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Kategorie: Kunst

Bodo Brinkmann vom Kunstmuseum Basel spricht über die Neuerwerbung im Städel Frankfurt

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Erst im Zuge der Neueröffnung der Alten Meister, die des Umbaus des Städel wegen im Depot oder sogar in der weiten Welt unterwegs waren, erst jetzt also konnten die Frankfurter den wichtigen Neuzugang von 2010, das 1559 gefertigte Bildnis von Martin Luther (1483-1546) besichtigen und werten. Bodo Brinkmann half ihnen dabei.


Wenn Museumsdirektor Hans Hollein persönlich die zahlreichen Gekommenen begrüßte, hat das auch mit der Wertschätzung für Bodo Brinkmann zu tun, der sechzehn Jahre lang im Frankfurter Städel für Altdeutsche und Altniederländische Malerei sowie holländische Gemälde zuständig war und die hervorragenden Bestandskataloge miterstellt hat. Brinkmann wurde ans Kunstmuseum Basel berufen, wo er Kurator Alte Meister ist und durch ganz besondere Ausstellung hervortrat: u.a. eine lange überfällige über Konrad Witz, aber auch kleine, exquisiten Kabinettsausstellungen.

Das Interesse am Bild des Martin Luther nun wiederum hat vor allem damit zu tun, daß es das dem Städel seit 1906 gehörenden Humanistenporträt des Philipp Melanchthon (1497-1560) ergänzt, das ebenfalls von Cranach d.J. 1559 gemalt wurde. Beiden nun – vom Leben auseinandergerissen und durch Museumspolitik wiedervereint – galt der Vortrag unter dem Motto „Imagepflege: die Cranach-Werkstatt und das Reformatoren- und Humanistenporträt“.

Mit der Erfolgsgeschichte des Porträts gegenüber anderen Gattungen in der Malerei begann Bodo Brinkmann und führte dabei die National Portrait Gallery in London an, die, um die Ecke der National Gallery gelegen, tatsächlich alle bedeutenden Köpfe der englischen Gegenwart – stärker in der Malerei als als Foto- vorführt und bis in mittelalterliche Malerei zurückführt. Es waren Herrscherporträts wie auch die beiden ältesten um 1360 entstandenen Bildnisse von Rudolf IV. in Wien und Jean le Bon im Louvre, den Ahnen unserer Bildnisse in Europa, an denen Dürer die zwei Funktionen der Malerei festmachte: neben der christlichen Malerei sei dies die Kunst des Malers, nach dem Ableben von Personen diese im  Bildnis zu bewahren.

Dann schlug Bodo Brinkmann die Volte zum fiktionalen Bildnispaar Bill Gates und Steve Jobs, durch einen gewissen Jed Martin 2015/2020 geschaffen, wie es Michel Houellebecq in seinem jüngsten Roman beschrieb und ging dabei auf die für Porträts wesentlichen Accessoires ein, die er am Beispiel der „Schachbrettaffäre“ auf dem Titelbild eines Buches von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück „Zug um Zug“ als entlarvend und als konterkariend beschrieb, wenn diese nämlich nicht stimmen, wie hier, wo das Schachbrett verkehrt herum stand, und die angeblichen Schach-Experten nun als unwissend, zumindest nachlässig darstellte, was Rückschlüsse über ihre sonstigen Kompetenzen anbietet.

Diese Bemerkungen führten zentral zum Dilemma, das jede Porträtierung begleitet, wenn es um die Absicht dieser Bilder geht, die sowohl behaupten: „Ich bin eine Momentaufnahme“, wie auch „Ich bin überzeitlich“, was sich widerspricht, aber oft durch die Anlage der Bilder geglättet wird. So auch hier. Eigentlich ist der hell-bläuliche Hintergrund beider Bildnisse um diese Zeit schon überholt, wo doch die Renaissance die tollsten Ausblicke auf die Natur durch Fenster oder sonstigen Ausguck möglich machte. Aber genau dieses schafft eine überzeitliche, schlicht gehaltene Assoziation – da die Hintergründe gleich sind und auch die Signatur spiegelverkehrt an den äußern Seiten diese beiden Männer auf den Bildern zusammenzwingen, sind die Pendants bewiesen -, wenn Luther dann raumausfüllend und Melanchthon sehr intellektuell das Diesseits mit ihren gesellschaftlichen Funktionen als Reformator und Humanist durch dem Betrachter vorgezeigten Büchern und damit auch ihre eigene Spiritualität beweisen.

Spannend wurde dann die Exegese Brinkmanns zu den beiden Büchern, die er identifizierte: Anfang des 1. Paulusbriefes bei Luther und ein Zitat von Basilius dem Großen bei seinem Nachbarn. Auch nach dem Vortrag galten die Hauptfragen - moderiert von Jochen Sander, Leiter der Gemäldegalerie und Stellvertretender Städeldirektor - der Funktion dieser Bilder, denn Brinkmann hatte durch die Vielzahl von Vergleichsbeispielen, hauptsächlich aus der Druckgraphik, den Blick auf den Verwendungszweck dieser Bildnisse gelenkt. Von Luther soll es über 1000 Bildnisse geben, der Humanist Erasmus von Rotterdam war in ganz Europa präsent und auch Melanchthon war häufig vertreten.

Warum also kam es im Umkreis der Protestanten, die weitgehend in Kirchen die Bilder als äußeren Schein hatten abhängen lassen und vor allem der katholischen Jungfrau Maria ihre bildliche Anwesenheit im Gotteshaus bestritten, wieso kam es dazu, daß genau dieselben nun als Bildobjekt so begehrt waren, auch wenn sie nicht in Kirchen hingen, aber dennoch weitverbreitet  und Luther sogar bei Baldung Grien unverblümt einen Heiligenschein erhielt. Letzten Endes sei es wie heute das öffentliche Interesse am Bild, erklärte Bodo Brinkmann die Faszination, die die Bildnisse von Reformatoren und Humanisten ausübten. Man hatte soviel von ihnen gehört, man hatte sie gelesen. Nun wollte man sie auch sehen. Das gilt bis heute.

Auf die weiteren Vorträge im Rahmen der Reihe „Standpunkte der Kunst“ werden wir verweisen.

www.staedelmuseum.de