In Verbindung mit Kupfer- und Holzstich wurden seine Graphiken mit als erste in der Welt verbreitet, wobei er durchsetzte, daß seine Signatur mit auf die Blätter kam, obwohl es ja erst einmal andere waren, die seine Vorlagen stachen. Kein Wunder also, daß der Druckgraphik in der Ausstellung gebührender Raum gilt. Zum Schluß beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn so wie das autonome Kunstwerk als Original seinen Siegeszug spätestens seit der Renaissance antrat, so sehr wird heute die Kopie als Besonderheit goutiert.

 

Das öffnet das Kapitel zum heutigen Umgang mit dem Kopierwesen jeglicher Couleur. Ob Duchamp mit seinen Readymakes und unendlichen Flaschentrocknern, die er zur Kunst macht, obwohl er sie nicht gemacht hat, oder die aktuellen Youtubegeschichten, das alles bringt unseres Erachtens künstlerisch keinen Mehrwert in der Erkenntnis. Heute haben wir, was Kopien angeht, eine einigermaßen schizophrene Situation. Je leichter Kopien von Kunstwerken erzeugt werden können, desto einzigartiger wird das Original. Von einem Kult der Originale zu sprechen, kann man angesichts der Euro- und Dollarbeträge beim Verkauf auf Kunstauktionen durchaus sprechen. Auf der anderen Seite gewinnt die eigenwillige, d.h. verfremdende Wiederholung einen eigenen Stellenwert, wird also, obwohl Kopie, zum neuen Original. Künstlerinnen wie Cindy Sherman oder Elaine Sturtevant und jetzt auch Katharina Gaenssler stehen in dieser Ausstellung dafür. Letztere allein im Katalog.

 

Ein Wort noch zu den ignorierten Ikonen. Am Beispiel der VERA ICON als religiöses Bild des Mittelalters soll in der Ausstellung der Aspekt der Glaubwürdigkeit von nachgemalten Bildern nachvollzogen werden. Der Abdruck des Gesichtes Christi im Tuch der Heiligen Veronika soll dafür stehen. Das ist richtig, aber doch nur die halbe Wahrheit und unter dem Aspekt der Kopie besonders interessant. Unsere Heilige Veronika mit ihrem Abdruck Christi im Schweißtuch, weder in der Bibel noch in der Geschichte als Figur vorhanden, ist eine schlichte ideologische Kopie des ostkirchlichen Mandylions aus dem 9. Jahrhundert. Denn zu Christi Lebzeiten hatte dazumal der kranke König von Edessa seinen Hofmaler gebeten, in Jerusalem das Konterfei des ob seiner Wundertätigkeit gerühmten Christus zu malen, was diesem nicht gelang, weil auf der Leinwand einfach nichts zu sehen war.

 

Da nahm der Legende nach Jesus das Tuch und drückte sein Antlitz hinein. Das Mandylion war geboren, das wundertätig nicht nur den König sofort gesund machte und sein Volk deshalb zu den ersten Christen, sondern das Heiligtum des späteren Byzanz wurde. Als Byzanz und Rom sich voneinander trennten, brauchte auch die westliche Christenheit einen Gottesbeweis per Abdruck. Die Heilige Veronika mit ihrem Schweißtuch war geboren. Dadurch sind auch die unterschiedlichen Versionen der Vera Icon zu erklären: mal mit Dornenkrone (Veronika), mal ohne (Mandylion). Diesen Zusammenhang kennt heute kaum einer mehr und die Maler hat es nicht interessiert. Die malten ihre Dornenkrone oder nicht nach Gusto. Wir aber staunen, wie vielfältig die Beweggründe für Kopien sind und daß in der Geschichte immer wieder die Kopie im Bewußtsein der Menschen zum Original wird. Auch das ist eine Botschaft, die man dieser interessanten Ausstellung entnehmen kann, die sicher nach dem Besuch das Phänomen den Blick ganz neu auf das Nachmachen und Wiederholungen in der Kunst richten wird.

 

Info: Diese Ausstellung wurde als Pilotprojekt für Karlsruhe in Zusammenarbeit von Kunsthalle mit der Hochschule für Gestaltung erarbeitet, „einer führenden Institution bei der Analyse neuester Kultur- und Medienphänomene. Es gibt darüberhinaus eine didaktische Sonderschau COPYSHOP und eine für Familien konzipierte COPYBOX zur praktischen Annäherung an das Thema. Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen beleuchtet die Thematik auch über die Sphäre der bildenden Künste hinaus. Bitte entnehmen Sie diese Informationen der Webseite.

 

bis 5. August 2012

 

Katalog:

Déjà-vu? Die Kunst der Wiederholung von Dürer bis YuTube, hrsg. von Ariane Mensger, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Kerber Verlag 2012. Das Vorwort beginnt mit einer Verleugnung der Geschichte eines bestimmten Bildes. Es geht um die „Darmstädter Madonna“ des Hans Holbein d.J., die hier erst einmal nur den Namen des Basler Bürgermeisters Jacob Meyer von 1525/26 trägt und vom Unternehmer Würth gerade für 55 Millionen Euro aufgekauft wurde. Die Auslassung der Bezeichnung „Darmstädter Madonna“ im Zusammenhang mit dem Verkauf ist bedauerlich, weil in der Folge im Vorwort Pia Müller-Tann gerade dieses Beispiel für den Original-Kopien-Streit im 19. Jahrhundert verdienstvoller Weise anführt, der viel zu wenig bekannt ist, denn damals wurde die Profession der Kunstgeschichte als universitäre Wissenschaft gefestigt, als es diesen gelang, die zuvor als Original geltende Dresdener Madonna des Holbein als Kopie zu ‚entlarven’ und die zuvor als Kopie geltende Darmstädter Madonna zum Original zu erklären, was heute so anerkannt ist, das es Schnee von gestern scheint.

 

Allein aber den Begriff ‚Darmstädter Madonna’ nicht mehr anzuwenden und nur von der Holbeinmadonna oder der des Bürgermeister Meyer zu sprechen, ist der erste Schritt zum Vergessen der ganzen Angelegenheit, die aber für die Kunstgeschichte und jegliche Auseinandersetzung um Originale und Kopien konstitutiv ist. Aber wir hoffen, daß viele dieses Vorwort lesen und den Sachverhalt behalten, denn wie das Vorwort, lohnt der gesamte Katalog, der neben 12 wissenschaftlichen Essays über hundert Katalognummern ausführlich kommentiert.

 

www.kunsthalle-karlsruhe.de