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Kategorie: Lust und Leben

Großartiger Abend im Hamburger Ernst Deutsch Theater: „Das Boot“

 

Helmut Marrat

 

Hamburg (Weltexpresso) - Es ist gar nicht leicht, eine Romanvorlage, von der es auch noch einen oscarnominierten Film gibt, auf die Bühne zu bringen. So war die Skepsis gepaart mit Neugier. Was würden sich die Regie und die Schauspieler einfallen lassen?

 

Umso größer die Überraschung. Denn die Bühnenbildnerin Eva Humburg hat ein erstklassiges Bühnenbild geschaffen, von atmosphärischer Dichte. Zweistöckig das Gerüst. Oben ein Ausguck. Unten rechts die Mannschaftsbetten, und daneben eine schwere Tür, hinter der die Toilette liegt. Unten links schließlich die Offiziersmesse. Zwischendrin Leiter und ein Schott, das aussieht wie ein Schwungreifen im Zirkus. Die drangvolle Enge ist dauerhaft spürbar. Den Hintergrund bildet eine Videowand. Dort sind wiederholt Wellen, ja, Wassermaßen zu sehen. So gelingt auf einfache, aber bestechende Weise zu zeigen, wie ein U-Boot seine Höhe und Tiefe verändert.

 

Sehr gekonnte Geräusche von Ernst Bechert sorgen effektvoll für das Nacherleben, was es schließlich ist: Nämlich der Kampfeinsatz im Krieg gegen einen stärker werdenden Feind.

 

Das ist sicher nicht ganz ohne Risiko: Man möchte zweifelsfrei kein verherrlichendes Weihespiel darbieten. Was also tun? Zunächst kam man auf die Idee, einzelne Darsteller ihren teils multikulturellen Lebenslauf erzählen zu lassen. Der Erzähler etwa ist väterlicherseits Äthiopier; und er gibt den Hinweis, dass man ihn in jener Wehrmacht wohl nicht „besetzt“ hätte.

 

Eine vorzügliche Idee ist es auch, die Männer wiederholt singen zu lassen. Nun mag man bezweifeln, dass man in kriegerischer Auseinandersetzung mit England ausgerechnet auch mal einen englischen Shanty angestimmt hätte, doch man hütet sich davor, allzu historisch sein zu wollen. Und es ist auch gar nicht entscheidend. Erstaunlicherweise überträgt sich auch so eine große Menge an Emotionen, denen die Menschen in einer solchen Notsituation ausgeliefert waren. Nicht sehr originell, aber auch hier genau richtig, das mehrmals als chorischer Gesang angestimmte „S´ist Krieg“ - Gedicht von Matthias Claudius.

 

Sabine Birker hat sehr gelungene Kostüme geliefert. Sie sind deshalb so gut, weil sie nicht eng historisierend sind, aber stimmig erscheinen. Und sie lassen sich gut nutzen.

 

Dreizehn Schauspieler spielen allesamt mit großer Spielfreude. Patrick Abozen ist der Erzähler, dem man gerne zuhört. Erik Schäffler gibt dem Kommandanten des U-Boots, Kaleu, was eine Abkürzung für Kapitänleutnant ist, genau die richtige Strenge und Kraft. Aber auch die zweifelnden Momente, die im Laufe des Krieges zunehmen werden. Eine große Leistung! Mario Ramos ist ein vorzüglicher Schiffsingenieur. Bei diesem Darsteller stimmt fast jeder Satz. - Und nun muss ich wenigstens alle übrigen Schauspieler namentlich nennen. Denn sie haben alle kleine, stimmige Spielmomente erarbeitet und ergänzen sich sehr gut gegenseitig: Leenert Schrader. Lennart Matthiesen, Oliver Warsitz, Matthias Graw, Daniel Schütter, Andryi Kutsyi, Bruno Bachem, Jaque Freyber, Anton Faber und Maurice Lenski.

 

Der Regisseur ist Hartmut Uhlemann. Es ist nicht seine erste Arbeit, die ich sehe. Aber die mit Abstand beste!

 

Am Ende schließt der Eiserne Vorhang. Sinnvoll. Kraftvoll. Und darauf noch ein Text. Die ganze Absurdität des Krieges: Die sich auf die Heimat freuende Mannschaft fährt den französischen Hafen La Rochelle an. Und fällt dort einem englischen Fliegerangriff zum Opfer.

 

foto: Wolfgang Mielke

 

 

 

Info:

 

Das Boot“ läuft noch bis zum 17. April. Wenn nicht alles täuscht, wird es ein Renner. Die Premiere wurde jedenfalls vom Publikum gefeiert. Zu recht.

Die Romanvorlage von 1973 stammt von Lothar-Günther Buchheim. Den Film drehte Wolfgang Petersen 1981. Er kostete 32 Millionen DM. Der Dreh dauerte länger als ein Jahr.