Ihre Heimat, das Wien Museum, war Hauptleihgeber für „Wien um 1900“ in Australien


von Anna von Stillmark

 

Wien (Weltexpresso) – Über 170 000 Besucher sahen die „Wien um 1900“-Schau in Melbourne, wo erstmals in Australien vom 18. Juni bis zum 9. Oktober in großer Breite das europäische Zentrum von Kunst, Architektur und Kunsthandwerk in Wien ausgestellt wurde. Emilie Flöge, die von Gustav Klimt nicht nur hinreißend als Grande Dame gemalt wurde, war auch seine Lebensgefährtin und  wurde in dem jüngsten Spielfilm KLIMT von Veronica Ferres dargestellt.

Mit „Emilie“ kamen rund 50 Kunstwerke zurück ins Wien Museum, das größter Leihgeber der Ausstellung „Vienna: Art & Design: Klimt, Schiele, Hoffmann, Loos“, die vom 18. Juni bis 9. Oktober des Jahres in der National Gallery of Victoria in Melbourne gezeigt wurde. „Wir freuen uns außerordentlich über den Publikumsansturm, zugleich sind wir natürlich froh, daß wir das Porträt Emilie Flöge ab sofort wieder hier im Wien Museum zeigen können, denn es ist unser Leitobjekt“, so Direktor Wolfgang Kos. Dem muß man hinzufügen, daß weitere herrliche Zeugnisse der Jahrhundertwende und danach aus dem Wien Museum stammen, wie das Bild „Sonnenblumen“ und „Das Zimmer des Künstlers in Neulengbach“ von Egon Schiele sowie das Porträts Arnold Schönbergs von Richard Gerstl, neben Zeichnungen von Klimt, Schiele und Otto Wagner.

 

Auch Gemälde von Carl Moll waren dabei, der wiederum nicht nur Förderer Klimts war, sondern auch als Stiefvater von Alma Mahler-Werfel mit dazugehörte. Und Richard Gerstl hatte die Frau Arnold Schönbergs, Mathilde,  eine Zeitlang für sich gewinnen können und sich umgebracht, als diese zu ihrem Mann und den Kindern zurückkehrte. Das Wien dieser Zeit ist nicht nur ein Schmelztiegel, in dem explosionsartig Kunst, Architektur und Kunsthandwerk in neuem Stil entstehen, sondern auch ein Schmelztiegel der Gefühle. Die Psychoanalyse hat Sigmund Freud in Wien erfunden, nachdem Arthur Schnitzler ihre wissenschaftlichen Ergebnisse schon auf dem Theater zuvor hat spielen lassen.

 

Warum wir erst hatten titeln wollen „Die Wally des Wien Museums ist zurück“, wäre zwar psychologisch wirkungsvoll, denn mit der Rückkehr der „Wally“ von Egon Schiele – ebenfalls Modell und Geliebte des Malers – aus dem Gefängnis in den USA war und ist in Wien ein unglaublicher öffentlicher Freudenakt vollzogen worden, aber die Umstände sind eben doch nicht vergleichbar. Ging es bei „Wally“ um die Folgen der Restitution und dem jahrelangen Festhalten des Bildes, das nach Amerika für eine Ausstellung ausgeliehen war, und einem erneuten Abkauf des Bildes von den Erben durch das Museum Leopold, wo „Wally“ wieder hängt, so ist die Rückkehr von „Emilie“ in dem Sinn eine Meldung wert, weil sie ein Schmuckstück in der sowieso hervorragenden Sammlung des Wien Museum zum Jugendstil und Expressionismus ist. Wien hat mit dem Leopoldmuseum und dem Belvedere sowieso zusätzlich zwei hochrangige „Wien um 1900“ Schauen, denen nur etwas fehlt: die Korrespondenz dieser Bilder in europäischen oder Weltmuseen.

 

Und darum ist diese Meldung wichtig. Endlich nämlich nehmen nicht nur die Wienbesucher, sondern auch die Australier, fern von Wien, zur Kenntnis, welch überragendes künstlerisches Wirken am Ende der Habsburgermonarchie in der Hauptstadt entstanden war. Besucht man europäische Museen, aber auch andere in der Welt, findet man zu dieser Zeit auch noch die unwichtigsten Franzosen, sprich: von den bekannten Impressionisten und Spätimpressionisten, den Pointilisten und Nabis die eher nachrangigen Werke, während die Österreicher fehlen, wie auch meist die deutschen Impressionisten und Expressionisten.

 

Das hat auch politische Gründe, daß nämlich der Erste Weltkrieg zwischen den Mittelmächten und der Entente Kulturvermittlung ausschloß, was der Zweite Weltkrieg fortsetzte. Es gibt aber noch einen anderen Grund. Seit dem Barock war Frankreich die führende Kulturnation geworden. Maßstab für Europa und die Welt. Alle besseren Bürger, Adel und Herrscher, aber auch die seit dem 19, Jahrhundert breiter entstehenden öffentlichen Museen sammelten Franzosen, Wien wurde wenig zur Kenntnis genommen. Wer die prachtvollen Bilder aus Wien kennt, kann das nicht verstehen, es ist aber historisch überkommen und muß deshalb auch immer wieder erklärt werden. Dies geschieht am besten durch solche Ausstellungstourneen der Wiener Schätze durch die Welt.

 

Ein Wort noch zum schönen Bild der Emilie Flöge. Die war nicht nur Modell und Lebensgefährtin von Klimt, sondern eine kreative, selbstbewußte und erfolgreiche Frau im Bereich Mode. Sie war gelernte Schneiderin und führte zusammen mit ihrer Schwester Helene ab 1904  den Salon „Schwestern Flöge“ in der Mariahilfer Straße, wo sie als Modeschöpferin tätig war und die Haute Couture aus Paris und London nach Wien holte. Der Salon wiederum war von Josef Hoffmann, Architekt, hier im Jugendstil entworfen worden. Dort konnte man auch Arbeiten der Wiener Werkstätten erstehen. Im Salon selber hatte sie bis zu 80 Schneiderinnen beschäftigt. Der Erfolg als bester Modesalon der Stadt endete mit Hitlers Einmarsch in Wien, dem Anschluß Österreichs im März 1938.

 

Zuvor allerdings setzte Emilie das Werk fort, daß sie im Beisein Gustav Klimts - der 1918 am Schlaganfall starb, während der 28jährige Egon Schiele 1918 an der Spanischen Grippe endete – angefangen hatte, den Gedanken der Lebensreform auch im Entwerfen und Herstellen neuartiger, bequemer Kleider, den „Reformkleidern“ zu verwirklichen, die Frauenrechtlerinnen forderten, weil sie ohne Korsett lose über den Körper fallend getragen werden konnten. Das alles kann man in Wien in Wien Museum und all den anderen Wiener Museen verfolgen. Und sollte es tun. Denn nirgends sind Wien-Schauen so gehaltvoll wie in Wien!