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Kategorie: Kunst

DIE MEDICI. Menschen, Macht und Leidenschaft in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Mannheim (Weltexpresso) – Cosimo ist der Ältere und wird den Beinamen Il Vecchio, der Alte, erhalten, weil er am längsten und kontinuierlichsten die eigenen Geschäfte mehrt, aber auch so viel Gemeinsinn aufbringt, daß ihm die Florentiner den Ehrentitel PATER PATRIAE, Vater des Vaterlandes, verleihen. Das übrigens war die Bezeichnung für die römischen Kaiser gewesen.

 

Jacopo Pontormo, der hinreißende Manierist, hat ca. 1520, immerhin fast 50 Jahre nach Cosimos Tod sein Porträt als das eines nachdenklichen unschönen Mannes geschaffen, der eigentlich sogar häßlich ist, aber in seiner mönchischen roten Kutte eine imposante Figur abgibt. Die Bedeutung kommt von innen und ist nicht äußerliche Pracht. Das gilt für die alten Medicis, zu denen noch Sohn Piero der Gichtige zählt, der schon fünf Jahre nach dem Vater 1469 stirbt.

 

Mit Lorenzo dem Prächtigen ist eine andere Zeit angebrochen, wobei die Macht nicht dynastisch vererbt wird, sondern durch besondere Fähigkeiten erworben werden muß, die sich Lorenzo und sein Bruder Guiliano erst erwerben mußten, die beim Tode des Vaters erst 21 bzw. 16 Jahre alt waren. Das Porträt zeigt Lorenzo wie einen auf die Nase geschlagenen Boxer. Er muß richtig häßlich gewesen sein, aber mit einer Kämpfernatur ausgestattet. Sein Bruder, dessen Büste Andrea del Verrocchio noch zu Lebenszeit aus Terrakotta schuf, war der Liebling der Stadt und soll schön gewesen sein, was kein Bildnis so richtig wiedergibt, auch nicht die ansprechenden von Botticelli.

 

Guiliano ist ein Beispiel für solche Sentenzen, daß die Götter ihre Lieblinge früh sterben lassen. Aber vorher hatte er eine stadtbekannte Liebschaft mit Simonetta Vespucci, deren antikisierendes Porträt Botticelli schuf und das im Frankfurter Städel hängt Guiliano wurde am 26. April 1478 Opfer der sogenannten Pazzi-Verschwörung, einer ebenfalls mächtigen Florentiner Bankiersfamilie, die ihre Felle davonschwimmen sah und beide Brüder im Dom von Florenz ermorden lassen wollte. Längst weiß man, das dies als Medici-Propaganda in Florenz gut ankam, die Ursachen der Feindschaft und des Mordes aber in Rom lagen, direkt beeinflußt durch Papst Sixtus IV.

 

Und der gute Federico da Montefeltro hatte auch seine Finger im Spiel. Doch Lorenzo konnte fliehen. Wir sehen nun in der Ausstellung eine forensisch-anthropologische Analyse des Tathergangs und der Tatwaffe. Das ist – ehrlich gesagt – schon unheimlich, weil man für sich auch eher denkt, man möchte davon zwar wissen, aber die schauerlichen Details dann doch nicht sehen. Der ermordete Guiliano hinterließ einen unehelichen Sohn, der bei seinem Onkel Lorenzo aufwuchs und gefördert wurde, durch seinen Cousin Papst Leo X. erst zum Kardinal ernannt und dann zu Papst Clemens VII. gewählt wurde.

 

Mit Lorenzo war sicherlich der Höhepunkt der Macht der Medicis verbunden, zumal er sich gleichzeitig der Philosophie verschrieben hatte und mit der PLATONISCHEN AKADEMIE, die Ficino leitete, die Lehren der Antike modern machte, wie sie dann über den aus Byzanz stammenden Kardinal Bessarion und den Drucker Aldus Manutius aus Venedig, der die griechischen Texte erstmals druckte und übersetzte und viele römische dazu, zum Allgemeingut dessen wurde, was man eben als Wiedergeburt der Antike Renaissance nennt. In Lorenzo kam alles zusammen, was das Geschlecht der Medici an Talenten hervorbrachte, aber auch die negativen Dinge wie Krankheit und der frühe Tod mit 43 Jahren im Jahr 1494, was die Ausstellung umfangreich dokumentiert. Fortsetzung folgt.

