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Kategorie: Lust und Leben
sommerbrodtAus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 9. 2

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Christian Sommerbrodt (im Foto) hat in Wiesbaden ein Impfzentrum mit aufgebaut. Nun möchte der Hausarzt auch in seiner Praxis impfen. Im Gespräch mit WELT erklärt er, welche Vorteile er darin sieht.

WELT: Herr Sommerbrodt, ab Mitte April soll in den Hausarztpraxen geimpft werden. Ist der Zeitpunkt realistisch?

Sommerbrodt: Die Hausärzte stehen schon längst bereit und warten nur noch auf grünes Licht – und die Patienten auch. Bei mir in meiner Praxis und bei einigen Kollegen sehe ich, dass Patienten einem Impfzentrum als großem anonymen Apparat weniger vertrauen als uns Hausärzten. Sie sagen ganz offen, dass sie darauf warten, dass sie bei uns geimpft werden können.


WELT: Wie erklären Sie sich diese Skepsis?

Sommerbrodt: Ich verstehe das gar nicht als allgemeine Skepsis. Das hat viel eher damit zu tun, dass Hausärzte ihre Patienten und auch die medizinischen Vorgeschichten kennen. Für die Impfzentren sind die Patienten alle neu. Sie händeln das mehrheitlich sehr gut – aber die Ressourcen, die dort aufgefressen werden, stehen in keinem Verhältnis zu den Möglichkeiten, die wir in den Hausarztpraxen haben.


WELT: Wie meinen Sie das? Welche Vorteile haben denn Impfungen beim Hausarzt?

Sommerbrodt: Da ist der zeitliche Vorteil beziehungsweise die Geschwindigkeit. Mit den Hausärzten ginge alles schneller. Nur als Beispiel: Wir haben 28 Impfzentren in Hessen und rund 3.500 Hausärzte. Die Impfzentren schaffen in etwa 28.000 Impfungen pro Tag, also ungefähr Tausend Impfungen pro Zentrum. Wenn jetzt jeder von den 3.500 Hausärzten zum Beispiel ein Mehrdosenbehältnis von AstraZeneca bekommt, in dem zehn Impfungen sind, dann sind es am Ende 7.000 Impfungen mehr als die Impfzentren es schaffen. Zudem ist es so, dass einige Patienten komplexe Vorgeschichten haben und es im Impfzentrum ein hoher logistischer Aufwand ist, um sicherzustellen, dass alles erfasst wird. Dort müssen viele Fragebögen ausgedruckt werden und die Patienten sind unsicher, wie sie diese ausfüllen sollen. Viele kommen in die Hausarzt-Praxen, um sich zu informieren. Hausärzte machen jetzt schon einen großen Teil der Impf-Beratung aus – da könnten sie auch gleich impfen.


WELT: Aus Ihrer Sicht stünden die Ärzte schon bereit. Ist ein Impfstart im April also zu spät?

Sommerbrodt: Jeder Tag, der zusätzlich vergeht, ist zu spät. Wir Hausärzte hätten schon viel früher eingebunden werden können. Uns würde es nun helfen, wenn wir eine Art „Übungsphase" bekämen. Die Impfzentren hatten vier Wochen Zeit zum Üben, wenn man das so nennen kann. Viele haben am 27. Dezember angefangen und sehr kontrolliert erst einmal bestimmte Patientengruppen geimpft, mit denen es verhältnismäßig sehr leicht ist. Also Krankenhauspersonal oder Personen aus dem Rettungsdienst, bei denen ein großes Verständnis für die Abläufe vorhanden ist. Diese Übungsphase bräuchten wir auch, um uns heranzutasten.


WELT: Wenn man die Debatte verfolgt, entsteht ein wenig der Eindruck, dass es Impfzentrum gegen Hausärzte heißt. Sehen Sie das ähnlich?

Sommerbrodt: Ich sehe es als eine gemeinschaftliche Aufgabe. Es ist sehr gut, dass Impfzentren da sind, aber man sollte die Hausärzte mit dazu holen. Zusammen sind wir schneller, und das ist es was zählt.


WELT: Nun wurde der Impfstoff von AstraZeneca pausiert. Wie sehr wirft Sie dieser Impfstopp zurück?

