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Die außergewöhnliche Schau, die dem gefragtesten Portraitisten der High Society des 19. Jahrhunderts gewidmet war zeigte bedeutende Leihgaben aus London, Paris, Versailles, Wien, Warschau und Berlin -  insgesamt über 100 Objekte und großformatige Gemälde. Darunter auch das verloren geglaubte Gemälde von Kronprinzessin Olga von Württemberg (1822-1892) das 2006 für die stolze Summe von 1,58 Mio. Euro für das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart ersteigert werden konnte.

Das Gemälde von Franz Xaver Winterhalter entstand 1856 und zeigt Olga Nikolajewna Romanowa als junge Frau in einem weißen Ballkleid mit Rosenblüten im Schoß. Für Tilmann von Stockhausen hat Winterhalter die glamouröse Schönheit „grandios in Szene gesetzt“. Die Tochter des Zaren Nikolaus I. heiratete am 13. Juli 1846 in Sankt Petersburg den Thronfolger und späteren König Karl von Württemberg. Das Portrait hing im Arbeitszimmer von Olgas Gemahl und war für rein private Zwecke. Ganz so, wie das wohl berühmteste Bild Winterhalters, das Portrait von „Sissi“, das in der Wiener Hofburg gegenüber dem Arbeitstisch von Kaiser Franz Joseph I. auf einer Staffelei stand. Die strahlende Erscheinung Olgas, die überall Bewunderung auslöste wirkt dank „Winterhalters Inszenierungskunst“ bis ins 20. Jahrhundert, wie der reich bebilderte Ausstellungskatalog dokumentiert. „1939 portraitierte der Fotograf Cecil Beaton die Königinmutter Elisabeth I. sitzend im weißen Kleid vor einem Rosenstrauch“.

Franz Xaver Winterhalter, der Bildnismaler der europäischen Hocharistokratie wurde 1864 ein zweites Mal nach Stuttgart gerufen, um ein großformatiges, offizielles Staatsportrait von Olga als Königin mit großer Robe zu malen. Olga, die mit ihrem Mann gerne die mondänen Kurorte und Metropolen Europas besuchte war auf „Toilette“, ihre äußere Erscheinung, sehr bedacht und hat insbesondere  im damals einzigen württembergischen Kurbad ihre Spuren hinterlassen. Wildbad im Schwarzwald profitierte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von ihren Besuchen, die in den Jahren 1856, 1857 und 1860 zudem mit drei Badeaufenthalten  Ihrer Mutter, Zarin Alexandra Fjodorowna (1798–1860), mit großem Gefolge gekrönt wurden.

Bereits 1857 hatte Franz Xaver Winterhalter den Bruder von Olga, Zar Alexander I. (1818-1881) und seine Frau Maria Alexandrowna (1824-1880) portraitiert und noch noch im selben Jahr als „Ausdruck besonderer Wertschätzung“ einen Orden erhalten. Zudem setzte die Zarin mit ihrem in Dreiviertelfigur gezeigten Bildnis einen Trend am russischen Hof. Denn plötzlich wollten alle höfischen Damen von dem Künstler abgebildet werden, der als Portraitmaler vor allem bei Frauen beliebt und primär auch von diesen weiter empfohlen wurde.

Charles Baudelaire, einer der bedeutendsten französischen Lyriker zählte Winterhalter zu einem Maler, der aus einem Gemälde ein „Gedicht voller Raum und Traum“ gestalten konnte. In den Ausstellungsräumen des Augustinermuseums ist diese prachtvolle Umschreibung der Portraitkunst Winterhalters eindrücklich dokumentiert. Bei einem Rundgang erklärt Tilmann von Stockhausen: „Winterhalter rückte seine Modelle stets ins beste Licht“  und ergänzt „sein besonderes Verständnis von Anmut machte ihn in der gehobenen Gesellschaft zum Frauenmaler par excellence.“ Glanz, Eleganz und Luxus wurden zu seinem Markenzeichen, wenn es darum ging, ein „modisches Portrait“ zu erstellen.
Seine Portraits waren ätherisch. Sie faszinierten das Publikum „mit der Schönheit und Prominenz der Modelle“ sowie dem Luxus und der Eleganz der Roben. Seine Modelle, eingehüllt in schneeweißen Seidentüll, feine Lyoner Seide, europäische Spitzen oder „andere Virtuositäten der Textilveredelung“ wurden von Winterhalter gekonnt arrangiert und inszeniert. Dabei fanden seine Bilder nicht nur bei den Auftraggeberinnen, sondern auch in den Salons großen Publikumszuspruch. Ausstellungsbesucher sollen mehrmals bedauert haben, „dass im Katalog nicht die Adresse des Schneiders stünde, der das Kleid der Dargestellten gefertigt habe.“

