br.devkrjsAus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 15. 1

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - „Genießen Sie die Feiertage, genießen wir gemeinsam die Feiertage, aber bleiben wir dabei vorsichtig“, mit diesen Worten bat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Berlin um mehr Ausdauer bei den Öffnungsschritten. „Unsere Ungeduld darf am Ende nicht zu Übermut führen."

Wohl um nicht vermeintlich übermütig zu wirken – und aufgrund von scharfer Kritik unter anderem aus der Hauptstadt – wird in Niedersachsen nun doch nicht die Maskenpflicht im Einzelhandel aufgehoben. Nach bisherigen Plänen aus Hannover sollte diese eigentlich wegfallen, wenn die Inzidenz in einer Region stabil unter 35 liegt – was in vielen Gemeinden in Niedersachsen der Fall ist. „Es wird keine Aufhebung ... geben", stellte die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) auf Twitter klar.

Bundesweit kommt die – und ist damit weiter im Sinkflug. 15 der 16 Bundesländer weisen einen Wert von unter 100 auf. In Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg liegt die Inzidenz sogar unter 50. Mit einem Wert von 106,4 ist Thüringen das einzige Bundesland über der 100er-Inzidenz, ab der die „Bundes-Notbremse" greift.

Bildschirmfoto 2021 05 24 um 00.40.50Mittlerweile haben 10,9 Millionen Menschen in Deutschland einen vollständigen Corona-Impfschutz erhalten, verkündete Spahn zudem. Und: Etwa 39 Prozent hätten ihre erste Impfung bekommen.


DAS GESPRÄCH DER WOCHE



maskeJohann Jakob Maske (im Foto) ist Kinderarzt in Berlin und Landessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Im Interview mit WELT erklärt er, warum er eine Corona-Impfpflicht für die Jüngeren ablehnt  – und Kitas und Schulen auch ohne eine solche schnell öffnen sollten.

WELT: In der kommenden Woche soll auf dem Impfgipfel über Corona-Impfungen für Jüngere beraten werden. Welche Erwartungen haben Sie?

Maske: Die Politiker sollten die Sicht der Kinder und Jugendlichen einnehmen. Wir als Kinder- und Jugendärzte plädieren sehr stark dafür, dass die Jüngeren ohne Verbindung zu den Impfungen zur Normalität zurückkehren können. Das heißt, dass Kinder und Jugendliche ihre Rechte ohne etwaige Corona-Impfpflicht wieder wahrnehmen können sollten. Es gab ausreichend Zeit, um Vorkehrungen in Kitas und Schulen zu treffen. Die Lehrer sind geimpft, Erzieher sind geimpft, das Umfeld ist geimpft – und daher sollten Kinder ohne Impfung zurück in ihr Alltagsleben dürfen.


WELT: Welche Gründe sprechen dafür, die Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche von der Öffnungsstrategie zu entkoppeln?

Maske: Die Jüngeren verzichten schon länger als ein Jahr auf ihre Rechte und ihre Freiheit. In Deutschland wurden Kitas und Schulen geschlossen, dann wurden verpflichtende Tests für sie eingeführt. Kinder und Jugendliche haben schon sehr viel geleistet, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Sie haben für uns Ältere zurückgesteckt, nicht für sich selbst. Sie sind von einer Erkrankung nur sehr selten betroffen und haben kaum schwere Krankheitsverläufe. Jetzt ist es an der Zeit, ihnen ihre Freiheit zurückzugeben.


WELT: Stichwort Zeit – spielt die Dauer der Zulassung eine Rolle bei Ihrem Standpunkt? Bisher ist ja lediglich die Zulassung eines Impfstoffs für 12-15-Jährige beantragt, aber noch nicht für Kinder.

Maske: Vielleicht wird es bald eine Zulassung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für den Impfstoff der Über-12-Jährigen geben. Die 6- bis 11-Jährigen werden eine andere Dosis brauchen. Nach der Zulassung müssen wir aber noch auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) warten, bevor überhaupt geimpft werden kann. Für Kinder mit chronischen Erkrankungen wird es vermutlich eine schnellere Stiko-Empfehlung geben, bei den anderen wird es noch eine Weile dauern, bis genügend Daten vorliegen.


WELT: Sehen Sie bei Corona-Impfungen besondere Risikofaktoren bei bzw. für Kinder?

Maske: Die Erwachsenen sowie Jugendliche ab 16 vertragen die Impfungen relativ gut. Natürlich sehen wir kleinere Reaktionen, die sich über zwei bis drei Tage ziehen können. Bei Kindern erwarten viele, dass es ähnlich sein wird. Aber Kinder sind nun mal keine kleinen Erwachsenen. Wir müssen die Risiko-Nutzen-Abwägung viel genauer machen.


WELT: Gerade, weil Kinder viel zurückstecken mussten: Welche Folgen machen sich bereits bemerkbar?

Maske: Die sogenannten sekundären Schäden der Pandemie sind immens. Wir bemerken sehr starke Gewichtszunahmen bei Kindern und das in einem Ausmaß, wie wir es so bisher nicht kannten. Es ist wichtig, dass die Kinder wieder Sport treiben können, sei es in der Schule oder im Vereinssport. Dann sind da noch die psychiatrischen Erkrankungen, also Angststörungen, Depressionen oder Essstörungen. Zudem sehen wir auch eine steigende Spielsucht, weil die Kinder viel mehr Zeit vor den Bildschirmen verbracht haben als vor der Pandemie. Und die Schere zwischen sozioökonomisch gut und schlecht gestellten Kindern geht weiter auseinander.

Fortsetzung folgt

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Titel ©br.de
Text: Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT