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Und heute? Nein, er ist nicht ganz vergessen. In Österreich nicht. Aber darüberhinaus schon. Und die Frage ist nicht nur, warum das so ist, sondern erst einmal, warum überhaupt ein Maler aus der Provinz so bekannt wird, ein Maler ohne akademische Ausbildung, der bei seinem eigenen Vater in die Lehre ging, der gerade aus dem Hessischen zugewandert war, weil er im katholischen Österreich bessere Verdienstmöglichkeiten sah. Was auch der Fall war. Denn damals waren es noch die Kirchen, die Pfarreien, die Domherren, die Geistlichkeit, die Kirchenoberen, die Reichen, die in den Himmel kommen wien kgrablegungwollten, die den Künstlern Brot gaben, damit die Altarbilder oder Andachtsbilder in den Kapellen glänzten und sowohl von der Anwesenheit Gottes kündeten wie auch davon, daß man genug Geld habe, Gott auf diese Weise zu verherrlichen.

Wir haben heute ja keine Ahnung mehr, welche sowohl demokratisierende wie egalisierende Funktion und Wirkung die katholische Kirche hatte. Spätestens seit der Gegenreformation war ganz bewußt ein Bildprogramm für Kirchen entwickelt worden, das die Gemüter der Gläubigen ansprechen, dadurch ihren Glauben aktivieren und sie in Gemütszustände versetzen sollten, die durch seelische Erschütterung des Geschauten die Sehnsucht nach Göttlichem verstärkte, ein Gott der Schutz versprach und herrlich war.

wien kaltarEs mußten also Bilder her, bevorzugt die, die vom Altar aus auf die Gläubigen im Kirchenschiff wirken konnten. Große Altarbilder für jede Kirche im Land, in Dörfern und Städten. Das hieß eine gute Auftragslage für Künstler, das hieß aber auch, daß buchstäblich Krethi und Blethi die Namen der Maler kannten, auch diejenigen Kirchenbesucher, die nie ins Museum gehen, die es zudem in der öffentlichen Funktion wie heute noch gar nicht gab, weil Kunst und Kunstbesitz nur der Oberschicht in einer sich gerade erodierenden dreigeteilten Gesellschaft zukam. Kirchen dagegen waren – bis auf die Klosterkirchen – ein Ort für jedermann. Natürlich saßen auch dort in den vorderen Reihen die besser Betuchten, die Honoratioren der Gegend, aber die Kirche war tatsächlich der einzige Ort, den gesellschaftlich in Klassen und Schichten separierten Menschen teilten und wo auch das kleinste Bäuerlein oder die abgearbeitete Mutter von elf Kindern bei der Heiligen Kommunion direkt vor dem Altar standen und im Altarbild die Herrlichkeit Gottes, aber auch die Kraft des Jesus, der die Sünden der Welt auf sich genommen hat, ansehen, anstaunen und als inneres Bild von etwas Höherem, etwas Gutem mit nach Hause nehmen konnten.

Diese lange Einleitung mußte einfach sein, damit wir verstehen und eigentlich auch würdigen, wie sehr die Funktion von Glauben und die Existenz von derart geschmückten Kirchen gemeinsame nationale Angelegenheiten waren und ein Kremserschmidt ein im ganzen Land bekannter Name war. Man nennt nur dann einen Mann so, wenn man ihn unterscheiden und dadurch hervorhen will, hier mindestens einmal gegenüber dem Schmidt aus Wien, dem Wienerschmidt. Und es gibt noch mehr Schmidts. Und weil sein Ruf tatsächlich die Jahrhunderte überdauert hat, sind nun im Jubiläumsjahr hauptsächlich in der Gegend um Krems viele kleine und auch große Ausstellungen zu sehen. Weshalb wir über die im Oberen Belvedere berichten wollen, hat auch damit zu tun, daß diese Ausstellung die Breite seines Schaffens richtig gut dokumentieren kann.

wien DerKremserSchmidtPresse 5Kurator Georg Lechner hatte eine so einfache wie kluge Entscheidung getroffen. Die 63 Gemälde, Skizzen, Zeichnungen, Drucke umfassende Ausstellung hat er in drei Räumen thematisch unterteilt: im ersten Raum gibt es die religiöse Kunst, im mittleren mythologische Darstellungen, im dritten Genreszenen und Porträts. Daß die Altarbilder - bis auf den Hl. Martin, das ehemalige Altarbild der Pfarrkirche von Kirchberg an der Pielach (273 x 145 Zentimeter), von 1772 - hier nicht hängen , die sich entweder noch in den Kirchen befinden oder regionale Museen bestücken, tut einem nicht weh, wenn man die Ölskizzen auf der linken Seite sieht. Ungerecht ist die Welt. Was der Maler einst als Skizze schuf, um überhaupt den Auftrag für ein großes Altarwerk zu erhalten, dahingehaucht mit dem Atem des Schnellen, des Flüchtigen, eine Skizze, die gleichwohl den Eindruck eines großen Altars thematisch und stilistisch wiedergeben konnte, bedeutet dem heutigen Betrachter – eben nicht dem Gläubigen – mehr als „die großen Schinken“. Das gilt nicht für alle und alles, aber diese Skizzen sind wirklich hohe Kunst, ergeben eine anregende Auseinandersetzung, wie Kremserschmidt sein Thema inszeniert, worin sich die Skizzen gleichen, aber auch unterscheiden.

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos:
© belvedere.at

Info:
Die Ausstellung ist gerade eröffnet worden und wird im Oberen Belvedere bis zum 19. Februar 2019 gezeigt.

Katalog zur Ausstellung DER KREMSERSCHMIDT. ZUM 300. GEBURTSTAG, Hrsg. Stella Rollig, Georg Lechner, Belvedere Wien 2018

Gelungen ist neben der eindrucksvollen Ausstellung auch der Katalog, der schon deshalb wichtig ist, weil selbst diejenigen, die den Maler noch kennen, dennoch über Lebens- und Werksumstände wenig wissen, was man hier nachholen kann. Das für mich persönlich Wichtige ist, daß alle gezeigten Werke auf 63 Tafeln auf je einer eigenen Seite in ihrer Farbigkeit abgebildet sind und umfassende Dokumentationen über den Weg des Bildes durch die Zeit besitzen, wie es heute, wo Provenienzforschung fast Alltag in Museen geworden ist, üblich sein sollte.