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Kategorie: Kunst

Serie: Das Gemeentemuseum Den Haag vereint die alten Meisterwerke und die Moderne, Teil 5/5

 

Claudia Schulmerich

 

Den Haag (Weltexpresso) – In der ersten Abteilung sehen wir den Widerspruch zwischen großbürgerlichem Status von Wohlhabenheit einer ganzen Stadt, hier Paris am QUAI DU LOUVRE von Claude Monet aus dem Jahr 1867 und dem Land als Ort des Flüchtens aus den Städten mittels der modernen Verkehrsmittel.

 

Es ist die ungezügelte Natur, die dann - ebenfalls Claude Monet - mit den Fischernetzen von 1882 in einer dezenten Orgie von Blau hinreißend gelang: aufgewühlt und sanft. Und ausgerechnet Vincent van Gogh steuert eine harmonische Blumenvase bei. Ein traditionelles Bild, bei dem man nicht verstehen kann, daß er es zu Lebzeiten nicht verkaufte, so sehr gehört es unserem Verständnis von heute einer bürgerlichen Kultur an.

 

Es ist vor allem der uns unbekannte G.H Breitner, der mit geschärften Fotografien oder gemalten unscharfen Häuserschluchten diese Idylle stört, stärker auf jeden Fall als Gerhard Richters GRAU von 1971 oder Robert Tanvist von 2001.Dann aber begibt sich G.H. Breitner 1893 als OberNabi mit einer roten und sehr weiblichen Farbsymphonie auf die andere Seite und bereitet uns hier auf die farbenfreudigen Pointillisten wie Jan Toroop und auch Piet Mondrian in dieser Phase vor. Die von uns als „Kind und Wilder Mann“ übersetzte Betitlung „Child and savage“ zeigt deutsche expressionistische Künstler, den lieblichen August Macke, dessen Welt durch Farbflecken entsteht und die Kunst des Paul Klee, die mehr mit frühen Höhlenmalereien zu tun hat als mit kindlichen Formen, die man erst einmal in ihnen sieht.

 

Liebe Bilder sind das, die von den Holzschnitten, die so stark Expression schon im Material wiedergeben, gestützt werden. Alexej Jawlensky, Oskar Kokoschka, Otto Mueller mit seinen östlich angehauchten Akten, aber auch die horror vacui Zeichnungen und Drucke von James Ensor. Großartig. Vitale Lebenslust dagegen die drei Tänzerinnen von E.L. Kirchner, die von 1908-1920 – also wieder einmal von ihm selbst spät überarbeitet – eine Sinnlichkeit im Raum verbreiten, die es in sich hat. Fahl dagegen Edvard Munch in seine Lithographie Eifersucht, einem der vielen Motive unter gleichem Titel.

 

Dann aber für uns der Höhepunkt, der Überraschung wegen: Egon Schiele. Egon Schiele außerhalb von Wien, außerhalb von Österreich und wir wir vom Museumsdirektor hören, der einzige Schiele in Holland und einer Schenkung schon Anfang der 30er Jahre zu verdanken. Drei Blätter und dann eines der Gemälde von Edith Harms, die er heiratet, weshalb sein Leib- und Magenmodell Wally den kürzeren zieht. Auf diesen Porträts von 1915 sieht Edith so brav aus mit dem hochgesteckten Haar und frontal vor uns stehend, auf höheren Schuhen.

 

Aber ihr bunt gestreiften Kleid, das Oberteil als Weste über einer mit Volants als Kragen lieblichen weißen Bluse – übrigens die selben Kanten und Falten, wie sein berühmtes Bettuch, auf dem die Liebenden liegen, das aber wie Eis aussieht - , das uns heute nur bunt und gestreift anmutet, war seinerzeit ein Reformkleid. Ausgehend von den Wiener Werkstätten sollte alles bequem zu tragen sein und Bewegungsfreiheit sichern. Wir kennen das Kleid – allerdings nur in hell und braun gestreift von einem anderen Edith-Porträt im Sitzen. Und beide Porträts rufen in einem die Erinnerung wach, wie Paul Cézanne seine Madame im gestreiften Kleid auf dem Sessel so lange posieren läßt, bis er verschiedene Versionen hatte, aber dennoch von ihr nie genug bekam.

 

„Bewahren und Versuchen“ schließlich zeigt den kubistischen Pablo Picasso genauso wie den Kandinsky von 1916, wenn er in Moskau aus seiner Wohnung blickt und ein schönes gegenständliches kleinformatiges Bild schafft und seine, die Abstraktion nur vortäuschenden Riesenformate den 'geistigen' Farb- und Formensuchenden dazugeben. Hierher gehört Piet Mondrian und Fernand Léger, aber auch Max Beckmann. Uns gefielen die Gemälde von Carel Willink wie WILMA von 1932, die den Hauch Neue Sachlichkeit hinzufügen, den auch Pyke Koch mit BERTHA AUS ANTWERPEN im Jahr 1931aufweist.

 

„Spiel und Utopie“ schließlich ist ein Sammelsurium der Moderne, wo viel von Francis Bacon sich mit Bruce Nauman CARROUSEL von 1988 trifft, was wir dann eher als „Ungemach“ betitelten, was auch für Louise Bourgeois' CELL XXVI.2003 zuträfe.Zwischen Schrecken und Verblüffung dann eine Skulptur von Berlinde De Bruyckere in den Maßen 193 x 183 x 86 Zentimeter, wo sich Leiber winden und man zwischen einem und zwei kopflosen Menschen auf den Knien liegend wählen kann. Nicht wählen kann man das Material. Das edel wie aus einem besonderen Mamorsteinbruch gehauene Stück, ist ein aus Wachs geformtes.

 

Das Gefühl von Ungemütlichkeit beschließt für uns Marlene Dumas mit WEISSER SCHNEE und GEBROCHENER ARM, wo eine Nackte in der Art des Toten Christus von Holbein d.J. nackt aufgebahrt liegt und unser Blick gespiegelt wird von den Köpfen, die sich über der Nackten hochgestemmt haben und nun angekrallt, gerade den Kopf über die Brüstung strecken können und voyeuristisch danieder starren. Wie wir. Nur daß wir davor stehen.

 

 

Katalog:

Benno Tempel, Discover the Moderne, Gemeentemuseum Den Haag, W Books Zwolle 2012

Den Katalog zur Neupräsentation der Sammlung gibt es auf Holländisch und Englisch. Leider kommen noch zu wenige Deutsche, als daß dies mit deutschen Ausgaben bedient würden. Gut, daß die Einführung durch den Direktor auch Fotos vom Inneren und Äußeren des ansehnlichen Museumsbau zeigen, der ein Art Deco auf dem Weg zum Bauhaus oder danach zeigt. Unter den fünf Oberthemen, nach der die Bilder mit dem Anspruch des direkten Dialogs mit dem Besucher gehängt sind, finden wir dann die uns liebe Zusammenballung von Landschaftsbildern, bei denen in den Niederlanden die Seestücke nie fehlen. Erneut ist es ein Monet, hier FISCHERNETZE IN POURVILLE von 1882, der wie die Inkarnation des Impressionismus persönlich erscheint. Willem Maris, bei uns weniger bekannt, steuert die ländlichen und die Viehszenen nach 1860 bei.

 

Der Katalog bringt also nicht Einzelbesprechungen der Bilder, sondern stellt diese in den Zusammenhang seines jeweiligen Oberthemas.

 

 

 



 

 

 

 

 

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