Drucken


„No reason to get excited“ (Kein Grund zur Aufregung). Zur Eröffnung singen Bernd Baldus, der Künstler aus der Nachbarschaft, sowie zwei an der Ausstellung Beteiligte dieses Stück von Bob Dylan. Man meint, der Song kommentiert ironisch die hochaktuelle Diskussion über Plastikmüll.

Im großen Saal der Kunststation herrscht „geordnetes Chaos“, wie Leiterin Monika Ebertowski erklärt. Stühle, Staubsauger und andere Haushaltsgeräte Kleinsassener Bürger liegen herum. Aus dem Sperrmüll schafft die US-amerikanische Künstlerin Kitty Wales in der nächsten Zeit Skulpturen. Khalil Chishtee hat aus New York weiße Plastikbeutel mitgebracht, aus denen er lebensgroße Figuren kreiert. Gespenstisch hängt ein weißes Pärchen in der Halle, bald folgen weitere Gestalten. Bis zum 14. Juni arbeiten Wales und Chishtee an ihrem „Work in Progress.“

Zum Schluss schleppt Künstler Thomas Putze, dürftig mit weiß-rotem Absperrband bekleidet, einen Baumstamm in den Saal. Er rupft Zweige ab, stellt den Baum aufrecht und klettert akrobatisch daran hoch. Oben verschwindet er in schwindelnder Höhe durch ein Fenster. „Upcycled“ heißt seine kühne Aktion, die auf performative Weise den Ausstellungstitel umschreibt. Im folgenden Dialog der Kuratorin Dr. Elisabeth Heil mit den beteiligten Kunstschaffenden, werden deren unterschiedliche künstlerische Positionen zum Thema deutlich:

Der vielseitige Putze hat einen „Mischwald“ aufgebaut. Zwischen noch nadelnden großen Bäumen fügte er weiterbearbeitete Naturobjekte, Gemälde sowie Arbeiten aus Schrott und natürlichen Fundstücken zu einer Installation: Statt sich im Wald über Müll zu ärgern, ließe er sich davon inspirieren, weiß die Kuratorin. „Ja, hier kann ich mal die Sau rauslassen“, meint Putz lachend, der auch hölzerne Wildsäue zeigt. Selbst seine Preisliste mit den von ihm gezeichneten Einzelarbeiten ist ein kleines Kunstwerk.

hwk kunststation 3208Nebenan präsentiert Max Schmelcher seine Torfobjekte, durch die er „ekligen Dreck in heiliges Material“ verwandelt. Tiefbraune, sehr hart getrocknete „Schmetterlinge“ bedecken eine Wand. Außerdem gibt es große Figuren die an Giacometti erinnern, menschliche Köpfe und freie Gebilde aus Torf und Leinwand. Schmelcher ist ein „ordentlicher, anständiger Bildhauer“, aber das „wertlose Material Torf“, das steinhart werden kann, fasziniert ihn seit seiner Kindheit. Als kleiner Junge hat er sich in seiner Heimat gerne mit Moorschlamm eingestrichen und auf seiner Haut trocknen lassen.

„Oh Mami, nicht schon wieder“, klagt Sabine Burmesters Tochter, wenn ihre Mutter bei Ausflügen irgendetwas findet und aufsammelt. Alle Wandbilder der Künstlerin bestehen aus gestalteten Fundstücken, doch die hängen nicht brav an der Wand. Immer wieder scheinen große und kleine Drahtfiguren daraus hervorzudrängen und sich weit hinaus in den Raum zu wagen.

Veronica Richterová zeigt farbenfrohe florale Objekte, Frederike Schürenkämper bietet während der gesamten Schau up-gecycelten Schmuck an. Bei beiden ist das ursprüngliche Material, Plastikflaschen, kaum noch zu erkennen. Im Salon hängen große Fotos von Enrico Fabian, der in Indien mit Müllsammlern zusammenlebte.

Landrat Bernd Woide (CDU), sagte in seinem Grußwort, „große Kultur gibt es nicht nur in den Metropolen“ - er hat Recht, wie diese furiose Schau beweist.


Fotos:
Khalil Chishtee beim „Work in Progress“,
Torfarbeiten von Max Schmelcher
© Hanswerner Kruse

Info:
Kunststation Kleinsassen, An der Milseburg 2, 36145 Hofbieber-Kleinsassen
„Myths - Upcycled“ noch bis zum 26. August. Öffnungszeiten Di bis Sa von 13 bis 18 Uhr, So und feiertags 11 bis 18 Uhr. Es gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm: www.kunststation.de