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Kategorie: Kunst

Die anderen Prophetischen: Beuys, Christo, Hundertwasser, Ai Weiwei u.a., Teil 2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Künstler, die das Raum-Konzept vertreten sind neben Demnig, der mit vorliegender Besprechung Ausgangspunkt für die naheliegende Idee des Ansatzes des weltweiten Raumgreifens der Kunst wurde, auch Beuys, Christo, Hundertwasser und Ai Weiwei. Die Idee des Raumgreifens ist aber längst in der Kunst beschlossen.

 

Jene Künstler wurden Schöpfer eines Strukturbegriffs der Kunst - sie werden noch post mortem weiter an ihm schaffen -, die weit in die Welt reicht, die immer wieder neu, an jedem Ort, auf jedem Kontinent, wiederanschlußfähig ist, stets auf dem Sprung in die Welthändel - die Welterneuerung. Welthandeln ohne den Unsinn der Beziehung von allem und jedem, einschließlich des lebendigen Menschen, auf das System von 'Geld und Schulden', das einebnet und Humanität – wie auch Natur – zermahlt, zerstrahlt. Diktatoren und Despoten sind Feinde der konzeptionell und bildnerisch eingreifenden Kunst, ihre Herrschaftsstandarte ist die Angst vor der Freiheit – nach: Erich Fromm, 'Die Furcht vor der Freiheit' -, spezifisch der eigenen Freiheit – was etwas umso Entsetzlicheres wäre. Eine Frauengruppe der Unbotmäßigkeit gegenüber dem Patriarchat wie Pussy Riot kann für sie zur allergrößten Gefahr werden oder als solche erscheinen. Auch dieses Frauenkollektiv gehört der supranationalen Klasse des KünsterInnentums an.

 

Sichtbares Kennzeichen der in den Weltgroßraum strebenden Kunst ist, dass sie in die Fläche geht, auf das gesamte Rund des Erdballs will, nach urbi et orbi strebt, nur nicht mit religiösem Heils- oder Verwaltungskonzept, das Vertröstung bliebe und mit Steuerung durch die Stellvertreter auf Erden verbunden wäre, sondern als vielgestaltige, mäandrierende Linienführung der Befreiung von Zins und Zinseszins (Wucher), der unverzeihlichsten aller läßlichen Todsünden. Ihre Sphären sind Boden, Luft, Flora, Fauna sowie die humanisierte Architektur - mit Ökologie als verantwortungsvoller Leitung durch die Schöpfung.

 

Hundertwasser war Ökologe (Sinnbild: die unendliche Linie) und Architekturerlöser. Er ist aktueller denn je in den Tagen der Kasernenarchitektur im Luxussegment des Frankfurter Nord- und Westends. Zu Luxusbleiben wird gegriffen, um sich vor Unruhen rückzuversichern, zu wappnen. Man zieht dann bei Bedarf in die Stadt weiter, in der gerade keine unruhigen Tage anstehen.

 

Christo war der Künstler der landschaftlichen Großprojekte, am eindringlichsten wurden die Running Fences: sein temporäres Verhüllen mahnt die Zeitlichkeit des Verpackens und darüber hinaus aller menschlich geschätzten Dinge an.

 

Beuys war der Mann der 7000 Eichen mit den begleitenden Basaltsteinen (1982). Die Basaltsteine wurden Anlass für Prediger, von den Steinen herunter an eine Gruppe von Punks und Randständigen zu predigen, um der Sünde zu gemahnen und zur Reue zu bekehren. Es gab viel Gezerre und Geschimpfe um sein Projekt, medial und ortsbezogen, auch um die Installation der Honigpumpe (5 Jahre zuvor). In den Tagen des Bienensterbens wird indessen klar, wie basal und grundlegend er gedacht hat. Die Kunstfernen hegten immer Groll gegen ihn, auch weil er die Grundlagen für das Überleben durch einfache Mittel und den sparenden Umgang mit Ressourcen anmahnte. Er war die Prophetengestalt in Person. Er stellte eine warme Gulaschsuppe weg, um einem Kind Erklärungen zu liefern.

