Ein solcher personeller Aufwand ist sehr ungewöhnlich, selbst bei diesem so bedeutenden Altar, der ein Kernstück europäischer Kunst darstellt. Wenn es heißt: Am 24. November 2017 beschloss der neue, erweiterte Wissenschaftliche Beirat für die Restaurierung des Isenheimer Altars unter dem Vorsitz von Blandine Chavanne, Cheffe du service des musées de France par intérim, und Thierry Cahn, Präsident der Société Schongauer, eine Restaurierungskampagne des Altarensembles (Tafelbilder und Rahmen, Skulpturen, neuzeitlicher Altarkasten) auf der Grundlage der Analysen des Centre de Recherche et de Restauration des Musées de France (C2RMF) und der Empfehlungen aus den Untersuchungen von 2013/2014 unter Bewahrung der Integrität des Werkes und mit dem Ziel seiner Konservierung, dann erkennt man, hier ist etwas Ungewöhnliches im Gange. Denn die löbliche Restaurierung von Werken geschieht meist unter der Hand und gehört zu den eigentlich normalen Museumsaufgaben.

Erst am Ende der über zweistündigen Pressekonferenz, in der alle an der Restaurierung Beteiligten über ihren Part solide und informativ berichteten, wurde deutlich, weshalb in Colmar nicht nur von einer Restaurierung, sondern mit Recht von einer Restaurierungskampagne gesprochen wird. Es wurde schon 2011 mit der längst notwendigen Restaurierung begonnen, nämlich mit dem, womit die Reinigungsarbeiten anfangen: die oberen Schichten des Firnis abzutragen, der die Malerei schützt, aber nach Jahrzehnten, Jahrhunderten meist so vergilbt ist, daß der Eindruck der originalen Malschicht verfälscht ist. Und genau diese Abtragung, Firnisverdünnung, geschah 2011 an den äußeren Tafeln der Werktagsseite (dem geschlossenen Altar), dem Heiligen Sebastian links und dem Heiligen Antonius rechts – woraufhin Teile der Presse empört aufschrien, weil sie nicht informiert wurden und die Arbeiten für nicht fachgerecht hielten.

Auf diesen öffentlichen Eklat machte einer derjenigen aufmerksam, der vor sieben Jahren „Halt. So nicht!“ geschrien hatte, woraufhin die Museumsdirektorin dem Kollegen ausdrücklich dankte und sagte, es sei zwar damals fachlich nichts falsch gelaufen (?), aber sicherlich seien solche eingreifenden Maßnahmen heute nicht mehr ohne öffentliches Kommunizieren möglich. Deshalb habe man damals die Restaurierung gestoppt, in der Zwischenzeit zwei Symposien zum Thema durchgeführt und in großem Stil Dreierlei beschlossen:

eine sachgerechte Restaurierung aller Teile des Altars, peu a peu, vorgenommen von anerkannten Restauratoren – sowohl der Gemälde wie der Skulpturen - unter ständiger Kommunikation mit den internationalen Beratergruppen dies unter laufender Veröffentlichung der Restaurierungsprozesse, so daß die Presse und alle Interessierten die Ergebnisse verfolgen können die Restaurierung zudem öffentlich in der Kapelle vorzunehmen, in der der Altar aufgestellt ist, der also weiterhin Magnet für die Besucher bleiben kann, wobei man immer jeweils ein Drittel der Tafeln und Skulpturen in Angriff nimmt und zwei Drittel dem Publikum weiterhin die Macht und Schönheit des mehrflügeligen Altars zeigen können.

Das Konzept des Museums, das von allen zuständigen staatlichen Stellen unterstützt wird, geht aber über eine reine öffentliche Beobachtung der Sanierungsarbeiten weit hinaus. Denn es ist verbunden mit einer Bewegung, die als crowdfunding zwar ein schreckliches Wort besitzt, aber eine tolle Sache ist. Jeder kann sich an der Finanzierung der Restaurierung beteiligen, auch kleine Beträge sind willkommen, weil viele kleine Spenden – ‚Kleinvieh macht auch Mist‘, sagen wir auf Deutsch, die auf Französisch abgehaltene Pressekonferenz sprach von: ‚Aus vielen kleinen Bächen kann ein großer Fluß werden‘ - eben den bisherigen Etat von rund 1, 2 Millionen Euro aufstocken können, wobei rund 120 000 Euro auf jeden Fall erwartet werden und im genannten Etat schon eingerechnet sind. Aber im Grunde ist es nicht das Geld, um das es geht, sondern in der tieferen Bedeutung die Identifizierung mit dem Isenheimer Altar, die einerseits zur Spende führt, aber auch durch das Spenden diese verstärkt oder erst erst in Gang setzt.

Das ist wahrlich eine demokratische Tat, die gestützt wird durch ein transparentes Verfahren der Restaurierungsarbeiten.

Fortsetzung folgt

Foto:
© musée-unterlinden.com, Ruedi Walti