Winterhalter schmeichelte mit der brillanten Wiedergabe von edlen Stoffen und wertvollen Accessoires. Er wusste mit zeitgenössischem Chic umzugehen und hatte ein Gespür für das richtige Arrangement. Zudem war er ein unterhaltsamer und charmanter Gesprächspartner. Ein kokett verfasstes Schreiben der Fürstin Metternich bezeugt seine angenehme Gesellschaft und seinen ausgeprägten Geschäftssinn. „Befehlen Sie, wann das Modell zu kommen hat! Ich stehe Ihnen zur Disposition ... und werde dann mit gewünschter Coiffure und mehreren Kleinigkeiten, sowie Blumen, erscheinen, ich überlasse Ihnen meinen Kopf und werde meinerseits nur so gut wie möglich posieren, und sonst keinen Willen haben.“

„Wenn Sie sehen wollen, wie es in Winterhalters Atelier aussah, dann können Sie das bei uns erleben.“ Nicht ohne Stolz weist der Museumsdirektor der außergewöhnlichen Schau auf einen  besonderen Ausstellungsraum. Verschiedene Requisiten animieren den Besucher in die Rolle adeliger Personen aus der Zeit Winterhalters zu schlüpfen, um selbst Teil eines begehbaren Bildes zu werden. Im Zeitalter der digitalen Fotografie und dem daraus resultierenden Phänomen der „Selfies“ ein willkommener Anlass um sich selbst einmal außergewöhnlich zu präsentieren wie die Aufnahme beim Besuch der 16-köpfigen Großfamilie Schulz-Rinne aus Zürich und New Jersey deutlich belegt.

Der Schwarzwälder Bauernbub, der es geschafft hat, sich bereits im Alter von nur 29 Jahren auf höfischem Parkett zu bewegen, arbeitete über 20 Jahre lang für Queen Victoria und Prinz Albert in England. Victoria bezeichnete ihn als „interessanten, freundlichen und unkomplizierten Mann“,  der ihr persönlich Zeichenunterricht erteilte und weit mehr als 100  Gemälde für das englische Königshaus fertigte. Zu Beginn des zweiten Kaiserreichs wurde in Frankreich unter Napoleon III.  Kaiserin Eugénie zu seiner wichtigsten Auftraggeberin. Seine Portraits wurden auf Porzellan,  als Wandbehänge, Miniaturen und Skulpturen umgesetzt und zahlreiche Kopien der gefragten Portraits machten den Namen Winterhalter zu einem Markenzeichen und Maßstab für guten Geschmack.

Die Grundvoraussetzung für die „geradezu märchenhaft anmutende“ Karriere Franz Xaver Winterhalters begründet Stockhausen in seiner Herkunft aus dem Hochschwarzwald. Das Ausnahmetalent,  dem zuletzt 1987/88 große Ausstellungen in Paris und London gewidmet wurden, wurde als einfacher Bauernjunge 1805 am Fuß des Feldbergs geboren. Weit entfernt von der sogenannten „großen Welt“ wuchs er unter ärmlichen Bedingungen im heute 600 Einwohner zählenden Menzenschwand auf. Sein Vater Fidel Winterhalter, zunächst als Uhrenträger mit Kiepe unterwegs, ernährte seine Familie als Landwirt und Harzer, wobei die Kinder mitarbeiten mussten. Noch 1819 notierte der württembergische Regierungsrat Kausler für den Oberamtsbezirk Neuenbürg: „Für Sommerschulen haben diese Bewohner keinen Sinn, weil sie auch schon die kleinsten Kinder zum Viehhüten anhalten.“  Das zeichnerische Talent Franz Xavers wurde in der Dorfschule entdeckt und seitens Lehrer und Vater gefördert. Als dreizehnjähriger begann er im 40 Kilometer entfernten Freiburg seine Lehre als Kupferstecher und bemühte sich nach Ende seiner vierjährigen Lehrzeit um Unterstützung beim badischen Großherzog Ludwig I. da es in Baden damals noch keine akademische Künstlerausbildung gab. Für seine zusätzliche Ausbildung an der Münchner Kunstakademie erhielt er ein Stipendium mit jährlich 200 Gulden. Ein beachtlichen Betrag, wenn man bedenkt, dass 1811 der Lohn eines Calmbacher Schulmeisters aus jährlich 300 Golden Bargeld und der Bewirtung eines eigenen Gartens zusammensetzte. Der badische Großherzog förderte mit seiner Frau Sophie die Karriere von Franz Xaver mäzenatenhaft und ernannte ihn 1834 zum großherzoglich-badischen Hofmaler in Karlsruhe. Doch schon bald reiste dieser weiter nach Paris. In der Metropole für Kunst und Kultur begann sein komentenhafter Aufstieg als „Maler im Auftrag ihrer Majestät“ nicht zuletzt durch Unterstützung der badischen Großherzoginwittwe Stephanie, der Adoptivtochter Napoleons I.

Foto: ©

Info:
Die umfassend große Präsentation des Malers aus dem Schwarzwald war vom
28. November 2015 bis 20. März 2016 im Augustinermuseum in Freiburg,
vom 17. April 2016 bis 14. August 2016 im Museum of Fine Arts in Houston/ Texas und vom 17. September 2016 bis 15. Januar 2017 im Palais de Compiègne bei Paris zu sehen.