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Dieser Zeitpunkt ist auch deshalb interessant, also der Zeitpunkt der Entdeckung und Übergabe, weil Georgien in diesem Jahr das Gastland der Frankfurter Buchmesse ist. Als Ehrengast sind solche Gesten im Vorfeld gut geeignet, das Interesse für dieses besondere und auch besonders schöne Land zu wecken, bzw. zu vertiefen. Am gestrigen Freitagabend wurde zudem das Museumsuferfest in Frankfurt, das größte Kulturfestival Deutschlands, durch den Frankfurter OB Peter Feldmann zusammen mit den georgischen Gästen eröffnet, weil Georgien auch hier diesjähriges Gastland ist.

Das Bild war 1741 für die Gemäldesammlung des sächsischen Kurfürsten Friedrich August II., als König in Polen August III., erworben worden. 1754 lässt es sich erstmals dokumentarisch in der damaligen Gemäldegalerie am Jüdenhof in Dresden, direkt neben der Frauenkirche, fassen. Im Bestandsverzeichnis der Gemäldegalerie Alte Meister ist es mit der Galerienummer 385 aufgeführt.

Das Werk war in der lost art Datenbank verzeichnet. Im August 2018 wurden die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden darüber informiert, dass es sich bei dem in georgischem Privatbesitz befindlichen Gemälde von Cittadini vermutlich um den Dresdner Kriegsverlust handele. Wissenschaftler der Gemäldegalerie Alte Meister und des Georgischen Nationalmuseums konnten in der Folge aufgrund von zahlreichen charakteristischen und unverwechselbaren Alterspuren und Schäden, die bereits auf historischen Fotos aus der Zeit vor 1945 festgehalten waren, zweifelsfrei nachweisen, dass es sich bei diesem Gemälde um das seit 1945 vermisste Werk Cittadinis handelt.

Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: „Wir sind dem georgischen Ministerpräsidenten Mamuka Bakhtadze zu großer Dankbarkeit für diese außerordentliche Geste verpflichtet, die Rückgabe des verlorenen Werkes an die Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden ermöglicht zu haben.“

Stephan Koja, Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister und Skulpturensammlung vor 1800: „Für die Dresdener Gemäldegalerie Alte Meister ist die Rückkehr des Kriegsverlustes von großer Bedeutung, denn Stillleben von italienischen Künstlern sind eine Rarität in der Sammlung.“ Bislang besitzt das Museum nur ein einziges italienisches Stillleben, nämlich von dem neapolitanischen Maler Giovanni Battista Ruoppolo (Gal.-Nr. 2669). Mit Cittadinis „Stillleben mit einem Hasen“ kehrt ein Werk aus der Bologneser Malerschule zurück, die in der Dresdener Galerie wie in keinem anderen Museum in Deutschland besonders umfangreich vertreten ist.

Pietro Francesco Cittadini (Mailand 1616 – 1681 Bologna) zählt zu den profiliertesten Stilllebenmalern in Bologna Mitte des 17. Jahrhunderts. Diese Gattung war maßgeblich durch flämische Künstler in Italien eingeführt worden. Cittadini studierte ihre Gemälde während eines längeren Aufenthalts in Rom zwischen 1645 und 1650. Noch in Rom und dann zurück in Bologna schuf er eine Vielzahl an Stillleben, die durch einen besonderen Detailreichtum und intensive Naturbeobachtung bestechen. Dazu zählt auch das „Stillleben mit einem Hasen“, das aus stilistischen Gründen auf um 1650 zu datieren ist. Der Auftraggeber dieses Gemäldes ist nicht überliefert. Zu sehen ist ein tischartiges Felsplateau in einer steinernen Grotte, links gibt das Bild einen Blick in eine weite bergige Landschaft frei. In der Mitte der Szenerie liegt ein ausgeweideter Hase, rings herum ist eine Vielzahl an unterschiedlichem Wildgeflügel platziert. Somit handelt es sich bei dem Bild um das Genre des Jagdstilllebens.

HINTERGRUND

Provenienz und Sammlungsgeschichte:

Die auf dem Bild unten rechts in Weiß aufgemalte Inventarnummer „2610“ verweist auf das „Inventar Dresden vor 1741“ hin. Dort wird im Nachtrag unter dem Jahr 1741 der Erwerb von 70 Werken durch den Kunstagenten Bonaventura Rossi aufgeführt, wobei das gesamte Konvolut mit den Nummern 2554 bis 2623 inventarisiert wurde (Inv. Dresden vor 1741, fol. 317v). Als Einzelwerk ist das Bild erstmals 1754 in einem Dresdener Inventar greifbar, allerdings ohne Nennung eines Malers (Inv. Dresden 1754, fol. 33v, Nr. 429). Im 1765 gedruckten ersten Katalog der Königlichen Gemäldegalerie ist das Werk Pietro Francesco Cittadini zugewiesen (Riedel / Wenzel 1765, S. 154f., Nr. 784).

