Both-Asmus (32) zeigt der Besucherin kleine Fotos seiner Performance „Requiem“, von der er soeben aus Portugal zurückgekehrt ist. Nur mit dem Filmteam und anderen professionellen Helfern hat er die einstündige, präzise geplante Aktion realisiert, in der er Teil des Kunstwerks wurde. „Das war eine unglaublich starke Erfahrung“, erzählt der Performer, „ich war quasi ‚gesandwiched’, unter mir habe ich die Kälte des Atlantiks gespürt, über mir die Hitze des Feuers.“

Monate später, beim zweiten Besuch, zeigt er den Film mit diesem Ritual, das selbst auf dem Notebook eine stark meditative Wirkung hat. Durch die Hitze fallen Blütenblätter herab, nur durch sie und die fast unmerkliche Dämmerung wird vergehende Zeit deutlich. Ständig wird der Blick des Betrachters von dem bewegten Ozean angezogen. Statt im Hintergrund zu rauschen spürt man die ungeheure Kraft und Energie des Meeres. Die schnell durch die Kohlenglut herabfallenden Blumen verweisen poetisch auf die von Menschen geschaffenen Folgen der Erderwärmung.

Dann packt Both-Asmus die großen Bilder der Aktion aus, die heute geliefert wurden. „Proofs“ (Drucke) nennt er die auf verschiedenen Papieren abgezogenen Fotos. Ihn und die beteiligten Medienkünstler treibt die Frage um, wie lässt sich der einmalige magische Moment einer Performance nachvollziehbar machen oder sogar in ein anderes künstlerisches Medium transformieren. Abrupt beendet er das zweite Treffen - sein Hund ist fortgelaufen, er muss ihn jetzt suchen gehen. Der Mann ist ein widersprüchlicher Geist: Teils erfüllt er mit seiner Hinterhof-Loft im Berliner Wedding und seinen Kontakten zur Kunstszene das Klischee eines hippen Bohemiens. Auf der anderen Seite ist er ein aufrichtiger Öko-Aktivist mit großem Respekt vor der Natur, für deren Erhaltung er sich künstlerisch einsetzt: „Ich bin ein Poet“, meint er, „das ist mein Talent.“

Als Kind durfte er im Fernsehen lediglich Natur- und Tiersendungen sehen. Begeistert wurde er in Tagträumen zum Wildhüter oder Kameramann in fernen Landschaften. Das hat ihn einsam gemacht - aber wohl auch kreativ und fantasievoll. „Ich möchte mir heute in und mit der Kunst alle Träume erfüllen, die ich jemals hatte“, erklärt er. An einem Projekt arbeitet er bereits seit vielen Jahren, er will über Bäume gehen, darum nennt er sich The Tree Walker. Bereits während seines Kunststudiums lernte er Baumklettern mit Seilzugangstechnik. In den Wipfeln des Berliner Grunewald inszenierte er sich lebensgefährlich auf meterlangen Bambusstelzen. Doch sein bislang noch nicht realisierter Traum ist ein wirklicher Gang über die extrem dichten Baumkronen im zentralafrikanischen Regenwald: „In ungefähr 60 Metern Höhe, nahe dem Licht, spielt sich dort fast das gesamte Leben ab. Wie riesige Lungen erzeugen die Bäume Sauerstoff und verlangsamen die Erderwärmung.“

Eine Firma unterstützt das Projekt mit einem großen High-Tech-Ballon, der ihn nach präzisen Berechnungen schwerelos machen, also tragen, aber nicht davontreiben wird. Schon vor zwei Jahren wollte er seine Idee in Gabun verwirklichen, aber dann gab es politische Veränderungen. Dadurch platzte der Traum, doch unverdrossen arbeitet er weiter. „Ich will verdeutlichen, dass Menschen erreichen können, was zunächst unmöglich scheint“, meint er.

Im öffentlichen Raum hat der Künstler vor zufälligen Passanten einige Performances gemacht. „Live Performances kommen immer gut an,“ erzählt er, „ich bin nie angepöbelt worden, die Leute waren sind immer sehr aufmerksam.“ Wahrscheinlich überträgt sich seine starke Konzentration und Präsenz auf die zuschauenden Menschen. Gern ist er selbst ein Vorbild für Verlangsamung und Besinnung.

Einerseits sind seine Aktionen extreme Selbsterfahrungen in der Natur, die er anderen Menschen unmittelbar oder mit anderen Medien (Foto, Video) vermitteln will. Der Performer schafft keine „schönen Künste“, sondern immer verweisen seine, zunächst flüchtigen Arbeiten auf ökologische Zusammenhänge. Both-Asmus betreibt keine pädagogische oder öko-aktivistische Propaganda, seine poetischen Inszenierungen und Rituale wollen Fragen aufwerfen, keine Erklärungen liefern. Ihnen wohnt der „unwägbare Rest“ wirklicher Kunst inne, der sich mit dem Verstand nicht völlig ergründen lässt.

Begeistert erzählt er bei der letzten Begegnung, dass er und seine Frau gerade in der Wildnis im Norden Teneriffas eine Wohnhöhle gekauft haben. „Wochenlang sind wir dort gewandert, ich habe Skizzen und Ideen gesammelt. Ein Einsiedler nahm uns bei extrem starken Unwettern in seiner Wohnhöhle auf.“ Der vermittelte später auch den Kauf der nahegelegenen Kaverne. Kilometerweit gibt es keine weiteren Menschen, doch die Gegend ist bei Wanderern vom Festland sehr beliebt. Nun wird er zwischen Teneriffa und Berlin pendeln, doch alle paar Monate besucht der junge Künstler auch seine Oma im Kinzigtal. Ende März stellt er in Tel Aviv aus, auf der Biennale in Venedig unterstützt er einen Kollegen. Doch zum Abschied sagt er dem Besucher, „gerne möchte ich auch mal was in Fulda machen.“


Foto:  Requiem © André Cepeda

Iinfo: Der Künstler und Performance Art

Both-Asmus wuchs in Neuhof auf und machte sein Fachabitur für Gestaltung in Fulda. Eigentlich wollte er Öko-Aktivist werden, doch dann studierte er Kunst in Holland. „Wir waren 14 bis 16 Stunden im Atelier“, erinnert er sich. Dort entdeckte er für sich Performance Art, bei der Künstler selbst zum lebenden Artefakt oder Teil der künstlerischen Arbeit werden, in der sie oft an ihre psychischen und physischen Grenzen gehen. Die Kunstrichtung hatte ihre Blütezeit in den 1970er-Jahren, wird aber mittlerweile von jungen Künstlern gerne wieder aufgegriffen.