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Kategorie: Kunst
Bildschirmfoto 2023 05 24 um 00.05.27Bildschirmfoto 2023 05 24 um 00.12.38Das Relief von RODIN bis PICASSO, bis 17. September im Städel Frankfurt, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Kaum zu glauben, wenn man gerade den ganzen Wust - das ist positiv gemeint! - an kunsthistorischen Einordnungen durch die Kuratoren gehört hatte, dazu gleich mehr, und dann die Ausstellung betritt: Man muß einfach lachen. Ein amüsiertes Lachen, weil uns zwei Objekte entgegenstrahlen, die zum einen eine Ähnlichkeit haben, einfach, weil sie rund sind, und andererseits so ungefähr die größten Gegensätze beinhalten, die man sich vorstellen kann: inhaltlich, Absicht und teils auch das Material!

Es handelt sich auf der rechten Seite um Günther Ueckers Organische Strukturen, die er 1962 schuf, das dem Städel gehört, wobei in eine Leinwand auf Holz Nägel derart hineingetrieben sind, daß einerseits eine kreisrunde Form entsteht und andererseits keine Gleichförmigkeit eintritt, sondern jede kleine Bewegung des Betrachters einen anderen Anblick durch Licht- und Schattenwirkungen entstehen läßt. Dynamisches Sehen sozusagen. Zu diesem Werk gehört einfach der Hintergrund des Malers, der in der Künstlergruppe ZERO nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der STUNDE NULL, mit völlig neuen, erst recht kunstfernen Materialien neuen künstlerischen Ausdruck herstellen wollte. 
 
Links sehen Sie DER SCHILD DES HERAKLES, den Sie bei flüchtigem Blick erst einmal als antiken, nämlich griechischen  Bronzeschild einordnen würden, der aber bei vertieftem Blick - und einen auf die dazugehörige Tafel mit Künstler und Entstehungszeit - sich als eine Anlehnung an die bewunderte Antike, eine bildungsbürgerliche Erhöhung des ehemaligen Gymnasiasten und Bildhauers Ludwig von Schwanthaler (1802-1848) entpuppt. Dieses Exemplar ist ein Bronzeabguß des Schildes, der dem Liebieghaus gehört, der aber ursprünglich aus Gips und Wachs gefertigt wurde und in München zu Hause ist. Der Künstler ahmte eine antike Beschreibung des Schildes nach, die er und andere für ein Original von Hesiod hielten, und gab die Geschichten in dieser Interpretation auf dem Schild wieder. Schwanthaler setze also - siehe oben - in die Mitte eine Drachenschlange, um die in Ringen, eigentllich konzentrischen Kreisen, das Geschehen verläuft. Im Inneren beginnt es mit Kampfszenen, dann kommen im zweiten Kreis die Götter, im dritten Ring dann die Lebensgrundlagen einer bäuerlichen Gesellschaft: Ackerbau, Weinlese, Kornernte. Den Rand bilden die Ozeane, die hier mit Delphinen und Schwänen geschmückt sind.

Kann man sich Gegensätzlichers vorstellen, als diese beiden kreisrunde Formen, die nur das Material, Metall, gemeinsam haben und auch dies nicht derselben Art, denn Bronze ist natürlich die edle Variante, Eisen die billige, unkünstllerische?  Damit ist aber sofort ein Ausrufezeichen gesetzt, was diese Ausstellung kann und soll. Reliefs sind über alle Zeiten hinweg immer wieder besonders beliebte Kunstformen gewesen, insbesondere die Frührenaissance hat es darin zur Meistersschaft gebracht. Reliefs sind grob gesprochen, die Synthese vom Flachwerk Bild an der Wand mit einer freistehenden Skulpur. Dazu gibt es - wiederum grob gesprochen - zwei Meinungen. Die einen halten Reliefs gerade durch die Vermischung von Bild und Skulptur für die Optimierung der Kunst. Die anderen empfinden diese Vermengung, diese Mischform als künstlerischen Abstieg. Das muß man nicht entscheiden, zumal dann nicht, wenn die Aussage so pauschal ist. Gültig wird ein Qualitätsurteil sowieso nur an jedem einzelnen Werk. 

Die beiden Rundungen führen aber direkt in die Fragestellung, wie man eine Ausstellung über Reliefs gestalten, anordnen kann. Daß diese hier keine Ausstellung ist, die nach inhaltlich Gleichem sortiert, haben wir gerade mit den beiden oberen Schilden vor Augen.  Was käme noch in Frage? Eine  nach Materialen zum Beispiel. Also Holzwerke, Gips, Bronze, Porzellan etc. Welchen Erkenntniswert hätte man? Eine Sortierung, also Hängung in den Räumen nach Jahreszahlen, erscheint auch absurd. Da wäre doch eine Unterteilung nach Menschen, Tieren, Naturgegenständen u.a. schon einsichtiger. Die Ausstellungsmacher haben sich für eine Mischung aus inhaltlichen Zuordnungen und Qualifizierung der Reliefs entschieden und trumpfen mit der These auf, daß DAS RELIEF das Beste der beiden Formen Bild und Skulptur vereine. Sie qualifizieren in 13 Kapiteln die insgesamt 141 Werke von 93 Künstlern, darunter 9 Künstlerinnen, aus rund 160 Jahren Kunstgeschichte. So lautet die Überschrift für die oben beschriebenen Rundbilder: Nägelbild und auf antik gequälter Schild PLASTISCH ERZÄHLEN. 

