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Kategorie: Kunst
IMG 6238Der Frankfurter Maler Carl Theodor Reiffenstein (1820-1893) hält im Bild fest: ALLES VERSCHWINDET! , Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Für den heutigen Frankfurter ging das alte Frankfurt mit der Bombardierung vom 18. und 22. März 1944 mit insgesamt 75 Luftangriffen und der fast völligen Zerstörung der Altstadt unter. Das ist nicht falsch. Wie sehr allerdings schon für das 19. Jahrhundert das vorherige alte Frankfurt sich verändert hatte, erkennt der Betrachter erst bei der zeichnerischen Dokumentation durch Reiffenstein. Erstaunlich, wie viel schon damals verschwand, weshalb „Alles verschwindet!“ eine kulturgeschichtliche korrekte, aber auch wehmütige Feststellung ist.

Daß dieses umfangreiche Konvolut zum Kernbestand des Historischen Museums gehört, wußten wir auch nicht. Denn dieser Schatz wird ja erst jetzt, fünf Jahre nach der Eröffnung des Neubaus öffentlich. Dabei gab es Reiffensteins Werk schon vor der Museumgründung 1878 als Frankfurter Besitz seit 1877. Es hatten nämlich der Künstler ein Gentleman Agreement mit der Stadt Frankfurt geschlossen und der Stadt seine Werke vermacht für eine Leibrente, die seine Altersversorgung sicherte. Seine Landschaftsbilder von Mitteleuropa, für die er diverse internationale Preise errang, vermachte er dem Städel.

Das alles ist in der umfangreichen Ausstellung zu sehen, die auch sein Leben dokumentiert, soweit Gegenstände noch erhalten sind, sind sie ausgestellt. Wolfgang P. Cilleßen (oben), Kurator und im Historischen Museum zuständig für Malerei, konnte eine musikalische Rarität entdecken, als er den Lebensweg des Künstlers erforschte. Der Sohn eines Wirtes, der in der Graubenstraße in der Altstadt aufwuchs, war insgesamt musisch-künstlerisch interessiert. Wir können uns heute die Volksbewegung, die erst in Gesangsvereinen, später in Sportvereinen gemeinsam musizierte, kaum mehr vorstellen. Die Gesangsvereine, aber auch das Spielen von Instrumenten, die Hausmusikabende, der Rückzug ins bürgerliche Dasein, das typische Biedermeier, all das lebte Reiffenstein auch. Seine Bratsche ist erhalten und in der Ausstellung zu sehen, mit der er im Philharmonischen Verein spielte und auch eine Ausgabe der Streichquartette von Haydn, in der er Anmerkungen einfügte.

Seine Beteiligung am musischen und künstlerischen Leben ist vielfach dokumentiert. Was einen nun interessiert, wären Korrespondenzen mit anderen bekannten Frankfurtern, beispielsweise mit Heinrich Hoffmann, dem Schöpfer des Struwwelpeter und bekanntem Frankfurter Arzt. Doch darüber ist nichts bekannt, auch nicht, ob Reiffenstein in einer der Frankfurter Logen Mitglied war, die den gesellschaftlichen Fortschritt förderten. Gerade bei dieser Ausstellung wünscht man sich mehr über die personellen Verflechtungen der Frankfurter zu erfahren, gewissermaßen einen Querschnitt der Gesellschaft von den Menschen, deren Leben man in Ausstellungen eher im Längsschnitt einzeln verfolgt

Ein Katalog, der in der vorderen und hinteren Umschlagseite Stadtpläne zeigt, bei denen man stundenlang verweilen kann, nämlich zu eruieren, was sich zu heute verändert hat, gibt sowohl die biographischen Details des Carl Theodor Reiffenstein kund, wie er auch sein künstlerisches Schaffen dokumentiert und damit die Umgestaltung der Stadt Frankfurt im 19. Jahrhundert.

Doch wie kann man diese ganzen Frankfurtbilder in einer Ausstellung wie in einem Katalog aufbereiten. Daß man eine Auswahl treffen muß, ist nur das eine. Für den Katalog hat man unter Stichworten die Blätter Aquarellzeichnungen, auch Ölgemälde geordnet. So findet man beispielsweise GOETHE, den der Maler sehr verehrte sowohl dessen Aufzeichnungen über den Meister wie auch die Aquarellzeichnungen zum Goethe-Geburtshaus u.a., unter GOTIK dann seine Zeichnungen gotischer Bauelemente und Holzschnitzereien u.a.

Und auch in der Ausstellung finden Sie unter einzelnen Begriffen wie Mittelalter, Moderne, Stuben etc. die entsprechenden Zeichnungen. Nehmen Sie sich unbedingt Zeit für die Panoramen, die im 19. Jahrhundert zum Hit der Gesellschaft wurden, wenn in den entsprechenden großflächigen Rundumgemälden, hier die Stadt Frankfurt in 360 Grad erscheint. Eine Ausstellung, die einem so gefällt, daß man sich vornimmt, immer mal wieder vorbeizuschauen und noch genauer das wirklich alte Frankfurt zu studieren.

Fotos:
Redaktion

Info: 
Alles verschwindet! Carl Theodor Reiffenstein (1820-1893). Bildchronist des alten Frankfurt, hrsg. von Wolfgang P. Cileßen und Aude-line Schamschula, Historisches Museum Frankfurt, 2022