 

Der Künstler Ai Weiwei wird von der chinesischen Regierung seit etlichen Jahren drangsaliert, weil er ein Unbotmäßiger vor den Tyrannen ist, die im übrigen kleingeistige Lichter sind - die sogar besonders gutgemeinte Kritik nicht ertragen können. Auf den chinesischen Universitäten ist selbständiges Denken inzwischen ganz unterbunden. Ai Weiwei fasst die augenblickliche Situation, seine eigene, wie auch die jeweilige Weltgestalt der synchronisierten Hyperkugel Erde - ihre vorherrschende Problemgestalt - in die angemessene und zuständige Form der Kunst. Ein Künstler wie Ai Weiwei antwortet und reagiert flexibel und ununterbrochen, sofern er nicht wieder gerade mal Ketten angelegt bekommt. Den behördlich angeordneten Abriss seines Studios beantwortete er mit einer Abrissparty.

 

Auf die exzessive Umwelt- und Kulturzerstörung in China antwortete er unter anderem mit der Installation 'Template' auf der documenta 12, wo er Holz von chinesischen Tempeln, die zur Bereitstellung von Bauraum abgebaut worden waren, in einem Plattenbau aus Resten gleich Verschlagsbrettern verarbeitete. Er gründete eine Elterngruppe zur Aufdeckung des Babynahrungsmittel-Skandals von 2008. Umgehend wird ihm Anstachelung von sozialen Unruhen unterstellt. Nur geistige Dünnbrettbohrer können so verfahren. Seine Videobotschaften sind Ansprachen der kulturellen Verfaßtheit nicht des letzten, sondern des ersten, von kleingeistigen Fesseln befreiten Menschen.

 

Ein Neuhinzugekommener ist der russische Künstler Piotr Pawlenski, auch er ein starker Aktionskünstler. Aufnahmen zeigen unter anderem die Aktion 'Die Naht'. Er steht starr vor der Kasana-Kathedrale von St. Petersburg und hat sich den Mund zugenäht. Die Repressionskräfte vermögen kaum ihm näherzutreten, ihre Waffen scheinen merkwürdig stumpf, auch wenn er sich, wie in einem anderen Fall, so weit nackt in ein Stacheldrahtverlies einarbeitet, dass niemand mehr an ihn herankommt. Erst muss der Stacheldraht umständlich durchgeknipst werden. Der Weg in die Psychiatrie ist in der Regel für ihn kurz. Mit der Naht-Aktion zielt er speziell auf die Entlarvung der Staatsmacht, die kritische russische Menschen mundtot machen und ihnen die Meinungsfreiheit abzäunen will. Pussy Riots Aktion in der Christerlöser-Kathedrale des Basilius – einem Gottesnarren der Volkskultur übrigens – wurde Anlass für Pawlenskis Perfomances auf öffentlichen Flächen und vor den Augen der Staatsmacht, die sofort auf den Plan tritt und ungelenk einschreitet (vergl. 'Pussy Riot und andere Sünden', 3sat, 03.02.2014). http://www.etwasverpasst.de/3sat/videos-von-3sat/pussy-riot-und-andere-sunden-259969

 

Gunter Demnig hat den Pflasterboden in weltweitem Umfang zum Gedenkmedium der durch die Menschenfeindlichkeit Gemordeten und gesellschaftlich Ausgebürgerten gemacht. Es wird noch viele mehr geben, die unter diese Kategorie fallen. Und auch die Vergangenheit bietet noch viele mehr.

