Abschießen von Problem-Wölfen? ... oder von indischen Wildschützern lernen?

Klaus Jürgen Schmidt        

Norddeutschland (Weltexpresso) – In Niedersachsen ist das bei Jägern und zuständigen Politikern eher keine Frage mehr. Mehrfach gab es schon freie Hand zur Tötung eines Wolfes, der sich nicht an die Vorschrift hielt, seinen Hunger nicht mit Nutztieren zu stillen. Dabei wurde in Kauf genommen, schon mal den falschen Wolf zu töten.

Im Emsland haben Jäger nun Schilder mit Warnungen vor Wölfen an Bäume genagelt. Wolfsberater ärgert das. Menschlichen Waldbesuchern raten sie, bei einer Begegnung mit einem Wolf auf keinen Fall wegzurennen. Ruhig bleiben, langsam rückwärts gehen. Und das Meinungsforschungsinstitut FORSA fand 2015 im Auftrag von NABU, also des Naturschutzbundes, heraus, dass der Wolf so schlechte Karten nicht hat. Die „taz“ berichtete kürzlich:

„51 Prozent der befragten Niedersachsen bezeichneten ihre persönlichen Gefühle und Empfindungen gegenüber Wölfen als positiv oder eher positiv. 80 Prozent fanden, 'Wölfe gehören in unsere Landschaft, wie Füchse, Rehe oder Biber'. Allerdings gaben 30 Prozent an, sie hätten in einem Gebiet mit Wolfsvorkommen Angst, in den Wald zu gehen.“

Begründet ist Angst bei Bauern-Familien im indischen Bundesstaat Gujarat. Vor wenigen Tagen wurde dort nachts ein zweijähriges Mädchen aus der Hütte der Eltern von einem Leoparden 500 Meter in ein Feld geschleppt und fast ganz aufgefressen.

Wie in Niedersachsen die Wölfe – sind in Gujarat die Leoparden geschützt. Sie sind vom Aussterben bedroht, und Ranger der Nationalparkverwaltung geben sich große Mühe, Menschen in ihren umliegenden Dörfern und auf ihren Feldern zu schützen.

In einer 3sat-Dokumentation war kürzlich zu sehen, dass mehr und mehr dieser einfachen Menschen begriffen haben, wie sich das Zusammenleben mit den Leoparden und einen Schutz für sich selbst organisieren lässt.

Da geht es nicht um das „Wie du mir so ich dir“, also um das Abschießen eines gefährlich gewordenen Raubtieres, sondern um die Anerkennung der Tatsache, dass der Mensch es ist, der ihnen den Lebensraum nimmt.

3sat-Zuschauern wurde die Kooperation von Bauern und Wildschützern an einem praktischen Beispiel gezeigt: Ein von Dörflern als Problem-Leopard erkanntes Tier wurde von Rangern in einer durchaus aufwendigen Operation schließlich in eine Lebend-Falle gelockt, um dann in einem Käfig weit weg geschafft zu werden, in ein anderes, aber ebenso kontrolliertes Revier.

Da wurde nicht, wie in Niedersachsen, einem professionellen Jäger die amtliche Lizenz zum Töten eines Problem-Tieres erteilt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der Schutzorganisation für Wildtiere in Gujarat nach der Leoparden-Atacke auf zwei Bäuerinnen vor wenigen Tagen. Im „Indian Express“ war zu lesen:

"We have placed four trap cages at the place to rescue the leopard with no success so far," said Anshuman Sharma, director of the wildlife division.

Vier Käfig-Fallen seien aufgestellt worden, um „den Leoparden zu retten, bisher ohne Erfolg.“

Anshuman Sharma, Direktor der zuständigen indischen Wildtier-Schutz-Abteilung sprach
von „Retten“, nicht von „Töten“!