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Kategorie: Kunst

Serie: Die NAZARENER in Rheinland-Pfalz, Teil 1/5

 

Claudia Schulmerich

 

Mainz (Weltexpresso) - Kein anderes Bundesland kann mit so vielen Wandmalereien, Gemälden, Zeichnungen und Drucken aufwarten, die der künstlerischen Herleitung Nazarener sind, wie das heutige Rheinland-Pfalz. Unter großer Publikumsbeteiligung wurde heute im Landesmuseum Mainz „DIE NAZARENER.Vom Tiber an den Rhein. Drei Malerschulen des 19. Jahrhunderts“ von Kulturministerin Doris Ahnen und Direktorin Andrea Stockhammer eröffnet.

 

Vorangegangen ist schon die Ausstellung DIE EROBERUNG DER WAND. NAZARENERFRESKEN IM BLICK DER GEGENWART im arp museum Bahnhof Rolandseck, wo die aus dem Speyerer Dom abgenommen Fresken der zwölf Apostel des nazarenischen Künstlers Johann von Schraudolph konfrontiert werden mit zwölf Wandarbeiten von zeitgenössischen Künstlerinnen – bis zum 9. September - , worüber wir im dritten Teil der Serie berichten. Der vierte gilt dann der Heimkehr dieser Fresken in den Speyerer Dom, was im Spätherbst geschehen soll. Dann werden 55 Jahre der Entfernung 'wiedergutgemacht'.

 

Die Abnahme war dem Kunstgeschmack der Nachkriegszeit geschuldet, der mit den Nazarenern noch weniger anfangen konnte als andere Generationen. Denn damals war nicht nur die Moderne angesagt, die nach dem Dritten Reich alles das vom Weltmarkt goutierte, was zuvor verboten war, vor allem also die 'sinnfreie' Abstraktion, sondern auch ein künstlerisch-historisches 'Reinheitsgebot' lebte, wonach der romanische Dom wieder 'romanischer' werden sollte. Die monumentalen Schraudolph-Fresken werden nun allerdings im Kaisersaal des Dom-Westwerks zu sehen sein, wo derzeit schon Schraudolphs DAS GEBET DES PAPSTES STEPHANUS hängt und somit eine Dauerausstellung des Nazareners begründet.

 

Um was es eigentlich – historisch und kunsthistorisch - bei diesen Nazarenern geht, zeigt die Landesausstellung in Mainz, über die wir in Folge berichten. Vorab ist es nützlich, sich im Büchlein REISEWEGE ZU DEN NAZARENERN IN RHEINLAND-PFALZ zu informieren, die im Verlag Schnell + Steiner herausgekommen sind, wie auch der Katalog zur Landesausstellung.

Beide Male sind Norbert Suhr (Kurator) und Nico Kirchberger inhaltlich verantwortlich und selbst wenn man sich nicht sofort auf die Socken machen kann und die 34 Wand- und Altarbilder in Schlössern und Kirchen in Rheinland-Pfalz besuchen kann, lohnt sich ein Blick in die Ausarbeitung, weil man nicht nur die regionale Verteilung kennen- und analysieren lernt, sondern auch die künstlerische und zeitliche Bandbreite der Nazarener erkennt.

 

Beim genauen Blick sieht man soviel unterschiedliche Malstile zu jeweils christlichen Motiven, daß man kaum glauben mag, daß all dies unter NAZARENERN firmiert. Das liegt zum einen daran, daß in Rheinland-Pfalz die späten Nazarener der seit 1898 gegründeten Bruderschaft bis zum Ende des Jahrhunderts in diesem Stil malten, der sich allerdings deutlich von den frischen Anfängen absetzt. Das liegt zum anderen daran, daß Kunst in Kirchen, Schloß- und Burgkapellen natürlich nur die christliche Malerei zeigt. Gerade aber die Porträts der Nazarener weisen auf, daß diese Kunstrichtung, die man allgemein der romantischen Malerei zuordnen kann, keine genaue Abgrenzung zu deren zeitgenössischen Bewegungen kennt.

 

Wunderbar zeigt dies auf Seite 73 das ALTARBILD HL ROCHUS in St. Rochuskapelle, Oblatenkloster St. Rupertus in Bingen. Gemalt hat es Louise Seidler, die einzige Frau unter den 21 Künstlern, die in Rheinland-Pfalz dokumentiert werden und auch die einzige Frau in der Ausstellung in Mainz. Ihr Bild ist Biedermeier per se. Man wähnt sich nach Wien versetzt, so typisch ist das liebevolle und lebendige Bild, das den Heiligen mit zwei Kindern und einem Hund zeigt. Das eine Kind erhält aus dem Beutel des Rochus seine Münzen, das andere krönt gerade den Hund mit einem Pokal und hält Perlen in der anderen Hand. Verspielt und lebensnah zugleich, farbig warm. Spannend wird es, wenn wir lesen, daß Johann Wolfgang Goethe bei der befreundeten Malerin dieses Altarbild in Auftrag gab und genaue Vorgaben machte. Er wollte den Moment der Vita des Pestheiligen, wo Rochus den väterlichen Palast verläßt, sein Gut als Reicher verteilt und sich auf die Pilgerreise nach Jerusalem begibt.