 

 

bis 28. Juli 2013

 

BEGLEITBAND zur Ausstellung:

 

DIE MEDICI. Menschen, Macht und Leidenschaft; hrsg. von Alfried Wieczorek, Gaelle Rosendahl, Donatella Lippi, Publikation der Reiss-Engelhorn-Museen Band 54, Schnell + Steiner 2013. Wir haben ja schon vorgeschlagen, diesmal den Katalog vor der Ausstellung zu verinnerlichen – und danach noch einmal, weil die Stoffülle der Ausstellung hinsichtlich des Medici-Personals dies sinnvoll macht. Aber, wie immer, interessiert man sich einfach nach der Ausstellung noch stärker für diese im heutigen Sprachgebrauch politisch erfolgreiche „Ausnahmefamilie“,die wenn man ihre Anfänge bedenkt, wenig vom Glanz und mehr von der Hingabe an die gesellschaftspolitische Aufgabe geprägt ist.

 

Der 414 Seiten lange Katalog wirft in elf Kapiteln Schlaglichter auf die Personen, aber auch auf übergreifende Themen, die sich an bestimmten Personen festmachen lassen, wie im dritten Kapitel PRUNK, MACHT und VERSCHWÖRUNG an Lorenzo il Magnifico oder Guiliano di Piero, die Pazzi Verschwörung, die Medici-Päpste Leo X. Und Clemens VII u.a.Es beginnt mit der Kurfürstin von der Pfalz, wie dieses Florenz, Mannheim und Düsseldorf verbindet und wie sie zu einer ungewöhnlichen Kooperation ihrer Leichenbearbeitung beitrug, aber auch deren Fernsehbearbeitung DIE MEDICI bei ARTE.

 

Wen die Medici interessieren, für den ist das ein Buch fürs Leben, denn es interessieren nicht nur die familienrelevaten Angaben und Ausführungen, sondern auch deren Eingebundenheit in die Zeit in Kapiteln wie DIE MEDICI BANK (Seite 55 ff), Wirtschaftsdenken im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (65ff) oder REISEN IN DER RENAISSANCE (159 ff) oder HUMANISMUS UND NATURWISSENSCHAFTEN- Der Aufstieg der Medizin in der italienischen Renaissance( 175 ff) oder gar SCHWANGERSCHAFT, GEBURT UND WOCHENBETT (185 ff).

 

Auch das Unglücklichsein von so vielen Familienmitgliedern wird zum Thema, die keine glückliche Familie darstellen, sondern Mord und Totschlag, Krankheit und Siechtum die andere Seite des gesellschaftlichen Glanzes darstellen. Insbesondere die Frauen, hier die jungen Frauen. Werden als tragische Existenzen begründet. Das Ende der Dynastie mit der pfälzischen Kurfürstin ist nun auch etwas Besonderes. Die Kunstsammlungen der Medici vermachte sie als letzte Medici dem Ursprungsort der Medici, der Stadt Florenz, wogegen keiner etwas sagen kann, wenngleich die Überlegung, sie hätte sie in die Pfalz gegeben, schon etwas hat! Nun werden also Teile davon im Mannheimer rem gezeigt und in diesem Katalog bewahrt.

 

Vergleiche unsere drei Vorberichte, die stark auf die Exhumierungen eingehen

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/819-fluch-und-segen-eines-familienclans-der-renaissance

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/820-florenz-und-mannheim-sowie-exhumierungen

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/1247-dynastischer-schwerpunkt-mit-den-medici-und-den-wittelsbachern

 

 

 

www.rem-mannheim.de