wpo urlaß 1358Konkrete Kunst von Claudia Urlaß in der Salonschau der Kunststation 

Hanswerner Kruse

Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Im Rahmen der Frühjahrsausstellung zeigt Claudia Urlaß „Die Flüchtigkeit der Zeit“ im Salon der Kunststation. Während der Eröffnung huschen einige Besucher rasch durch die kleine Salonschau. Obwohl die Künstlerin gerade freundlich ihre Arbeiten erklärt, können manche wohl „nichts damit anfangen“.

Dabei reizt das große kuschelige „Nest“ aus weichem Material in der Mitte des Raumes zum Anfassen. Zwei große Grafiken an der Wand regen Fantasien an, denn die „Gewebe“ erscheinen wie streng komponierte, komplementäre Landschaften oder technische Objekte.

Claudia Urlaß ist Künstlerin und Mathematikerin - ihre Arbeiten bilden nichts ab und symbolisieren oder abstrahieren auf keinen Fall irgendetwas. Die präsentierten Werke enthalten keine Botschaften, lassen sich nicht psychologisch deuten und stehen alleine für sich selbst. Konkrete Kunst eben - ungegenständliche Werke, die ihre Basis nicht in unserer sichtbaren Wirklichkeit oder einem verborgenen Gefühlsleben haben.

Besonders fremdartig und möglicherweise extrem unverständlich wirken drei gleichgroße schwarze Holzplatten, die „Black Drawings“, an einer Wand. Doch sobald man sich selbst vor den Quadraten bewegt, entstehen im wechselnden Licht auf den Tafeln zarte Bewegungen. Die Künstlerin bemalte die Platten vollständig mit dicken schwarzen Graphitkreiden und schuf dadurch die kaum sichtbaren Muster.

Die anfangs erwähnten, einander komplementären Zeichnungen, entwickelte Urlaß vor der Ausführung vollständig im Kopf. Sie plante die Bildstruktur und skizzierte sie mit feinen Linien. In wochenlanger Arbeit setzte sie dann akribisch - mit Graphitstiften („Bleistiften“) unterschiedlicher Härte - winzige Striche nebeneinander und füllte damit vollständig das Papier. Die beiden miteinander korrespondierenden Arbeiten wirken von weitem als Ganzes, man kann sogar etwas hineindeuten. Doch man sollte auch sehr nah herangehen, um die winzigen Strukturen, farblichen Abweichungen und unterschiedlichen Wirkungen des Lichtes zu erleben.

Urlaß lernt seit einiger Zeit Klavierspiel, dadurch inspiriert setzte sie „Altfranzösische Lieder“ in grafische Strukturen um. Sie berechnete die benutzen Finger, Dauer, Stärke und Höhe der Töne als grafische Werte und realisierte sie in einer eigenen Bildsprache. Ihre Art des meditativen Arbeitens ähnelt übrigens derjenigen der Künstlerin INK, die ebenfalls mit zahlreichen unterschiedlichen Graphitstiften fast fotorealistische Bilder schafft und demnächst in der Kunststation ausstellen wird.

Früher arbeitete die Künstlerin mit kräftigen Farben und Flusen aus dem Wäschetrockner, dadurch konnten sie raue, fast dreidimensionale Oberflächen schaffen. Mittlerweile befreite sie ihre Flusen von der Farbe. Die große Skulptur „Nest“ schuf sie an zwei Tagen direkt in der Kunststation: Sie drückte, fügte und formte die Flusen aus einer Großwäscherei ohne Klebstoff und Farbe zusammen. Für mögliche Käufer wird das Objekt abgebaut und vor Ort neu errichtet.

Der Schaffensprozess der Künstlerin mag eigenartig erscheinen, doch für sie ist diese Arbeit wie Meditation. Sie bedeutet  ihr „die Entschleunigung“ der Welt, ein Thema, das sich durch das Oeuvre zieht. Damit hat sie durch ihre exemplarische Tätigkeit letztlich doch eine Botschaft.

Foto:
Das kuschelige "Nest" aus Flusen, im Hintergrund das "Altfranzösische Lied" © Hanswerner Kruse

Info:
„Die Flüchtigkeit der Zeit“ bis zum 17. April 2020. Geöffnet donnerstags bis sonntags von 13 - 18 Uhr. In der Sommerzeit ab 29. März dienstags bis samstags 13 - 18 Uhr, sonn- und feiertags 11 - 18 Uhr.