 

 

Gegen die Gefahr der Auslöschung der Humanität

 

Die größte Gefahr der Barbarei kommt aus dem Milieu der Alt- und Neu-Frustrierten. Den Rahmen hierfür stellt die finanzialisierte Ökonomie des Zinseszinssystems – samt hybridisierender Spekulation - , das immer größere, immer monströsere Ungleichgewichte des überreichlichen Geldes hervorbringt – systemisch bedingt und weiter gespeist noch von der EZB und aufgrund der Dummheit und Unfähigkeit der Akteure, das eigene Tun schonungslos zu analysieren und daraus Folgen zu ziehen. Die finanzpolitische Ursache bleibt ausgeblendet, man hält sich an das Einzelwesen in der Nachbarschaft.

 

Zur 'Eigenrettung' kündigen die durch den globalen Finanzkapitalismus der Ausbeutung von Mensch und Rohstoff Marginalisierten, die Verunsicherten die Einheit der menschlichen Gattung auf und brechen gezielt andere menschliche Gruppen aus der Zusammengehörigkeit heraus. Die Frustrierten nehmen sich 'die Anderen', als irgendwie Fremde und nur als unheimlich Wahrnehmbare, zur Zielscheibe von Aggression. Nach Entwertung und – ins Kalkül gezogener - Vernichtung ist das geheime Endziel, wie Vergangenheit und Gegenwart zeigen, immer der Raubzug an der ausgegrenzten Gruppe, als letzte Station. Oder sie wird auf Dauer mit schwerer Arbeit und schlechten Löhnen erniedrigt.

 

Vorbereitungsprogramme sind: Nationalismus, Rechtspopulismus, Antisemitismus, Gotteswahn, verblendete Rückgriffe in gloriose Vergangenheiten und generelle Menschenfeindlichkeit, als Mittel der Aggressionsabfuhr. Diese Monstren sind Sturmzeichen des Angriffs. Diskriminierung, Ausgrenzung und Abwertung der Arteigenen richten sich gegen die Einigkeit und Zusammengehörigkeit der geschaffenen Gattung. Dieses Vorgehen bildet den eigentlichen Abgrund des Menschengeschlechts. Die Herrscher haben hiermit gewonnen, denn die Beherrschten reiben sich gegeneinander auf.

 

 

Bildersturm – sehr aktuell in diesen Tagen

 

Eine abstruse Variante ist auch der regressive Bildersturm der Kunstfeindlichen, der periodisch wiederkehrt. Bildersturm plus Totschlag - im Namen Gottes. Die an der Lebensbildung vorerst Gescheiterten sind das Reservoir; so geschehen im ehemals 'maurischen' Spanien des 11. Jahrhunderts - Das maurische Spanien war über acht Jahrhunderte ein kultureller Hotspot. Kunstbanausische und geistfeindliche Berber zerstörten 1013 Córdoba, auch die herrliche Omaijaden-Moschee, schlugen alles kurz und klein, was nach höherer Kultur ausschaute. Die Zerstörung geschah noch nach der Übergabe – und zwar deswegen umso schlimmer. Vor allem Notable und Intellektuelle wurden gemeuchelt, selbst die, die muslimischen Glaubens waren. Jedoch haben auch christliche Kreuzzügler zuzeiten barbarisch gehaust, wie auch der spätere 'Karl der Große'.

 

Die Arbeit der Kunst kann sich eine eigene Weltstrecke quer durch die Welt der Barbarei schaffen, diese um den gesamten Erdball als unendliche Linie - und Fläche - ziehen. Auf diese Weise kann sie dem Willen nachgehen, Barbarei zu unterlaufen, die die Wenigen, die sich selbst im Prekärzustand befinden, in Gang halten, um an der Macht zu bleiben. Die konzeptuelle, raumaktive, transkontinentale, Räume der Freiheit schaffende Kunst ist als das Gewebe der Menschheit zu bezeichnen, das die möglicherweise einzig verlässliche Zentralnervenbahn stellt und erhält - seitdem Menschen Kunst schufen. Die Stolpersteine sind durch nicht wenige Anlässe ausbaufähig.

 

Info:

 

Verleihung des diesjährigen Eugen Kogon-Preises an Gunter Demnig in Königstein im Taunus, Freitag, den 13.03.2015 im Haus der Begegnung