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Kategorie: Lust und Leben
Max Wolf 2723...Kontakte mit jüdischen Nachfahren

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - In der letzten Woche besuchten Dr. Max Wolf d.J. aus Paris und seine Cousine Cristine Francis aus Kanada die Bergwinkelstadt. Sie wollten die Schule kennenzulernen, die den Namen ihres gemeinsamen Großvaters trägt. 


Max Wolf d.Ä. war der Gründer der Dreiturm-Werke in Schlüchtern/Steinau und wurde bereits früh von den Nazis aufgrund seines sozialen Engagements und seiner politischen Ansichten verfolgt - nicht wegen des mosaischen Glaubens, denn er war Atheist.

Im letzten Jahr wurden für die Mitglieder der Familie Wolf Stolpersteine in der Fuldaer Straße verlegt und eine der Bergwinkelschulen, die Fördereinrichtung, erhielt in diesem Frühjahr seinen Namen. Der Besuch begann mit einem, gleichsam privaten Frühstück bei Leuten der „Stumbling Stones“, an der auch Margret Kaul teilnahm, die ehemalige Sekretärin und Vertraute der Familie Wolf. Wolf d.J. berichtete von seinen Kindern, also den Urenkeln, die zu seiner Freude sehr daran interessiert seien, die deutsche Staatsbürgerschaft (wieder) zu erlangen. 

„Oh, this is my mother“, rief Francis in der Max-Wolf-Schule und deutete auf eine große Tafel, auf der Infos und alte Fotos auf den Namensgeber verweisen. Nach einem kurzen Imbiss führte Schulleiter Steffen Krüger mit einigen Kollegen den Besuch durch die Schulräume und erläuterte das Konzept der Förderschule. Es richtet sich an Kinder und Jugendliche, die viel Zeit zum Lernen und dafür lebenspraktische Beispiele brauchen. Deshalb lernen sie beim Kochen, Backen oder Fahrradreparieren auch Rechnen, Lesen oder Schreiben. Dabei erwerben sie ebenfalls soziale Kompetenzen wie Ausdauer oder Kooperation mit anderen.

„Oh, I‘m very impressed“, freute sich Max Wolf d.J. und begeisterte sich für das pädagogische Konzept, das ja gut zu seinem sozialen Großvater passe. Aber ebenso gefielen ihm die vielen, mit künstlerischen Mitteln gefertigten Gemälden, Skulpturen und Collagen. Gemeinsam mit Cousine und Schulleiter posierte er für ein Foto vor einem farbenfrohen Relief und war erstaunlich humorvoll: „Oh, it’s funny“, amüsierte er sich, weil einige Mülltonnen unter dem Schild Max-Wolf-Schule standen (allerdings nur kurzzeitig und am Nebeneingang). Oder als er in die Waschküche der Schule kam, holte er aus seiner Aktentasche von ihm entwickelte Waschseife in Papierform, die er dem Schulleiter übergab: Schließlich sei er Seifenfabrikant.

Zum Abschied überreichte er aber noch einen „echten“ Spendenumschlag und bedankte sich für die Namensgebung, die auf Anregung der Lehrerin Inga Heß zustande kam. Hierher zu kommen sei für ihn keine Pflicht, sondern eine echte Freude. Er hoffe darauf, weiter mit den Menschen in der Stadt und der Schule in Verbindung zu bleiben. Anschließend fuhr er mit seiner Begleitung zu den Dreiturm-Werken nach Steinau, mit dessen neuem Besitzer er sich sehr verbunden fühlt und gemeinsame Produkte entwickeln möchte.

Durch die Stolpersteine werden symbolisch durch Nazis vertriebene oder ermordete Menschen an ihren letzten freiwilligen Wohnort zurückgebracht und zusammengeführt. Die Erinnerungsplatten werden nicht nur für jüdische Mitmenschen, sondern auch für Verfolgte aufgrund anderer Gründe verlegt: Etwa wegen ihrer psychischen Verfassung, politischen oder sexuellen Orientierung. Die Verlegungen der Stolpersteine sind keine einmaligen Rituale, sondern durch die Beteiligung der Nachfahren entwickeln sich auch deren Beziehungen zu Schlüchtern: Die Ahnen der Erniedrigten kehren zurück. Es ist immer wieder berührend und hoffnungsvoll, wie offen die Enkel der Opfer den heutigen Enkeln der Täter oder Mitläufer begegnen!

Max Wolf 2816

Fotos:
© Hanswerner Kruse
Oben: Inga Heß im Gespräch mit Max Wolf d.J.
Unten: Max Wolf d.J. mit seiner Cousine Cristine Francis und Schulleiter Steffen Krüger in der Max-Wolf-Förderschule

Info:
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