 

Das wird im Text mit allen Belegen aus dem Goetheschen Oeuvre in eins mit der Geschichte der Kapelle gebracht und ist ein gutes Beispiel dafür, daß diese Reisewege auch gut geeignet sind, sie lesend und schauend im Kopf durchzuführen. Am besten, bevor man sich dann doch auf den Weg macht. Die Überblickskarte über die Nazarener Kunst in Rheinland-Pfalz zeigt dann drei Zentren am Rhein. Das ist am massivsten im Rheinland von Remagen bis Koblenz, damals preußisch besetzt, sodann einige Stätten um Mainz, damals Darmstadt-Hessen und im Süden rund um Speyer, von den Bayern besetzt.

 

So wird dieser Führer durch die Nazarenerstätten von Rheinland-Pfalz auch einer durch seine Geschichte des 19. Jahrhunderts. Sehr zu empfehlen.

 

Ausstellung Bahnhof Rolandseck bis 9. September 2012

Ausstellung Landesmuseum Mainz bis 25. November 2012

Speyerer Dom: Schraudolph-Dauerausstellung beginnt gegen Ende des Jahres

 

 

REISEWEGE ZU DEN NAZARENERN IN RHEINLAND-PFALZ, bearbeitet von Norbert Suhr und Nico Kirchberger, Verlag Schnell + Steiner 2012. Hervorragend die Einführung von Norbert Suhr, die auch denen, denen die Kunst der Nazarener gänzlich unbekannt ist – besser: die zwar solche Bilder kennen, aber sie Zuordnung als Nazarener nicht – einen wirklichen Zugang eröffnet zu Motiven der Maler, ihrer Abgrenzung vom damaligen akademischen Ausbildungsgang sowie die Abkehr vom Kunstmarkt und der Zuwendung zur Kunst als einer christlichen Botschaft, die auch ein anderes Leben erzwingt. Wie schnell sich die Anfänge dann selbst in etwas Herkömmliches auflösen, kann man auch erkennen. Dies auch an den aufgeführten 34 Stätten, die jeweils erst die Architektur vorstellen und dann die Geschichte des Bildmaterials, wobei insgesamt Wert darauf gelegt wird, daß dies ein vorläufiges Ergebnis des Nazarenertums in diesem Bundesland ist, weil man davon ausgeht, daß noch mehr aufgefunden wird.

 

 

Katalog:

Die Nazarener – Vom Tiber an den Rhein. Drei Malerschulen des 19. Jahrhunderts, bearbeitet von Norbert Suhr und Nico Kirchberger, Verlag Schnell + Steiner 2012. Dieser Katalog ist ein Grundlagenwerk für die Kunstrichtung der Nazarener in Rheinland-Pfalz, wobei das Erstaunliche ist, daß ein Hauptteil der Werke geschaffen wurden, als in den Zentren der Kunst diese religiöse Malerschule längst perdu war. Auch ein Beispiel dafür, wie lange es dauert, bis aus einer Avantgardebewegung das von der Allgemeinheit akzeptierte Kunstideal und somit zunehmend blutleerer wird. Aber auch ein Beispiel dafür, weshalb es so lange dauerte, bis sich in Rheinland-Pfalz Landeseinrichtungen, Museen, Kirchen- und Schlösserverwaltungen sowie Gebietskörperschaften sich des kunsthistorischen Kapitels der Nazarener annahmen und ihre überlieferten Werke dokumentierten und zum Zentrum einer Ausstellung in der Landeshauptstadt machten.

 

Auch im Landesmuseum Mainz selbst hat sich auf der Suche nach Nazarenern vieles in den eigenen Beständen gefunden. Der Katalog geht, abgesehen von dem eigentlichen Katalogteil ab Seite113, wo die Exponate in Bild und Texterklärung erscheinen – dort sind auch die Zeichnungen benannt, die aus konservatorischen Gründen (Licht!) einzelne Werke ersetzen – erst einmal kunst- und regionalhistorisch vor, in dem nach einem Überblick (Norbert Suhr) der Nazarener in Rheinland-Pfalz die Vertreter der zwei Malerschulen München und Düsseldorf vorgestellt werden und für die dritte, das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt am Main, dessen Direktor Philipp Veit 1852 nach Mainz ging, sein Wirken und sein sich bildender Kreis um ihn in Mainz im Mittelpunkt steht.

 

Neben diesen Überblicken stehen drei Künstler, Peter Rittig, Johann Ramboux und Anton Dräger aus der preußischen Rheinprovinz im Zentrum eines eigenen Essays (Norbert Suhr), weil sie anderen Ortes ausgebildet, auch wenig Werke im heutigen Bundesland hinterlassen haben, aber 'waschechte' Nazarener der ersten Stunde sind und zu ihren bedeutsamsten Vertretern gehören. Hier erweist sich der Katalog als weit über die Ausstellung hinausgehend, weil er Werke dokumentiert, die nicht nur typisch für diese Kunstrichtung stehen, sondern bei Anton Drägers MOSES AM BRUNNEN (1827/28) beispielsweise eine derartige Raffaelnachfolge – erzählendes Bild mittels Handgestik, Dramatik, Farbgebung – sehen lassen, bei Peter Rittigs DAS GLEICHNIS VON DEN FÜNF KLUGEN UND FÜNF TÖRICHTEN JUNGEFRAUEN (1821) eine Perugino/und Raffaelanverwandlung, das man staunt und froh ist, dies durch den Katalog zu erfahren, weil diese Bilder nicht in der Ausstellung hängen. Der Katalog gewinnt also neben der Dokumentation der Ausstellung einen kunsthistorischen Eigenwert.

 

 

www.schnell-und-steiner.de

www.landesmuseum-mainz.de

www.arpmuseum.org

www.bistum-speyer.de