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An den Wänden lehnen noch viele Bilder, die aufgehängt werden müssen. Einige sind bereits befestigt, manche Skulpturen stehen an ihren Plätzen. Es riecht nach Farbe, überall liegt Werkzeug herum, es wird gehämmert und geschraubt - eine aufregende Atmosphäre. Aus 140 Bewerbungen suchte die Jury 45 Künstlerinnen und Künstler aus - und nun bringen die ihre Arbeiten nach und nach vorbei, manche helfen auch beim Aufbau.

hwk sie und er 0053Die Kuratorin Dr. Elisabeth Heil hat schon länger alle Kunstwerke im Kopf, die sie von den Fotos des Auswahlverfahrens kennt und weiß genau, wo sie hin sollen. Beim Gang durch die noch unfertige Ausstellung erkennt man die Vielfalt der künstlerischen Ideen zum Thema - und Heils gestalterisches Konzept: „Ich will kein Sammelsurium, sondern die Objekte sollen in einen Dialog miteinander treten. Dennoch brauchen alle Werke genug Raum, um auch für sich zu wirken“, erklärt sie.

Mit dem jungen Künstler Patrick David Brockmann und dem Hausmeister Claus Grün sucht sie gerade nach Lösungen, um lange schmale Plexiglasplatten aufzuhängen. „Sie können nicht irgendwie herumhängen“, meint Heil, „man muss sie beim Reinkommen ansehen können.“ Brockmann scannte mit einem Handscanner Menschen in einer Fußgängerzone ab, streckte die entstandenen Fotos und übertrug sie auf Platten. „Mich interessiert, ob man die Identität oder das, was einen Menschen charakterisiert, in einer Fotografie einfangen kann“, meint er.


Nebenan ist Heils „Lieblingsspielwiese“, wie sie sagt. Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler haben zwei lebensgroße kinetische Objekte gebaut, die sich unaufhörlich suchen, um miteinander zu agieren. Jedoch werden diese Roboter „Vincent“ und „Emily“ durch das wechselnde Umgebungslicht ständig irritiert. „Deshalb kann man ihr Verhalten nicht vorhersagen“, meint das junge Künstlerpaar und lacht - denn das ist natürlich auch eine Allegorie menschlichen Verhaltens. Beide Geräte sind baugleich und identisch programmiert, dennoch schreibt man ihnen als Betrachter männliche oder weibliche Eigenschaften zu.

Bildhauer Fabian Vogler verwickelt einen sofort in eine Diskussion über Intersexualität. In der Ausstellung zeigt er zahlreiche kleine Bronzefiguren, die alle Doppelgeschlechtlichkeit ausdrücken. Sein Zugang zum Thema ist ein absolut künstlerisches, mit seinem Medium möchte er aber auch verdeutlichen, was die betroffenen intersexuellen Menschen (also diejenigen, die nicht mit eindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden) bewegt.

Monika Ebertowski, Leiterin der Kunststation, wusste schon vor der bundesweiten Ausschreibung, welche Brisanz im Thema geschlechtlicher Identität steckt: „Deshalb entschieden wir uns ja dafür. Doch mit der aktuellen Diskussion im Kontext des neuen Urteils des Bundesverfassungsgerichts nahm es zusätzlich Fahrt auf“, meint sie. Doch mit so vielen Bewerbungen rechnete sie nicht. Ursprünglich trat eine Initiative gegen Frauengewalt an die Kunststation und andere Einrichtungen heran, um zum Thema Gewalt eine Ausstellung zu initiieren. „Doch das war uns zu defizitär“, erinnert sich Ebertowski und so entstand in Kooperation mit Anderen diese großartige Schau. Ein breites Rahmenprogramm wird die Auseinandersetzung der Kunstschaffenden mit dem Thema erweitern.


Fotos: © Hanswerner Kruse
Künstler Patrick David Brockmann und Hausmeister Claus Grün, über den Kuratorin Dr. Elisabeth Heil (Mitte) sagt: „Manches wäre ohne ihn gar nicht oder nicht so perfekt umsetzbar.“
Das junge Offenbacher Kunstpaar Carolin Liebl und Nikolas Schmid-Pfähler vor ihren kinetischen Objekten „Vincent“ und „Emily“

Info: 

Ausstellung „SIE und ER - WER sind WIR?“ vom 17. 12. 2017 bis zum 25. 2. 2018 in der Kunststation Kleinsassen, An der Milseburg
Eröffnung am 17. 12. 2017 um 15 Uhr. Geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 13 - 17 Uhr