Das Erstaunliche dabei: den einen Otto-Dix-Stil gibt es gar nicht. Die morbiden erotischen Gemälde und Graphiken, die man sofort mit seinem Namen verbindet, sind nur ein – allerdings bedeutender – Teil seines Schaffens. Der frühe Dix malte kubistisch, expressionistisch und impressionistisch. Er ging durch alle möglichen Stile, oder die Einflüsse gingen durch ihn hindurch, um schließlich in seinen realistischen Porträts die Vollendung zu finden. Der Augenmensch Dix konnte den Charakter einer Person mit wenigen Strichen treffen, ob als Radierung, Lithographie, Holzschnitt, Bleistiftzeichnung oder – besonders filigran im schonungslosen Selbstbildnis – mit Silberstift. In den beeindruckenden Gemälden schuf er dann Porträts, bei denen einem die Dargestellten geradezu entgegen zu kommen scheinen.

Neben den Porträts bietet die in Themenbereiche gegliederte Ausstellung noch die Heiligen-Bilder, die Akte, seine Stadt-Impressionen, seine provozierenden Kriegsdarstellungen und die Landschaften, die er malte, als er, von den Nazis verbannt, an den Bodensee gezogen war. Dort sind dann Bilder entstanden, die man kaum von ihm vermuten würde. Menschen sind auf ihnen nicht zu sehen. Die Landbevölkerung hat ihn nicht interessiert.

Dix war eben ein Stadtmensch, einer, der die Sensation brauchte – auch im Krieg, den er gleich zweimal im Kampf erlebte. Er musste alles sehen, und er musste eben auch alles zeigen: den Lustmord und, in Friedrichshafen darüber gehängt, eine Geburt. Sein auch noch heute ebenso irritierendes wie faszinierendes graphisches Werk wird man in dieser Fülle nicht so schnell wieder bewundern können. Seine überdrüssig schauende Vanitas, auf Katalog und Ausstellungsplakat werbend, ist mittlerweile allerdings nach Düsseldorf ausgeliehen, wo eine Ausstellung die Gemälde von Dix’ Düsseldorfer Periode (1922 bis 1925) präsentiert. Der Grund für dieses massive Bemühen um den Künstler: am vergangenen 2. Dezember jährte sich sein Geburtstag zum 125. Mal.

Foto: (c) Zeööeon Museum

Info:

Zeppelin Museum Friedrichshafen, Seestr. 22, bis 23. April, tgl. 9–17 Uhr

www.zeppelin-museum.de

 

Katalog mit Texten von Claudia Emmert und Ina Neddermeyer: Hatje Cantz Verlag, Berlin, 196 S., 233 Abb., 19,90 €