„Ich leiste aktive Wiedergeburtshilfe“, sagt die Modedesignerin und Grafikerin Roswitha Berger-Gentsch, die sich mit ihren Arbeiten nun ganz der freien Kunst widmet. Aus Kartons mit geringer Lebensdauer großer Discounter fertigt sie durch Schnitte, eingewebte Strukturen und Mosaike sehr eigenartige Collagen. Noch überraschender sind ihre großen Vasen, Füllhörner und freien Artefakte aus teilweise farbiger Wellpappe. Monika Ebertowski, die Leiterin der Station, kannte die Werke bisher nur von Fotos und gestand in der Vernissage, „völlig verzaubert“ zu sein.

Die ursprüngliche Bedeutung des pappigen Materials ist gerade noch erkennbar und dennoch verwandelt oder „reloaded“ Berger-Gentsch es in neue Objekte. „Metamorphose“ heißen ihre Bildobjekte mit geometrischen Figuren oder Streublümchen, die sie aus den Kartons gewinnt. In einer langen, aneinandergefügten Reihe von Chriskindl-Glühwein-Pappen hat sie goldene Streifen eingewebt, die in der Mitte die Krippenszene erkennen lassen - die sich jedoch nach außen immer stärker verflüchtigt: So wie das Weihnachtsfest ja auch seine ursprüngliche Bedeutung verliert. Die Objekte der Künstlerin sind kritisch, aber dennoch steht deren ästhetische Anmutung im Vordergrund.

Im unterhaltsamen Salongespräch mit der Künstlerin bei der Eröffnung kreierte die Kuratorin Dr. Elisabeth Heil kleine Ratespiele, in denen besonders die anwesenden Kinder gut abschnitten: Das Emblem der Coca-Cola-Kartons ist überhaupt nicht mehr lesbar und nur zu erraten aufgrund der typischen Cola-Schrift und ihrer roten Farbe. Salami und Bierwurst in der Collage „Spitzenqualität“ sind kaum noch erkennbar und erreichen eine starke, eigene bildhafte Bedeutung.

Die dreidimensionalen Artefakte der Künstlerin sind als Gefäße nicht nutzbar, also keine kunsthandwerklichen Blumenvasen oder Bonbongefäße. Berger-Gentsch fertigt sie aus Pappringen, die auf komplizierte Art und Weise aus Wellkartons geschnitten und dann montiert werden. „Jeder Schnitt mit dem Cutter muss absolut sitzen“, erzählt sie, „dabei bin ich hochkonzentriert und kann kein Radio hören...“ Diesen Werken gehen technische Zeichnungen voraus, damit die Formen gelingen. Überhaupt muss die Künstlerin alle ihre Arbeiten genau planen und präzise ausführen. „Das ist kein Hobby“, erläutert Heil, „sie hat einen geschulten Blick für Muster.“

Etwas einfacher geht die Umwandlung von Kartons und anderen Alltagsdingen in Postkarten, die wie Pop Art Objekte wirken und in der Kunststation günstig zu kaufen sind. Im Rahmen der Kunstwoche wird Berger-Gentsch einen Workshop für Erwachsene geben, „wie entstehen Postkarten aus Abfallkartons?“

Foto:
Künstlerin Berger-Gentsch und ihre Arbeiten
© Hanswerner Kruse

Info:
/ 19. August jeweils 14 - 17 Uhr:
Roswitha Berger-Gentsch: Offenes Atelier zur Studioausstellung „reloaded“

„reloaded“ in der Kunststation Kleinsassen als Teil der Ausstellung „Myths – Upcycled“ noch bis zum 26. August 2018. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag, sowie an Feiertagen, 13 bis 17 Uhr, Montag geschlossen.

Der erste Artikel:
https://weltexpresso.de/index.php/kunst2/13196-furiose-schau-auf-dem-lande

www.kunststation-kleinsassen.de