Wir haben schon viele Ägypten-Ausstellungen gesehen, große kleine, bedeutende und so lehrreiche und liebenswerte wie die gerade abgelaufene im Archäologischen Museum in Frankfurt, in der man endlich durch die Originale und ihre Erklärungen die Funktion des Todes und seine Gegenstände in den Grabkammern des Alten Ägypten so gut verstanden hatte, was man hier in Speyer gut nutzen kann. Die Frankfurter Ausstellung kam aus Florenz, wo das zweitgröße ägyptische Museum Italiens steht, das auch renoviert wird. Turin nun ist das größte und eigentlich ebenfalls das zweitgrößte der Welt, nach Kairo(!) mit 6 500 ausgestellten Objekten und weiteren 26 500 im Magazin. Obwohl es uns juckt, darüber zu schreiben, wie das kommt mit Florenz und Turin, werden wir jetzt flugs die Ausstellung betreten, denn es gibt einfach so viel zu sehen, so daß wir von vorneherein wissen, daß kein Artikel der Qualität und des Einzigartigen des Gezeigten gerecht werden kann. Aber versuchen muß man es trotzdem.

 

Die historische Herleitung ist wichtig. In doppeltem Sinne. Wenn Jean-Francois Champollion gesagt hat: „Der Weg nach Memphis und Theben verläuft durch Turin“, muß man wissen, daß wir es hier mit einem der ersten anerkannten Äyptologen zu tun haben, der u.a. auch den Stein von Rosetta entzifferte, was heißt, daß er die bis dahin rätselhaften Hieroglyphen zu entschlüsseln begann, weil auf diesem Stein drei Texte standen, von denen man bei zweien, in Demotischem Ägyptisch und Griechisch, den gleichen Inhalt erkannte, weshalb man bei den Hieroglyphen auf den identischen Text schloß. So war es. Der Code war geknackt.

 

Napoleon hatte 1798 mit dem Ägyptenfeldzug, einschließlich der 167 Wissenschaftler, begonnen und danach war nichts mehr wie vorher. Das erläutert sinnreich und unter lustvollen Schauen als Prolog der erste Abschnitt: Ägyptomanie und Ägyptologie. Und so erfährt man auch endlich einmal, daß schon der deutsche Philosoph Leibniz dem französischen Sonnenkönig die Inbesitznahme Ägyptens vorgeschlagen hatte, weil es „von allen Ländern der Welt das bestgelegene sei, um die Herrschaft der Meere zu gewinnen.“

 

Aber Napoleon hatte wirklich die Erforschung im Sinn, wurde von den Engländern geschlagen, konnte aber noch den Obelisken aus Luxor auf den Place de la Concorde stellen lassen und den Louvre mit ägyptischen Altertümern füllen und das erste Grundlagenwerk in mehreren Bänden erstellen lassen. Grundlage für das 19. Jahrhundert, als es mit der Ägyptomanie so richtig losgeht. Da ist das Land aber längst Teil des Osmanischen Reichs. Wir sehen die Fotografien, die damals von allen bedeutenden Plätzen gemacht wurden. Das Tal der Könige war längst bekannt, auch wenn die Grabkammer des Tutanchamun noch lange nicht ausgegraben wurden.

 

Das ist eindrucksvoll, die alten Aufnahmen den heutigen Gegebenheiten gegenüberzustellen, und die allerneuesten Bilder haben sich noch nicht herumgesprochen, denn die ägyptische Altertumsverwaltung hatte sich unter Chef – leider abgesetzt – Zahi Hawass für eine Freilegung der historischen Stätten von Parkplätzen und Verkaufsständen entschlossen, die völlig neue Gefühle beim Betrachter erwecken und dem Ort die Würde geben, die die Aufnahmen des 19. Jahrhunderts hier in Speyer ausstrahlen. Allein sich mit der Ägyptomania zu beschäftigen, ist ein reiches Pflaster, wie man hier verbunden mit Tagebüchern und verfaßten Büchern sieht. Eindrucksvoll. Fortsetzung folgt.