Sommerbrodt: In erster Linie hatte das zur Folge, dass einige Termine in den Impfzentren abgesagt werden mussten. Das war gottseidank nur für wenige Tage. Aber das Vertrauen in den Impfstoff muss nun erst einmal wieder hergestellt werden. Das ist der wirkliche Zeitverlust. Wir sollten aber auch über die Impf-Priorisierung nachdenken. Es war richtig zu priorisieren. Wir sehen momentan aber eine hohe Infektionswelle bei den Unter-60-Jährigen. Sobald im Ansatz erkennbar ist, dass genug Impfstoff da ist, sollten wir den auch verimpfen können.




DER GERSEMANN DER WOCHE

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Seit dem zweiten April war die Corona-Inzidenz in den USA immer höher als in Deutschland – zeitweise, im Hochsommer, sogar um den Faktor 40. Inzwischen sind die Fallzahlen in Amerika deutlich rückläufig, auch wegen des schnellen Fortschritts beim Impfen. Nun ist es nur noch eine Frage von Tagen, ehe das amerikanische Inzidenzniveau unter das deutsche fällt.



Bildschirmfoto 2021 03 20 um 01.56.47DER BLICK AUF DIE ANDEREN

Quelle: THOMAS COEX / POOL / AFP

Frankreich geht zurück in den Lockdown – und rückt damit vom bisherigen Lockerungskurs ab. In 16 Départements, darunter Paris, gelten nun für vier Wochen wieder strengere Regeln. „Die Situation verschlimmert sich, und es ist nun unsere Verantwortung, dass sie uns nicht aus der Hand gleitet“, erklärte Frankreichs Premierminister Jean Castex (im Foto links). Am Donnerstag registrierten die französischen Behörden rund 35.000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Die 7-Tage-Inzidenz lag landesweit bei über 400.

Nun dürfen in den 16 Lockdown-Regionen nur noch die Geschäfte öffnen, die für die Versorgung der Menschen wichtig sind – und Buchläden. Die Schulen bleiben weiterhin offen, für Oberstufen-Schüler gibt es Einschränkungen. Anders als in früheren Lockdowns dürfen sich die Menschen aber solange draußen aufhalten, wie sie möchten. Vorher war der Aufenthalt im Freien nur maximal für eine Stunde erlaubt.

„Der Lockdown mag regional begrenzt sein, mit rund 20 Millionen Menschen betrifft er allerdings ein knappes Drittel der Bevölkerung", schreibt unsere WELT-Korrespondentin Martina Meister aus Paris auf welt.de. „Ausbremsen, aber nicht einsperren“, laute die Maxime der Regierung. Denn: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte schon im Vorfeld angekündigt, den Lockdown „neu erfinden“ zu wollen – weil es mehr „Akzeptabilität“ brauche. Und er wolle auf keinen Fall eine „Diktatur der Wissenschaftler und Mediziner“ und soll sich geschworen haben, „die Franzosen nie wieder einzusperren."

Jean Castex appellierte zudem an die Franzosen, sich schnell zu impfen. Er machte es auch prompt vor und ließ sich selbst am Freitag (siehe Foto) das Vakzin von AstraZeneca spritzen. Die französische  Gesundheitsbehörde hat den Impfstoff wieder erlaubt – allerdings nur für Über-55-Jährige. Für Castex passte das – er ist 55 Jahre alt.


handeDER LICHTBLICK

Quelle: Sebastian Gollnow/dpa

Eine Schwangere, die sich gegen das Coronavirus impfen lässt, könnte ihre Immunität gleich auf das ungeborene Kind übertragen. So wären Neugeborene, zumindest für eine Weile, gegen das Virus geschützt. Das haben ein Ärzte-Team aus Florida und Forscher der Atlantic University nun herausgefunden. In Florida hatte eine Frau ein kleines Mädchen auf die Welt gebracht, das direkt nach der Geburt Corona-Antikörper im Blut aufwies. Der Grund, so die Forscher: Die Mutter wurde rund drei Wochen vor der Geburt mit dem Vakzin von Moderna geimpft. In wissenschaftlichen Studien soll nun herausgefunden werden, ob es einen idealen Zeitpunkt für Schwangere gibt, um sich impfen zu lassen.


Fotos:
Titel: ©Carolina Ramirez/KVH
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