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Kategorie: Kunst
schirn.de demandtKulturdezernentin Hartwig dankt Philipp Demandt für sechs erfolgreiche Jahre als Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt

Klaus Hagert

Franfurt am Main (Weltexpresso) - Also bleiben wir mal bei der Wahrheit! Natürlich ist die 'Tat', die Philipp Demandt hier attestiert wird, eigentlich die Tat der Kuratoren, der Mitarbeiter in der Schirn, die die eigentliche Arbeit gemacht haben. Aber und dieses Aber ist ganz wichtig, ein Direktor ist dann ein guter Direktor, wenn er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen läßt, wobei wir es bei den Mitarbeiterinnen belassen, denn die waren es, die die Schirn auch in den letzten Jahren zu einer spannenden Kunsthalle gemacht hatten.

Als Christoph Vitali seit 1985 die Schirn, die dann 1986 als Ausstellungshaus eröffnet wurde, übernahm, war in Frankfurt eine Lücke geschlossen, nämlich die, große Ausstellungen zeigen zu können, ohne bestehende Museumsräume zu plündern, das heißt, die an den Wänden hängenden Ausstellungsobjekte abzuhängen, um für die neue Ausstellung Platz zu haben. Eine echte eigene Ausstellungsfläche sollte die Schirn bieten und tat es auch. Weit über 200 Ausstellungen gab es seitdem. Probleme einer reinen Ausstellungshalle liegen auf der Hand. Der Leihbetrieb von Gemälden und anderen Kunstwerken ist sehr viel schwieriger, wenn man nicht Tauschgeschäfte vorschlagen kann, also einen Picasso gegen einen Matisse, beispielsweise.  Die Schirn hat also keine eigene Sammlung, sondern muß für befristete Ausstellungen zu speziellen Themen oder Künstlern alles erst organisieren. Das ist am Anfang sehr schwer und nur mit dem guten Namen, den Christoph Vitali und seine Stellvertreterin  hatten, war es möglich, was eintrat: Die Schirn hat einen guten, ja einen sehr guten Namen, genießt in Kunstkreisen Ansehen, so daß - oft als Kooperation mit anderen Häusern - sich die großen Museen wie das Centre Pompidou, das Guggenheim Museum, das MOMA  in New York, die Eremitage in Sankt Petersburg, die Tate Gallery und andere, zur Zusammenarbeit und zur Ausleihe bereit fanden. 

Auf diesem Pfund konnten alle anderen Direktoren der Schirn aufbauen. Allein die Ausstellungen über die frühern Russen, die russische Avantgarde, waren die Höhepunkte der Kunstjahren, in denen ganz Europa nach Frankfurt strömte. Es kam Hellmut Seemann, der im Juni 2001 als Präsident der Klassik Stiftung nach Weimar berufen wurde. Und dann kam im Oktober 2001 der Wiener Max Hollein und wurde für die Frankfurter Kunstszene zur Lichtgestalt. Er war derjenige, dem auch die Leitung des eigentlichen Frankfurter Kunstmuseums, des Städel, angetragen wurde, was er in Personalunion übernahm. Und nicht nur das, er wurde damit auch Direktor des Liebieghauses, des wunderbaren Kleinods für Skulpturen, war also für drei große Bereiche zuständig. Als Hollein in die USA ging, wurde also nach einem neuen Städeldirektor gefahndet, wobei Philipp Demandt ausgewählt wurde, der zuvor in Berlin war. Er hatte als Städeldirektor dann automatisch auch die Leitung der anderen Häuser. Und das ändert sich jetzt, deshalb noch einmal dieser Rückblick. Denn mit der  großen Überblicksausstellung „Ugo Rondinone. LIFE TIME“ hat die Schirn Kunsthalle Frankfurt am Donnerstag, 23. Juni, die letzte Schau unter ihrem Direktor Philipp Demandt eröffnet. In ihrer Rede zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung dankte Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Ina Hartwig Demandt für seine erfolgreiche Leitung der renommierten Frankfurter Kunstinstitution. Nun muß man wissen, daß dies nicht die Absicht des Direktors war, sondern das kulturpolitische Kalkül der Kulturdezernentin, wozu  sie übrigens jedes Recht hat. Aber Philipp Demandt wäre kein machtkundiger Museumsdirektor würde ihm der Entzug der Schirn nicht gegen den Strich gehen, aber wie das so ist, nach außen darf da nichts dringen, von daher wird das Spiel öffentlich folgendermaßen gespielt: 

