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Kategorie: Kunst

Serie: Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa, Teil 2

 

Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar

 

Mannheim (Weltexpresso) – Da staunt man schon über den königlichen Titel, erst recht, wenn man in der Ausstellung die doppelte historische Wahrheit erfährt: von 1816 bis 1918 regierten die Münchner Könige über die Pfalz, deren erster Herrscher 1816 aus dem Geschlecht der Wittelsbacher, Maximilian I. Joseph, aber aus Zweibrücken kam, was unwiderlegbar in der Pfalz liegt, auch wenn er in München vor Napoleons Gnaden residierte.

 

Man merkt also auch das Augenzwinkern in dieser Ausstellung, die vorprescht im 800jährigen Wittelsbacher Jahr 2013/14, zu dem die Kurpfalz – 1214 hat der Staufer Friedrich II. die Pfalzgrafenwürde an Herzog Ludwig I. von Wittelsbach verliehen - aufgerufen hat und das in Mannheim (ab 8. September) wie Heidelberg (ebenfalls ab 8. September) sowie Schloß Erbach im Odenwald (ab Mai) und vielen anderen, insgesamt 45 Orten wieder die drei Bundesländer mit ihrer gemeinsamen Geschichte, was die Kurpfalz betrifft, eint: Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen, die alle drei die gemeinsame historische Kulturunternehmung auch staatlich leiten und stützen.

 

In Speyer erfährt man nun – mindestens – Zweierlei. Daß einerseits die Bayern, die ja trotz des Königs durchaus als Besatzungsmacht empfunden wurden – maßgeblich die heutige Pfalz geprägt haben in Landwirtschaft und Weinbau (!), in der Gründung von Firmen und Fabriken wie der BASF, wozu sie der Stadt Ludwigshafen ihr heutiges Gesicht gaben, aber auch der einst weltberühmten Firma Pfaff, und sogar der Speyerer Dom, Inbegriff einer romanischen Kirche schlechthin, wurde durch die Ausmalung im Inneren zur bayerischen Kulturgut. Andererseits hat die Pfalz das nach Bayern exportiert, was heute als typisch bayerisch gilt, wovon das Oktoberfest als Import aus der Pfalz wohl die größte Überraschung darstellt.

 

Die historische Wahrheit ist noch etwas komplizierter, man müßte den Begriff der KURPFALZ regional und politisch definieren und man müßte die politischen Veränderungen seit der französischen Revolution genauer untersuchen. Wir fassen aber zusammen, daß im Gefolge der napoleonischen Kriege von 1795 bis 1801 das linksrheinische Gebiet französisch war, während die spätere bayerische Pfalz sogar bis 1945 währte. Die KURPFALZ nun wiederum kann eng oder weit verstanden werden, wir beschränken uns darauf, daß deren Herrscher die Pfalzgrafen bei Rhein waren, die seit dem 12. Jahrhundert zu den sieben gehörten, die den deutschen König erwählten, der dann zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (ab deutscher Nation) wurde, also eine sehr herausgehobene Bedeutung besaß. Die Pfalzgrafen bei Rhein, die hauptsächlich in Heidelberg residierten, waren es dann auch, die maßgeblich den Protestantismus förderten.

 

Aber, jetzt geht es erst einmal zurück in die Ausstellung, die in der geschwungenen Form, die die Räume des Museums aufzwingen, höchst vergnüglich die sachliche Information mit vielen Objekten hauptsächlich aus dem Zeitraum des 19. Jahrhunderts verbindet und einem verständlich machen kann, daß die Epoche der Nationalstaaten auch die Pfalz als Land - wenngleich bayerisches -, definiert, was zuvor in geistige Fürsten, freie Reichsstädte und weltliche Herrscher zersplittert war. Geschichtlich höchst verständlich auch, weshalb die Wiege der deutschen Demokratie im 19. Jahrhundert , verkörpert im Hambacher Schloß ab 1832, linksrheinisch lag, da wo die französische Besatzung zuvor Wurzeln der Aufklärung gelegt hatte und aufrechter Bürgersinn die Folge blieb. Ja, auch das Hambacher Schloß kommt vor, allerdings wie anderes auch nur als Seitenlinie mit kurzer Erklärung und Bild, denn – das muß man sich dann immer vorsagen – in dieser Ausstellung geht es wirklich nur um eins: das Königreich Pfalz im Wittelsbacherjahr entsprechend herauszustellen. Fortsetzung folgt.

 

 

Bis 27. Oktober 2013

und mit Audioguide von CHAKO Habekost bitte

 

Begleitschrift:

Königreich Pfalz, hrsg. von Direktor Eckart Köhne, Historisches Museum Pfalz, Speyer 2013

Diese 130seitige Publikation, dicker als ein Begleitheft, dünner als herkömmliche Kataloge, faßt in Themenbereichen die Ausstellung sehr sinnvoll zusammen und gibt der Ausstellung das gehaltlliche Fundament, was überlebt, wenn die Ausstellung wieder abgeräumt wird. Die Kapitel lauten Die Pfalz und ihre Pfälzer, Unter Bayern, Geschichte und Gegenwart, Lebenswelten im Wandel, Neue Perspektiven, Kulinarische Pfalz, Ansichten und Einsichten.