Zwar ist der Meister auch zu seinen Lebzeiten ein vielbeachteter und gut bezahlter Künstler gewesen und hatte nicht das betrübliche Schicksal van Goghs, dessen Bilder heute stets hohe Summen erzielen, der aber zu Lebzeiten nur ein einziges Bild verkaufen konnte, ein verkanntes Genie. Aber dennoch hat es einen solchen Preis noch für kein Gemälde der Welt gegeben (das letzte galt einem Picasso für weit weniger als der Hälfte der jetzigen Summe). Und nun ausgerechnet „Salvator mundi“- Heiland der Welt, ein Jesusbild, das eher konventionell gestaltet, von den Experten zum echten Leonardo testiert wurden, was man rein aus den Zeitungsabbildungen nicht weiter hinterfragen kann. Was man sagen kann, ist, daß es das typische Sfumato Leonardos ausstrahlt. Das ist die Maltechnik, wo, wie aus dem Nebel auftauchend, Konturen erscheinen, die mit ganz feinem Pinsel die Umrisse von Motiven ineinanderfließen lassen, eine Spezialität da Vincis.

Wie üblich ist das Bildnis auf Holz gemalt, Walnußholz. Das Motiv dessen, der der Welt Heil bringt und sie segnet, der Weltenretter, kommt aus dem byzantinischen Bildprogramm, das dort schon sehr früh die Kuppeln christlicher Kirchen schmückte und zum berühmten Ikonenprogramm wurde. Der mit Mittelscheitel und beidseitig langen blonden Haaren dargestellte Christus ist frontal dargestellt und hält die Rechte angewinkelt hoch, den Betrachter segnend, während in der linken Hand etwas tiefer die Glaskugel ruht, die ihn als Herrscher der Welt ausweist. Im übrigen hat Albrecht Dürer in seinem faszinierenden Selbstbildnis im Pelzrock, ebenfalls um 1500 geschaffen, das Christusmotiv verwendet, auf sich selbst angewandt, was eine Frechheit für die Welt war (und ist) und die vielleicht stärkste denkbare Selbsterhöhung eines Künstlers in einer (noch sehr) christlichen Welt. Wir hätten übrigens das fast gleichgroße, mit 67 mal 49 Zentimetern nur etwas größere Selbstbildnis von Dürer sehr viel lieber als diesen da Vinci in eigenem Besitz. Aber es gehört der Alten Pinakothek.

Wer zahlt für ein solches, relativ kleines 45 mal 65 Zentimeter großes Gemälde wie den Erlöser von da Vinci einen solchen Preis – und warum? Wer der Käufer ist, bleibt unbekannt. Zur Zeit wenigstens. Allerdings kann man sich gut vorstellen, daß jemand, der diesen Betrag zahlen kann und es tut, dies sehr bald doch auch der Welt mitteilen will.

Bekannt dagegen ist, wer das Gemälde besaß und verkaufte. Es ist der im Exil lebende russische Multi-Milliardär Dmitri Rybolowlew, derselbe übrigens, der den Fußballclub AS Monaco gekauft hatte. Und dieser Oligarch, alles andere als ein Kunstkenner, ist aber ein exzellenter Kenner der Geschäfte. Denn er hatte erst vor vier Jahren dieses Bild dem Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier abgekauft. Damals für 127, 5 Millionen Dollar. Demgegenüber sind die 450 Millionen weit mehr als eine Verdreifachung, grob ein Gewinn von..., aber nein, die Differenz geht natürlich nicht voll in die Tasche des Verkäufers, aber es bleibt immer ein Mehrfaches des selbst gezahltes Preises. Und das nicht in schnöden Euros, sondern in Millionen von Dollar.

Warum in vier Jahren das Gemälde eine solche Preissteigerung erzielen konnte, hat verschiedene Gründe. Aber erst einmal ist die Geschichte des Gemäldes zu unseren Lebzeiten zu untersuchen, das man gut nachvollziehen kann, weil es öffentliche Verkäufe sind. Derjenige, der also 127,5 Millionen Dollar für den SALVATOR bekam, dieser Schweizer Händler, hatte das Gemälde erst kurz zuvor für 80 Millionen Dollar erworben. Das hatte Käufer Rybolowlew erst danach mitbekommen, weshalb er sogar den Händler wegen Wucher (unsere Formulierung, auf jeden Fall fand er es zu viel Geld) verklagt hatte. Er scheint aber keine Furcht zu kennen, daß ihn der neue Käufer mit denselben, ja finanziell noch gesteigerten Gewinnmargen ebenfalls verklagt.

Vor der Versteigerung hatten die Experten von Christies das Leonardo Gemälde auf 100 Millionen Dollar geschätzt, was aber nicht Einstiegsgebot war. Der Auktionator Jussi Pylkkanen gab ‚nur‘ 75 Millionen Dollar vor, aber weit über 40 Bieter schraubten den Preis derart in die Höhe, nach Hörensagen waren es am Schluß nur noch zwei Telefonbieter, die es miteinander austrugen, so daß nun endlich gefragt werden muß, weshalb dies geschieht, nachdem klar ist, daß es nicht um die Kunst selber, sondern den finanziellen Wert des Gemäldes geht. Das Werk gilt übrigens erst jetzt als Original von da Vinci, dasselbe Bild war 1958 gerade mal 45 britische Pfund wert und blieb in der Versenkung. Das änderte sich 2005, als das Gemälde in die Öffentlichkeit geriet, weil auf einmal seine Echtheit als Original behauptet und durch Gutachten bewiesen wurde. Das ist aber nicht der wirkliche Grund, warum das Leonardos Jesus auf einmal solche Fahrt aufnahm.

Denn erst als der SALVATOR MUNDI 2011 in der Londoner National Gallery ausgestellt wurde, also die Weihen dieses für mich schon allertollsten Museums der Welt (es gibt einige tolle Museen) erfahren hatte, gab es für diesen Leonardo gesteigerte Aufmerksamkeit. Und daß es die überhaupt gibt, hat eine ganz einfach Erklärung. Bei den meisten Malern der Vergangenheit gibt es unzählige Werke, die sich nicht erhalten haben, die mutwillig oder sonstwie zerstört wurden. Maler der Renaissance waren von Anfang an Sammlungsobjekte der oberen Zehntausend, also einer gesellschaftlichen Elite.

Gerade diese Schicht ist heute kaum mehr in damaliger Funktion vorhanden. Auf ihrem gesellschaftlichen Abstieg oder Aussterben sind die Mehrzahl von Kunstwerken bekannter Künstler dieser Familien in den Museen gelandet, die sich doch erst einmal aus Sammlungen oder Stiftungen gebildet hatten. Deshalb sind auch heute die rund 16 als echt zertifizierten Gemälde da Vincis fast alle in Museen, übrigens fünf davon sind Porträts. Als Grund für den horrenden Preis, der bezahlt wurde, gilt auch eine geschickte Präsentation des Gemäldes in dieser Auktion. Es wurde eingereiht in diese Auktion zeitgenössischer Künstler und hing direkt neben Andy Warhols LAST SUPPER SERIE, also erneut ein Bezug zu Leonardi da Vinci. Unglaublich, dieser Verkauf für fast eine halbe Milliarde Dollar. Man glaubt, das sei jetzt das Ende der Fahnenstange, aber immerhin ist das bisherige Spitzenwerk, Picassos Bordellszene mit 179,4 Millionen Dollar, auf einen Schlag derart überboten worden, daß man sich in dieser übersteigerten Kunst-Finanz-Welt gar nichts mehr vorauszusagen traut.

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