Eigentlich plante Museumsleiter Burkhard Kling schon lange, alle Grimm’schen Märchenbilder der Malerin und Bildhauerin auszustellen. Denn daran arbeitete die Künstlerin bis zu ihrer schweren Krankheit, deshalb blieb die nun präsentierte Märchenserie unvollendet. Zusätzlich werden jedoch allerlei weitere Malereien und Skulpturen Obländers gezeigt.


Bereits beim Eintritt in die Ausstellung wird erkennbar, eigentlich sind fast alle ihre Werke surreale oder traumhafte Märchen. Gleich rechts hängen Bilder, die Männer zeigen, die von Frauen wie Kleinkinder getröstet werden oder auf deren Köpfen Schleimschnecken krabbeln. Gegenüber, neben der Treppe zur weiteren Ausstellung, ist ein Ensemble installiert, dass geradezu programmatisch für die malerische und bildhauerische Arbeit der Malerin ist:


Auf einem Gemälde sind „Gerlinde und Sofia“ zu sehen, zwei hochmütige, kaum die Besucher anblickende Weiber. Wie selbstverständlich verschließen sie mit einem Messer oder einem Dolch ihre Handtaschen. Vor dem Bild hockt links ein Engel, rechts ein Teufel. Die beiden Betonskulpturen scheinen fröhlich darauf zu lauern, was wohl gleich passieren wird. Auf wen warten die Frauen, geht’s jetzt den Männern an den Kragen? Wenn man dann als Besucher (mutig) die Treppe hinaufgeht, trifft man auf weitere coole, von Obländer porträtierte Frauen. Manche halten Tiere im Arm, etwa ein Ferkel oder einen Alligator, und man fragt sich, sind das von ihnen verzauberte Männer?


Erst im dritten Saal sind bekannte und unbekannte Märchenbilder der Brüder Grimm zu sehen, neben denen jeweils eine kurze Beschreibung des Inhalt hängt. Sie wurden im letzten Jahr bereits in Schlüchtern ausgestellt (wir berichteten). In einer Glasvitrine wird ein frühes Bild des Froschkönigs gezeigt, das Obländer nach ihrem Ausstieg aus dem Schuldienst schuf.


Professor Heinz Schilling machte zur Eröffnung durch seine rasante Einführung in die Ausstellung deutlich, die komplexen Bezüge der Grimm’schen Geschichten wurden - „in allerreduziertester Form“ - von der Malerin jeweils in ein einziges Bild gefasst. Die Besucher wies er darauf hin, die Künstlerin bediene sich nicht der bekannten Ikonografie, sondern interessierte sich eher für die leichtfertigen Typen, wie dem tapferen Schneiderlein oder Verliererinnen, wie Aschenputtels Halbschwestern.


Bereits in seiner Begrüßung hatte Kling auf die lange Verbundenheit der Künstlerin mit seinem Museum verwiesen. Im Garten des Grimm-Hauses stehen ja die verlassenen sieben Betonzwerge und warten hier seit vielen Jahren auf die Rückkehr ihrer Traumfrau Schneewittchen.


Begleitet wurde die Vernissage von Eckhard Siebers, der zur Gitarre mehrere passende Lieder sang, auch „...and one day / sadness came...“ („eines Tages kam die Traurigkeit“). Aber diese großartig kuratierte Ausstellung ist keine bittere Erinnerung, sondern eine angemessene humorvolle Hommage an Dorle Obländer. Ganz im Geiste der Künstlerin, die daran sicher ihre Freude gehabt hätte: „Humor ist eine Lebenshaltung, damit schaffe ich es, mich selbst und andere nicht zu ernst zu nehmen“, sagte sie einmal zu uns in einem Gespräch.

 

Weltexpresso hatte häufig über das Werk, auch den Tod von Dorle Obländer geschrieben:

https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/8528-kulturwerk-festival-zuckererbsen-fuer-jedermann-4

https://weltexpresso.de/index.php/musik/8478-nicht-schuechtern-in-schluechtern

https://weltexpresso.de/index.php/buecher/8241-heines-zuckerbsen

https://weltexpresso.de/index.php/kunst2/8126-hommage-an-die-verstorbene-kuenstlerin-dorle-oblaender

https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/6731-ende-februar-starb-die-kuenstlerin-dorle-oblaender-mit-68-jahren

https://weltexpresso.de/index.php/kunst2/5082-kunst-und-natur-2015

https://weltexpresso.de/index.php/kunst2/3232-kunst-in-der-natur

 

Foto: Was wird gleich passieren? Die Installation mit „Gerlinde und Sofia“ (c) Hanswerner Kruse

Info:
„Dorle Obländer - eine kleine Retrospektive“, Grimm-Haus Steinau noch bis zum 28. Mai 2017, täglich geöffnet von 9 bis 17 Uhr. Zur Ausstellung erscheint etwas verspätet Anfang Mai 2017 ein Katalog