 

 

 Bis 2. September 2012

 

Katalog: Ägyptens Schätze entdecken. Meisterwerke aus dem Ägyptischen Museum Turin, hrsg. von Stiftung Historisches Museum der Pfalz Speyer, Prestel Verlag 2012. Der Katalog folgt der Ausstellung in den fünf übergreifenden Kapiteln und bringt auf vielen Seiten ganzseitige Fotos, die so schön sind, daß einem der Atem stockt. Hier meinen wir vor allem „Mächtige, Könige und Königinnen“ mit herrlichen Abbildungen. Das ist oft so, daß auf einem Foto die Inschriften und die Gravuren, die Zeichnungen und Ritzungen besser zu sehen sind als im Original, zumal dann, wenn viele Besucher drumherumstehen, was einen andererseits ja freut.

Die Katalognummern, also die Gegenstände, der in den Abteilungen ausgestellten Stücke und ihre Abbildungen sind mit informativen Texten versehen, die wieder einmal deutlich machen, man sollte einen Katalog vorher studieren und dann die Objekte mit Wissen betrachten, allein der Mensch funktioniert andersherum und interessiert sich so richtig für ein Thema dann, wenn sein Interesse durch das Schauen geweckt ist.

Grundsätzlich gilt, die Gestaltung und Erklärungen im Band lassen sich auch ohne die Ausstellung hervorragend lesen. Man hat auch dann viel davon. Was nicht nur bedeutet, daß dieser Katalog ein sinnvoller Kauf für jeden Interessierten an Alt Ägypten ist,sondern auch, daß man ihn jederzeit für sich als eigenständiges Werk nutzen kann.

Info:

Besuchen Sie auch die Ausstellung: Ägyptens Schätze entdecken. Eine Familiena-Ausstellung des Jungen Museums, die im Kindermuseum im Untergeschoß gezeigt wird. Offiziell heißt es, daß sich die Ausstellung an Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren richtet. Aber Sie können auch mit kleineren Kindern und auch mit Jugendlichen die Ausstellung besuchen. Und Erwachsene haben auch sehr viel davon!

 

Das reichhaltige Begleitprogramm mit Ferienwerkstatt, Workshops und Lesenacht entnehmen Sie bitte der Webseite.

 

Lern-, Spiel- und Bastelmappe: Die Ägypten-Box: In leuchtendem Türkis begrüßt auf dem Umschlag ein junger Ägypter, das Ankzeichen in der Hand, den, der die Mappe aufschlägt.

Ramose heißt er, entdeckt man auf der Innenseite, und liest seine Aufforderung, auf die spannende Zeitreise ins Reich der Pharaonen mitzugehen. In 25 Themen und einem ägyptischen Kalender wird vom Leben im Alten Ägypten über die Bastelbögen zum Ausschneiden der Tempelanlagen und die Schrift dann noch eine Spielanleitung für das Schlangenspiel geboten. Eine wunderbare Zusammenstellung von Wissens-, Handeln- und Spielteilen, die perfekt als Nachbereitung der Ausstellung für die nächsten Wochen dient. Wir haben sie aber zusätzlich auch als Vorbereitung für den Besuch benutzt. 

Dabei haben wir dazugelernt: Kinder stürzen sich auf die Bastelbögen. Vorsicht. Wenn einer daneben schneidet oder gar den Bogen nicht völlig auffaltet, schneidet er die Rückseite falsch aus. Was tun? Mit Tesafilm kleben oder im Shop des Museums die Ausschneidebögen umtauschen können. Das ist bisher nicht vorgesehen, aber unser Tip, diese Bastelbögen in größerer Auflage zu drucken und gegen versehrte umtauschen zu können. Dann kommen die Kinder auch noch häufiger in die Ausstellung!

www.art-of-kara.de

www.aegypten.speyer.de