malyEine hierzulande unbekannte österreicherische Künstlerin der Zwischenkriegszeit wurde bis Januar im Linzer Lentos Museum ausgestellt, hier das Buch dazu, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sicher fallen jedem die kurze Lebenszeit von Ida Maly auf. Nein, sie war nicht krank. Sie starb auch nicht durch einen Unfall. Sie starb an den Deutschen, den Nazi-Machthabern, die seit dem Anschluß Österreichs, gestützt durch österreichische Nazis auch labile Menschen, schnell zu Geisteskranken erklärt, im NS-Euthanasieprogramm umbrachten. Das gleich vorweg.

Ida Maly. Zwischen den Stilen

nannte das Lentos in Linz  die Ausstellung  und nennt die Kuratorin der Ausstellung Anna Lehninger ihren sehr ausführlichen Text, angesichts dessen, daß wir nichts über diese Künstlerin wissen, eine notwendige biographische Skizze, mit den jeweiligen Werken unterfüttert und dies gleich doppelt. Ab Seite 49 werden die für die Ausstellung ausgewählten Werke vorgestellt, aber schon im Essay sind viele bildliche Darstellungen von Kunstwerken, auf die sich Ida Maly bezieht, die sie kopierte oder die von ihr selbst stammen, aber nicht in der Ausstellung auftreten, abgebildet.

Zwischen den Stilen versteht man schon wenn man die Lebensdaten 1984-1941 betrachtet, aber erst recht, wenn man die Bilder beim ersten Durchblättern wahrnimmt, wie es wohl jeder macht, der sich mit einer Unbekannten, einem unbekannten Werk beschäftigt. Und da sieht man auf einen Blick, daß zeitgemäß bei ihr alles vorhanden ist: die Anfänge mit Farbübungen und Ornamentfriesen, sehr viele Zeichnungen Aquarelle, Gemälde, Impressionistisches, Expressionistisches, Rayonismus-Kubismus, Jugendstiliges- und zwar französisch Art Nouveau, aber auch in ihren Ex-Libris die Geometrieverehrung des Wiener Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Öl auf Leinwand, Bleistift auf Papier – und dann eine Menge von Aquarellen und Zeichnungen, die zeigen, daß sie eine hervorragende Karikaturistin geworden wäre, hätte sie nur gedurft und hätte sie weitergelebt.

Ganz am Schluß des Essays erscheint dann der Hinweis, wie es überhaupt zur „Entdeckung“ von Ida Maly kam und weshalb eine Ausstellung in Linz überhaupt möglich wurde. Ihre letzten bekannten Bilder stammen aus dem Jahr 1935. Keiner weiß, ob sie weiter künstlerisch hat tätig sein dürfen, keiner weiß aber auch, wie ihre – meist Aquarelle, Bleistiftauf Papier, koloriert, klassische Zeichnungen – Arbeiten aus der „Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke Am Feldhof“ in Graz nach draußen kamen, ob sie überhaupt hat malen dürfen, ob es heimlich geschah? Aber woher hatte sie Farben, Papier? Und wer nahm die Blätter an sich, wer hob sie auf? Es gab auf einmal eine Privatsammlung, in der sich die meisten Werke befinden.

maly2Von vorne, im Katalog, was heißt Katalog, es ist gleichzeitig der erste Werkkatalog von der Künstlerin und ihre erste Ausstellung, sind auf Seite 121 ihre biographischen Daten auf einen Blick zu lesen und zu interpretieren. Sie wurde in Wien 1894 als dritte Tochter des k.k. Eich-Oberinspektors Franz Maly geboren, die Familie zog im Jahr drauf nach Graz. Sie ist also in bürgerlichen Verhältnissen groß geworden und war von Anfang an künstlerisch interessiert. Heute wird das so dahingeschrieben: 1912-1914 „Nach der Matura zwei Jahre Studium der Malerei an der Steirischen Landeskunstschule und vier Monate k.k. Staatsgewerbeschule in Graz.“ Das waren gerade mal gute zwanzig Jahre später, als die blutjunge Ricarda Huch aus Braunschweig 1880 nach Zürich ging, um dort ihr Abitur zu machen und zu studieren, weil dies damals im Deutschen Reich für eine Frau nicht möglich war.

Das ist für die Deutschen geschrieben, denn die Österreicher wissen, daß die Mädchenbildung in der Nachkriegszeit vor allem in Wien höchster Standard, einschließlich Matura war. Aber hier sind wir ja noch vor dem Krieg und ein Mädchen aus Graz macht Abitur und ihre Schwester auch;  das Habsburgerreich war einfach liberaler, aber das Elternhaus auch! Erstaunlicherweise gingen dann zu Beginn des Krieges Ida und ihre Schwester Paula, alle beide nach Wien an die spätere Hochschule für Angewandte Kunst, kamen aber nicht zurecht oder die Lehrenden mit ihnen, so daß Ida in St. Pölten in einer Fabrik arbeitet, auch Schwimmwettkämpfe und Turmspringen bestreitet. 1918 geht sie nach München, wo ihre Schulfreundin Martha Newes gut verheiratet lebte. Sie lebt von Aufträgen, die oft aus Kopieren bekannter Meisterwerke bestehen.

Im Januar 1921 bekommt sie eine Tochter Elga Maly, die sie allein großzuziehen versucht, was mißlingt, weil sie ja noch nicht mal für sich selber ökonomisch ausreichend sorgen kann und kein Netzwerk für eine junge Mutter vorhanden ist. Deshalb kommt das Kind 1923 zu Pflegeeltern nach Graz, die das Mädchen später adoptieren. Ida geht nach Berlin und Dresden, immer auf der Suche nach Aufträgen, was weiterhin vor allem im Kopieren Alter Meister besteht. Dann aber hat sie auch ein Faible für schnelle Skizzen von Frauen, die in Cafés wohlbehütet sitzen, wie es eine wirklich zauberhaft hingehauchte Schöne aus dem Café Luitpold in München, eine Radierung von 1923, zeigt. Aber schnell? Auch ein weiteres Aquarell mit Bleistift vom 23.11.1925 wird nicht im Café selbst entstanden sein.
Fortsetzung folgt
 
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Info:
Ida Maly 1894-1941, hrsg. von Hemma Schmutz, Anna Lehninger, Publikation anlässlich der Ausstellung IDA MALY, ZWISCHEN DEN STILEN im Lentos Kunstmuseum Linz, 22. Oktober 2021 bis 9. Jänner 2022
ISBN 978 3 7319 1137 1