Hartwig würdigte erst einmal die Arbeit des Schirn-Direktors: „Philipp Demandt hat die Schirn Kunsthalle Frankfurt in den letzten sechs Jahren ganz maßgeblich in ihrer Bedeutung als einer der wichtigsten Kunsthallen Deutschlands geprägt und weiterentwickelt. Ich erinnere an wegweisende Publikumsausstellungen, die von ihm angestoßen und unter seiner Leitung realisiert wurden; insbesondere die Erweiterung des kunsthistorischen Kanons durch lange vergessene Künstlerinnen und Künstler ist sein großer Verdienst. Philipp Demandt gilt für seine programmatische und erfolgreiche Arbeit als Direktor der Schirn mein größter Dank. Er übergibt ein personell und programmatisch glänzend aufgestelltes Haus an seinen Nachfolger Sebastian Baden. Umso mehr freue ich mich, dass er der Stadt als Direktor von Frankfurts größtem Kunstmuseum – dem Städel Museum und der Liebieghaus Skulpturensammlung – für die kommenden Jahre erhalten bleibt.“

Noch einmal: Demandt, zuvor an der Berliner Nationalgalerie, war 2016 seitens der Administration des Städel Museums als Nachfolger von Max Hollein berufen worden, der seit 2001 die Schirn Kunsthalle geleitet hatte und ab 2006 auch das Städel Museum sowie das Liebieghaus als Direktor übernahm.

Unter Demandts Leitung gehörten in der Schirn Ausstellungen wie „Fantastische Frauen. Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo“, „Magritte. Verrat der Bilder“ und „Basquiat. Boom for Real“ zu den Publikumsmagneten, die viele hunderttausend Besucher anzogen. Präsentationen wie „Ramin Haerizadeh, Rokni Haerizadeh und Hesam Rahmanian“, „Big Orchestra“, „Power to the People. Politische Kunst jetzt“, „Magnetic North. Mythos Kanada in der Malerei 1910 – 1940“ und „GILBERT & GEORGE. THE GREAT EXHIBITION“ oder zuletzt „KUNST FÜR KEINEN. 1933–1945“ erzielten in Deutschland und international beachtliche Wirkung.

Schwerpunkte von Demandts Programm lagen auf Aspekten von Gesellschaft, Internationalität und Identität, aber auch auf Gewalt, Krieg und Kolonialismus. Einen besonderen Fokus legte die Schirn unter Demandt auf die Erweiterung des kunsthistorischen Kanons – von Richard Gerstl bis Wilhelm Kuhnert – sowie auf die Würdigung von Künstlerinnen, etwa mit den Soloausstellungen zu Lee Krasner, Hannah Ryggen und Kara Walker. Unter Demandts Leitung wurden in der Schirn mehr als 300 Künstlerinnen und Künstler aus rund 40 Ländern gezeigt.

Philipp Demandt hat darüber hinaus die Innenraum-Sanierung der Schirn im Jahr 2018 zusammen mit dem Dezernat Kultur und Wissenschaft maßgeblich vorangetrieben. In weniger als vier Monaten konnten alle notwendigen Sanierungsmaßnahmen erfolgreich umgesetzt werden – auch die kommende Außensanierung der Schirn hat Demandt auf den Weg gebracht. Mit zahlreichen neuen Angeboten und digitalen Initiativen konnte die Bildungs- und Vermittlungsarbeit unter Demandts Führung weiter ausgebaut und gestärkt werden. Die SCHIRN FREUNDE wuchsen seit 2016 von 1900 auf 2220 Mitglieder.

Demandt verabschiedet sich als Direktor der Schirn Kunsthalle Frankfurt: „Mehr noch als die Leitung der Schirn Kunsthalle war die Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen für mich von Beginn an ein großes Privileg. Als Kunsthalle lebt die Schirn von ihrem großartigen Team und dessen Ideen. Wir alle gemeinsam haben in den vergangenen sechs Jahren ein ebenso ambitioniertes wie vieldiskutiertes Programm für ein breites Publikum realisiert. Mit Einsatz und mit Mut. Denn die Erweiterung des kunsthistorischen Kanons ist keine Komfortzone, sondern provoziert wichtige Fragen – und Reaktionen. Aus der Rückschau bin ich stolz auf die vielfältige Anerkennung und Nachwirkung unserer Ausstellungen – wie derzeit auf der Biennale in Venedig! Für die kommenden Jahre haben wir mit Marc Chagall oder Niki de Saint Phalle besondere Publikumslieblinge im Programm. Meinem Nachfolger Sebastian Baden gratuliere ich von Herzen zu seiner Berufung in dieses wunderbare Amt – er kann sich, wie alle Kollegen in der Schirn, der Unterstützung durch mich als Direktor des Städel Museum immer sicher sein.“

Philipp Demandt übergibt zum 1. Juli die Leitung der Schirn Kunsthalle an Sebastian Baden. Als erste Ausstellung in der Amtszeit von Baden ist in der Schirn „Aernout Mik. Double Bind / Threshold Barriers“ vom 7. Juli bis 3. Oktober zu sehen.

Foto:
©schirn.de