Gemäß den überlieferten Akten im Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wurde das Bild 1936 zur Ausstattung des Offizierskasinos der Polizeikaserne am Sachsenplatz in Dresden ausgeliehen. Bis wann sich das Gemälde als Dauerleihgabe im Offizierskasino befand, ist dokumentarisch nicht belegt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden am 13. und 21. August 1943 insgesamt 247 Gemälde in ein Herrenhaus in Dobra (Sachsen) ausgelagert. Darunter muss sich auch Cittadinis Gemälde befunden haben. Denn das Werk taucht 1945 in den Transportlisten auf, als ein großes Konvolut von Gemälden aus diesem Auslagerungsort nach Schloss Barnitz verlagert wurde: Cittadinis Stillleben wurde am 23. März 1945 aus dem Herrenhaus in Dobra in das neu eingerichtete Bergungsdepot im Schloss Barnitz in Krögis (Meißen) gebracht. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs transportierten die sogenannten Sowjetischen Trophäenkommissionen eine ganze Reihe an Gemälden aus Schloss Barnitz ab. Als am 19. November 1945 Schloss Barnitz von den Staatlichen Kunstsammlungen beräumt werden konnte, wurden 95 Gemälde nach Dresden gebracht, Cittadinis Stillleben fehlt allerdings auf den Transportlisten. Anhand der überlieferten Archivalien kann davon ausgegangen werden, dass Cittadinis „Stillleben mit einem Hasen" aus dem Auslagerungsort Schloss Barnitz entwendet wurde. Wann die Entwendung erfolgte, lässt sich nicht genau datieren. Mit Sicherheit muss der Diebstahl vor dem 19. November 1945 erfolgt sein, als die Staatlichen Kunstsammlungen das Depot auflösten und die verbliebenen Gemälde nach Dresden zurücktransportierten.


Zum Künstler

Pietro Francesco Cittadini gehört zur Bologneser Malschule des 17. Jahrhunderts. Geboren 1616 in Mailand, hatte Cittadini zunächst Unterricht bei dem Mailänder Künstler Daniele Crespi erhalten. 1634 wechselte er nach Bologna zu Guido Reni, dem damals einflussreichsten Maler vor Ort. Wohl mehrere Reisen nach Rom sind anzunehmen, wo er vor allem durch einen mehrjährigen Aufenthalt in den Jahren zwischen 1645 und 1650 für die Gattungen der Genremalerei und Stillleben entscheidende Anregungen durch die flämischen Künstler der Bamboccianti erhielt. Dokumentiert ist die Zusammenarbeit mit Jean Boulanger 1650/52, für den er in der Villa d’Este in Sassuolo Landschaften, Früchte und Blumen sowie die illusionistische Rahmenarchitektur schuf. Zudem trat der Künstler als Porträtmaler hervor. Auch nach der Heirat 1653 in Bologna lebte Cittadini immer wieder für längere Zeit in der Lombardei, 1662/63 war er im Dienste der Este in Modena tätig. Cittadini war zu seiner Zeit der wichtigste Vertreter der Genre- und Landschaftsmalerei in Bologna, zweier dort nicht sehr verbreiteter Gattungen. Ebenso widmete er sich umfangreich dem Stillleben.

Die Dresdener Gemäldegalerie Alte Meister besitzt zwei weitere Werke dieses Künstlers: „Landschaft mit Hagar, Ismael und einem Engel“ (Gal.-Nr. 383) und „Landschaft mit Lot und seinen Töchtern“ (Gal.-Nr. 384).


Foto: 
© Gemäldegalerie

Info:
Pietro Francesco Cittadinis (Mailand 1616 – 1681 Bologna) „Stillleben mit einem Hasen“, um 1650
Bezeichnet: unten rechts in Weiß „2610“
Öl auf Leinwand, 80 x 130 cm
Provenienz: 1741 durch Bonaventura Rossi erworben für die Sammlung von Friedrich August II., Kurfürst von Sachsen und als August III. König in Polen. Seit 1945 verschollen.
Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gal.-Nr. 385