rennfahrerWir fingen doch mit dem Amüsement an beim Betrachten der beiden Rundbilder. Aber laut lachen muß man dann doch beim Anblick des Autos, das in den Raum ragt. Im Hochrelief schuf um die Jahrhundertwende der französische Bildhauer Jule Dalou (1838-1902) ein höchst ungewöhnliches, modernes Motiv: ENTWURF FÜR DAS DENKMAL DES RENNFAHRERS Émile Levassor. Aber aus dem Entwurf ist wohl nie ein Denkmal, eine Skulpur geworden. Doch, das ist auf jedenfall plastisch Erzählen! Und hier im ersten Saal lernen wir auch gleich die unterschiedlichen Tiefen von Reliefs kennen. An das klassische flach gearbeitete Epitaph aus Marmor erinnert das 1830 für Johann-Philipp Bethmann-Hollweg von Bertel Thorvaldsen (1770-1844) Geschaffene, das an drei Darstellungen eine Geschichte erzählt. Es erinnert auch an die marmornen Sarkophage der Antike, nur daß dort sehr viel mehr Volk dicht gedrängt ersscheint. Hier bei Thorvaldsen ist die (wenn auch von heute her falsche) Titlulierung der antiken Kunst als "edle Einfalt, stille Größe" (Winckelmann) mit jeder Pore spürbar. Erhabenheit wandelt. 
 
Fortsetzung folgt

Fotos:
© Redaktion

Info.

HERAUSRAGEND! DAS RELIEF VON RODIN BIS PICASSO

Kuratoren: Dr. Alexander Eiling (Sammlungsleiter Kunst der Moderne), Dr. Eva Mongi-Vollmer (Kuratorin für Sonderprojekte)
Projektleitung: Dr. Friederike Schütt

Ausstellungsdauer: 24. Mai bis 17. September 2023 
Information: staedelmuseum.de
Besucherservice und Führungen: +49(0)69-605098-200, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main

Tickets: Tickets für Ausstellung sind online unter shop.staedelmuseum.de erhältlich. Di–Fr 16 Euro, ermäßigt 14 Euro; Sa, So + Feiertage 18 Euro, ermäßigt 16 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren; Gruppen ab 10 regulär zahlenden Personen: 14 Euro pro Person, am Wochenende 16 Euro. Für alle Gruppen ist generell eine Anmeldung unter Telefon +49(0)69-605098-200 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erforderlich.

Überblicksführungen: Donnerstags 18.00 Uhr (außer am 8. Juni) / Sonntags 11.00 Uhr / Montag, 29. Mai, 11.00 Uhr / Donnerstag, 8. Juni, 16.00 Uhr / Barrierefreie Überblicksführung mit ausführlicher Bildbeschreibung am Sonntag, 4. Juni, 11.00 Uhr / Barrierefreie Überblicksführung mit Gebärdensprachdolmetscherin am Donnerstag, 13. Juli, 18.00 Uhr

Tickets sind online unter shop.staedelmuseum.de erhältlich. Aktuelle Informationen zu den Überblicksführungen und besonderen Angeboten an den Feiertagen sowie zu den Öffnungszeiten unter staedelmuseum.de.

Audioguide-App: Mit der Audioguide-App die Ausstellung entdecken und herausragende Werke der Reliefkunst erleben. Der Audioguide wird von der Schauspielerin und Moderatorin Désirée Nosbusch gesprochen. Er beinhaltet Audiotracks und Abbildungen zu rund 30 Stationen und hat eine Dauer von etwa 60 Minuten. Die Tour ist als kostenlose App für die Betriebssysteme iOS und Android im App Store und Google Play Store zum Ausstellungsbeginn erhältlich und kann entweder bequem zu Hause oder im Städel WiFi auf das Smartphone geladen werden. Vor Ort im Museum kann der Audioguide zu einem Preis von 5 Euro (8 Euro für zwei Audioguides) ausgeliehen werden.

Katalog: Zur Ausstellung erscheint im Prestel Verlag ein Katalog mit Beiträgen von Juliane Au, Alexander Eiling, Svenja Grosser, Eva Mongi-Vollmer, Karin Schick und Friederike Schütt, herausgegeben von Alexander Eiling, Eva Mongi-Vollmer und Karin Schick. Deutsche und englische Ausgabe, 264 Seiten,
€ 39,90 (Museumsausgabe).