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Kategorie: Lust und Leben
kl bremenWas die Bremer Stadtmusikanten tatsächlich erzählen wollen

Klaus Jürgen Schmidt

 Nienburg/Weser (Weltexpresso) - Ein fiktionale Bremer Journalist, der lange in Afrika gelebt und gearbeitet hat, trifft einen syrischen Flüchtling, gelernter Bauingenieur, aber als Sicherheitsmann auf einer Bremer Baustelle beschäftigt. Der erinnert sich an diese erste Begegnung:
... Dann hat er mich eines Tages nach Dienstschluss abgeholt von meiner Baustelle und mitgenommen zum Rathaus, zu den Bremer Stadtmusikanten.
Hassan, sagte er, sieh dir die Vier an. Was fällt dir auf?

Da wusste ich noch nichts von dem Märchen. Ich hab‘ mir den Esel angesehen, den Hund, die Katze, den Hahn. Da konnte ich erst‘mal nichts mit anfangen.

Das sind vier Flüchtlinge, hat er gesagt. Alle vier sollten sterben, weil sie schon zu alt waren, um noch ihren Job zu machen. Ihre Besitzer hatten keine Lust, sie noch weiter durchzufüttern. Da sind sie abgehauen. Sie sagten einander: Etwas besseres als den Tod finden wir überall. Kein Mensch weiß, weshalb sie nach Bremen wollten. Sie sind hier auch nie angekommen, sie fanden ein Haus im Wald. Aber da waren Räuber drin. Die haben sie vertrieben. Und weißt du, wie sie das gemacht haben? Guck sie dir an!

Ich hab also wieder geguckt! Und ich sagte, ich bin ja Bauingenieur. Die haben sich jedenfalls richtig gestapelt, andersherum wäre es keine so gute Idee gewesen!

Die haben sich gemeinsam groß gemacht, richtig! Und sie haben verstanden, dass dafür die Starken die Schwächeren tragen müssen. Und noch ‘was: Bei uns gibt es das Sprichwort »wie Katz und Hund sein«, will sagen, dass sich zwei »nicht ausstehen können«. Aber nun guck noch ‘mal hin: Der Hund leiht seinen Rücken der Katze, die Katze ihren dem Hahn. Das ist es, was uns die Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten erzählen will und was hier für alle Welt eigentlich dazugeschrieben gehört: Nicht »buten un binnen – wagen un winnen«, wie es sich da drüben auf der anderen Seite vom Marktplatz die Bremer Handelsleute haben einmeißeln lassen, nein: »BINNEN UN BUTEN – HEIMAT DER GUTEN« vielleicht? Weißt du was? Ich glaube, das Märchen ist gar kein Märchen. Die Pfeffersäcke in dieser Stadt haben nie gemerkt, dass sie sich an der Ecke von ihrem Rathaus ein Symbol hingestellt haben, das zeigt, wie man Räuber vertreiben kann.

Foto:
© Klaus Jürgen Schmidt