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Jedoch des Künstlers begehbarer Aussichtsturm fordert nach dem Besteigen die Besucher auf: „Entspannen und aufs Mittelmeer schauen!“ Das Wasser sieht man zwar nicht, aber der Österreicher verortet so seine Arbeit, sie wird zur Installation: Die Umgebung des Werks ist in dessen Wahrnehmung einbezogen.

Ebenso wie die deutsche Documenta ist die Biennale schon seit Längerem kaum noch eine Schau von Tafelbildern oder Plastiken auf Sockeln. Die dreidimensionalen Artefakte werden „entgrenzt“, wirken nicht nur für sich und können aus unterschiedlichen Materialien, aber auch Licht und Klängen bestehen.

Bei den Dänen kann man in einer schönen Gartenanlage, vor einer riesigen farbenfrohen Tapisserie, verweilen und entspannen. Der israelische Pavillon wirkt und riecht völlig vergammelt, so morbide könnte unsere Welt werden, wenn die Sonne aufhört zu scheinen („Sun Stand Still“). In einer gigantischen alten Fabrik werden bei den Italienern - wie von Dr. Frankenstein - künstliche Menschen aus Kunststoff, Latex und Wachs hergestellt oder recycelt.

Alle diese Installationen sind auf ihre Umgebung bezogen oder beziehen sie mit ein, oft sind sie mit vielen Sinnen erfahrbar. Fast immer kann man sie begehen, dadurch werden die Besucher - wie bei Anne Imhof (Deutscher Pavillon) - Teil des Kunstwerks. Selten erzählen diese Arbeiten Geschichten, eher fordern sie Fantasien und Assoziationen der Betrachter heraus.

Doch trotz der Dominanz dieser raumbezogenen Arbeiten sieht man auch Ensembles von Tafelbildern: Sie können ein Gesamtkunstwerk bilden, wie die riesigen, fast schwarzen Bilder im Silbergelantine-Verfahren aus der Frühzeit der Fotografie. Erst beim längeren Betrachten der Werke Dirk Braeckmans (Belgischer Pavillon) erkennt man schemenhaft Porträts, Gestalten oder Landschaften: So lernt man sehen!

Fotos: Titel: Wurm, dänischer Pavillon und Italien(c) hwk