation der historischen Bestände und zeigen Wechselwirkungen zwischen Lack-Ästhetik und europäischem Design auf. Die didaktisch und sammlungsgeschichtlich aufbereitete Ausstellung möchte die Besucher*innen für die Lackkunst Ostasiens begeistern, leistet aber gleichermaßen einen Beitrag zur Provenienz- und Marktforschung in der ostasiatischen Kunstgeschichte. Die Ausstellung stellt mit über 100 Objekten erste Ergebnisse des von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius geförderten Projektes zur wissenschaftlichen Erschließung der Sammlung Ostasien vor.

Was alle Objekte vereint ist das Material Lack. Der milchige Saft, der aus dem Lackbaum (lat. Toxicodendron verniciflua) gewonnen wird, ist giftig und verätzt die Haut. Erst durch die Verarbeitung wird aus ihm eine glasklare, glänzende Oberflächenversiegelung, die Hitze und Feuchtigkeit gleichermaßen standhält. Über Jahrhunderte ließ sich der pflanzliche Lack nur mit bestimmten Pigmenten einfärben, weshalb noch immer die Farben Schwarz, Rot, Gold und Perlmutt die Ästhetik der ostasiatischen Lacke dominieren. Der Lack selbst trocknet nicht, sondern unterliegt einem Polymerisationsprozess: Zum Aushärten benötigt er Sauerstoff, sodass die einzelnen Lackschichten sehr dünn und mit zeitlichem Abstand aufgetragen werden müssen. Ein hochwertiger Lack besteht durchschnittlich aus 30 einzelnen Lackschichten. Aufwendig gearbeitete chinesische Schnitzlacke bestehen aus weit über einhundert Schichten.

Typisch für die japanische Lackkunst ist das sogenannte Streubild (makie), bei dem Gold- oder Silberpulver auf den feuchten Lack gestreut wird. Ob Schnitzlack, Streulack oder Einlagendekor – die Verarbeitung des pflanzlichen Lackes ist sehr aufwendig und kostspielig. In Europa ist sie äußerst schwierig – neben der natürlichen Ressource fehlen die klimatischen Bedingungen. Die Polymerisation findet idealer Weise bei sommerlichen Temperaturen und einer Luftfeuchtigkeit von 75 bis 85 Prozent statt. Aus diesem Grund gelang es, anders als beim Porzellan, nicht, sogenannten Chinalack oder Japanlack (urushi) in Europa industriell zu verarbeiten. Bereits im 17. Jahrhundert mehren sich aber Materialimitationen auf Objekten und Möbeln, von denen einige Beispiele aus der Sammlung des MKG in der Ausstellung präsentiert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung beleuchtet die verschiedenen Funktionen und Gebrauchsweisen der ostasiatischen Lackkunst. Besonders faszinierend sind chinesischen Dosen, Schalen und Vasen in ihrem technischen Facettenreichtum von Schnitzlack bis Einlagendekor. Viele der Objekte dienten der Aufbewahrung persönlicher Gegenstände. Ein Hängevasenpaar aus Schnitzlack und Lapislazuli trägt Gedichte in kaiserlichem Auftrag. Sie stammen wahrscheinlich von dem chinesischen Kaiser Qianlong (1736–1795), der eine der bedeutendsten Kunstsammlungen besaß. Japanische Stapelkästen für Esswaren, aber auch Freizeitvergnügungen wie das Muschelspiel (kaiawase) sowie Kosmetikkästen, Kämme und Schmuck geben Einblick in den Alltag der japanischen Oberschicht. Gezeigt wird auch eine Gruppe von Lackkästen im Stil der Rinpa, die Justus Brinckmann als Werke des Hon’ami Kōetsu (1558–1637) und Ogata Kōrin (1658–1716) erwarb. Heute werden sie ins 19. Jahrhundert datiert. Zusammen mit japanischen Blockdruckbüchern mit Kompositionsvorlagen dieser Lacke sowie europäischen Publikationen zu japanischer Kunst des späten 19. Jahrhunderts verdeutlicht diese Werkgruppe, wie unmittelbar Handeln, Sammeln und Vermitteln von Wissen über japanische Kunst in den frisch gegründeten Kunstgewerbemuseen miteinander verknüpft waren.

Lack ist nur einer von vielen Rohstoffen, die in den materiellen Kulturen Ostasiens eine wichtige Rolle spielen. Die schmückende aber auch schützende Funktion des Materials erhält je nach Zusammenhang eine besondere Bedeutung. So sind in den Sammlungsbereichen Kunst Koreas, Buddhismus und Samurai-Kultur ausgewählte Lacke herausgestellt. In unmittelbarer Nähe des japanischen Teehaus Shōseian (Hütte der reinen Kiefer), in dem wöchentlich Unterricht im Teeweg (chadō) und monatlich öffentliche Teevorführungen stattfinden, werden Lackwaren präsentiert, die in der japanischen Teekultur Anwendung finden. Im Raum für ostasiatische Bildkulturen stellt die Ausstellung Shibata Zeshin (1807–1891) als den wichtigsten japanischen Lackkünstler des 19. Jahrhunderts vor. Der Lackmeister war auch als Maler und Entwerfer von Holzschnitten erfolgreich. Neben Malereien und Farbholzschnitten des Zeshin sind hier einzelne Lacke aus seinem Umkreis zu sehen.

Die wissenschaftliche Erfassung der Lacksammlung geht mit der Analyse der Erwerbungspolitik für Ostasiatika unter Justus Brinckmann einher. Die Angaben auf den frühen Inventarkarten der zwischen 1873 und 1914 erworbenen Lacke ermöglichen Einblicke in die Sammler- und Händlernetzwerke für japanische Lackwaren in dieser Zeit. In diesem Zusammenhang werden einzelne wichtige Sammler und Ereignisse vorgestellt. Beispielhaft hierfür ist ein wertvoller Kosmetikkasten aus dem 15.–16. Jahrhundert, den der bedeutende Händler Hayashi Tadamasa (1853–1906) Justus Brinckmann 1904 vor seiner Rückkehr aus Paris nach Japan schenkte. Hervorzuheben sind auch die auf der Weltausstellung in Wien 1873 erworbenen Lacke sowie eine Gruppe von Stücken aus der Sammlung der französischen Schriftsteller Edmond (1822–1896) und Jules (1830–1870) Goncourt, die zu den wichtigsten Wegbereitern des Japonismus zählen.

Ergänzt werden die vormodernen Stücke aus Ostasien um historische europäische Positionen, die Wechselwirkungen zwischen europäischem und japanischem Kunsthandwerk vor Augen führen. Moderne und zeitgenössische Objekte bezeugen die Lebendigkeit der ostasiatischen Lackkunst und ihre Ausgestaltung zu Designobjekten. Die Insektenpräparate von Higuchi Akihiro (*1969) spiegeln die spannungsreiche Beziehung zwischen Mensch und Tier. Sie reflektieren die Künstlichkeit naturwissenschaftlicher wie kulturwissenschaftlicher Sammlungen, die versuchen, das fremdartige, natürliche Chaos in artifizielle Ordnungen menschlicher Ethik und Ästhetik zu pressen.

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© MKG