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Kategorie: Lust und Leben
wpo Ruinenbaumeister 1Im Gespräch mit dem "Ruinenbaumeister" 

Hanswerner Kruse

Ramholz / Schlüchtern (weltexspresso) - Der Maler, Bildhauer und Museumsgestalter Rolf Palm (75) lebt im Schatten von Schloss Ramholz, das derzeit von seinem chinesischen Besitzer renoviert wird. Der neue Nachbar passt gut zum kreativen „Ruinenbaumeister“ Palm, der in den letzten 30 Jahren für fast 200 Museen arbeitete.

Begeistert beginnt er seine Erzählungen mit der Erschaffung des gläsernen Neandertalers im Chemnitzer Museum. Eine lebensgroße Figur sollte die, vom Homo Sapiens abweichenden Knochen und Gelenke auf Knopfdruck mit Lichtern sichtbar machen. „Neun Monate hat es gedauert, bis unser Neandertaler-Baby zur Welt kam“, meint er verschmitzt. Denn natürlich gab es für diese Aufgabe keine Vorlagen. Palm und seine Kollegen besorgten sich digitale Muster der besonderen Knochen, beauftragten einen 3-D-Drucker und sägten die künstlich hergestellten Gebeine auf, um darin Lichter zu befestigen. Am Ende wurde das Skelett mit einer durchsichtigen Plastikhülle überzogen, das nun einen gläsernen Neandertaler suggeriert.

So wie bei dieser Aufgabe mussten Palm und seine Kollegen in ihrer Firma arc-tech meist die Anforderungen der Museen selbständig lösen. Es ging nicht nur darum, dass sie mit Steinbeilen Einbäume anfertigten oder Grabungszelte mit künstlichen Ruinen für Schüler erbauten, sondern oft gab es für ihre Aufträge keine Lösungswege. Die entwickelten sie abends beim Wein und durch aufwendige praktische Tüfteleien. Als Team waren die drei Erfinder unschlagbar, brachten ihre diversen handwerklichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten ein, um die gestellten Aufgaben zu lösen. Auf seinem Mac zeigt Palm dem Besucher eine Fotoauswahl der „unzähligen Projekte.“ Er freut sich über gesuchte oder zufällig wiederentdeckte Unternehmen - und bekennt, „das waren immer Highlights.“

wpo Ruinenbaumeister 3Die Fülle der von arc-tech realisierten Projekte war riesig und ging kreuz und quer durch alle Zeiten: Vom öffentlichen Guss von Waffen aus der Bronzezeit, über den Nachbau römischer Wachttürme bis zur Neuerrichtung des Eingangs mit Kassenhäuschen vom alten Eintracht-Stadion. „Lange Zeit waren wir besonders Spezialisten für die Steinzeit“, erinnert sich Palm, „mindestens zwanzigmal haben wir Ötzis Ausrüstung nachgeschaffen und sogar bis nach Südkorea exportiert. Für ein Video fertigten sie die Klamotten von Steinzeitlern. „Aber als die professionellen Darsteller mit dem Feuermachen und Höhlenkrabbeln nicht klarkamen, übernahmen wir auch das Schauspielern.“

Ursprünglich hatte Palm Dekorateur gelernt, später renovierte er Wohnungen, fertigte jedoch gleichzeitig immer surrealistische Zeichnungen und Bilder. Ein Freund ermunterte ihn zum  Kunststudium, was er („eigentlich ihm zuliebe“) an der Offenbacher Werkkunstschule und am Frankfurter Städel absolvierte.

Danach lebte er „sehr gut vom Instrumentenbau“, verkaufte beispielsweise Drehleiern für 2000 Mark. Später lernte er das Töpfern, weil seine Freundin mit ihrer Drehscheibe nicht klar kam. Während seiner Mitarbeit in einer Keramikwerkstatt entdeckten Palms Kollegen dessen künstlerische Ausdruckskraft. Immer wieder knetete er aus frischem Ton skurrile Figuren, die er einfach wegwarf - bis seine Kollegen die Miniskulpturen retteten und brannten. In den 1990erJahren entwickelte er sich zu einem erfolgreichen Bildhauer in der Kunstszene und verdiente mit seinen futuristischen Plastiken viel Geld.

Doch das dekadente Getue in der Kunstszene nervte ihn und nach der Begegnung mit der brünstigen Frau eines Sammlers, hatte er die Nase voll: Die bedrängte ihn, ob er sie nicht mal nackt porträtieren wolle. Doch er lehnte dankbar ab: „Ich arbeite prinzipiell nicht nackt“, womit der  betuchte Sammler „gestorben“ war

„Bescheiden legte ich vor dem Kunstberg ab, was ich bis dahin gemacht hatte.“ Zehn Jahre lang arbeitete er dann zufrieden alleine oder mit wechselnden Kollegen im Museumsbereich. Dann gründete er mit zwei Kollegen arc-tech, aus der er vor kurzem aus Altersgründen austrat. Und doch immer mal wieder mitarbeitet...

Experimentelle Archäologie
Als Palm mit seinen Kollegen mit selbst geschaffenen Steinwerkzeugen aus Holz einen Einbaum schlug oder mit primitiven Mitteln Waffen aus Bronze goss, konnte man diese Arbeitsweise der Experimentellen Archäologie zuordnen. Als wissenschaftliches Spezialgebiet geht es diesem Zweig der Vor- und Urgeschichtskunde jedoch um einen streng definierten und dokumentierten Erkenntnisgewinn. Aber der kreative Erfinder versuchte mit seinem Team dadurch vor allem historische Arbeitsprozesse zu verstehen und - im museumspädagogischen Sinne - zu vermitteln.

Fotos:
© Rolf Palm
Rolf Palm in diesen Tagen beim Gestalten von Vitrinen im Schottener Museum (oben) und als als Steinzeitmensch