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Kategorie: Lust und Leben

Der letzte noch lebende Häftling nahm am 72. Jahrestag in TREBLINKA teil

 

Katharina Klein

 

Berlin (Weltexpresso) – Am Sonntag jährte sich der Aufstand der Häftlinge im Vernichtungslager TREBLINKA zum 72. Mal. Stimmt, daß wir oft mit der Thematisierung von Auschwitz gleich alle anderen Konzentrationslager, die man wirklich besser Vernichtungslager oder Mordlager nennen sollte, mitmeinen.

 

Der 2. August allerdings ist ein Tag, an dem man in TREBLINKA jährlich zusammenkommt, um an den Widerstand zu erinnern, den die dortigen jüdischen Häftlinge im Todeslager der Nazis in Polen wenigstens versucht hatten. Beim diesjährigen Treffen am Sonntag war der letzte noch lebende Häftling des KZ Treblinka unter den Teilnehmern der Gedenkzeremonie. „Wir brannten in der Hölle“, sagte Samuel Willenberg am 72. Jahrestag des Ausbruchs des Aufstands.

 

Der Aufstand 1943 war monatelang vorbereitet worden und war sogar für das Frühjahr angesetzt, wo auf einmal Fleckfieber im Lager ausbrach und potentielle Aufständische starben, auf jeden Fall erkrankten. Die den Aufstand planendenHäftlinge waren Arbeitshäftlinge, also diejenigen, die in der Organisationsarbeit des Lagers wichtige Aufgaben erfüllten, Kapos, und sich zu einem Aufstandskomitee zusammengeschlossen hatten. Die Vorbereitungen waren weit gediehen, denn die Zwittersituation der Kapos machte die Geldbeschaffung einfach: sie hatten im Auftrag der SS Geld und Wertgegenstände der ermordeten Juden des Warschauer Ghettos gesammelt, das nämlich, was diese in ihren Kleidern versteckt hielten. Mit dem Geld sollte das ebenfalls der SS unterstellte ukrainische Wachpersonal zwecks Waffen bestochen werden. Die nahmen das Geld, lieferten aber keine Waffen.

 

Daß bei einigen Häftlingen Geld vorhanden war, was die SS entdeckte, führte zu deren Tod, zumindest zu Versetzungen innerhalb des Lagers, die einen organisierten Aufstand erschwerten, der aber weiter geplant war. Am 2. August 1943 um 16 Uhr gab es das Signal zum Aufstand, an dem sich über 400 ( manche sprechen von bis zu 700) Häftlingen beteiligten. Doch zum einen war der Waffenbestand gering, zum anderen hielten die Ukrainer auf den Wachtürmen nicht still, bekämpften auch nicht die SS, sondern schossen auf die Häftlinge. Die Trawniki genannten kriegsgefangenen Ukrainer (eine Bezeichnung auch für Balten und Wolgadeutschen) waren dann ausschlaggebend, daß zahlreiche Aufständische getötet wurden. Diejenigen, die flüchten konnten, wurden von der SS bei der Verfolgung auf der Flucht ebenfalls erschossen oder gefangengenommen, ins Lager zurückgebracht und dort ermordet.

 

Rund hundert Häftlinge aus TREBLINKA, die beim Aufstand nicht mitgemacht hatten, wurden ins Vernichtungslager Sobibor gebracht, was durch den Prozeß gegen John Demjanjuk, ebenfalls ein Trawniki, traurige Berühmtheit erlangte. TREBLINKA wurde als KZ am 21. August 1943 aufgegeben, dem Boden gleich gemacht und als Bauernhof ausstaffiert, um die Verbrechen unsichtbar zu machen. In den Wochen dazwischen wurden noch 8 000 Menschen aus zwei ankommenden Zügen vergast.

 

Die meisten Aufständischen starben, aber mindestens 60 Personen sind als Überlebende bekannt. Jacob Wiernik, der als Lagertischler innerhalb des Aufständischenkomitees auch die Verbindung zwischen den Teillagern von TREBLINKA zu halten hatte, war unter den Überlebenden. Er flüchtete nach Warschau und nahm dort Kontakt zur polnischen Untergrundorganisation ZEGOTA auf, die Juden half. Er schrieb EIN JAHR IN TREBLINKA, was noch 1944 in Warschau in der Auflage von 2 000 Exemplaren gedruckt wurde, mit einem Kurier als Mikrofilm nach London kam und sofort auf Jiddisch und Englisch verbreitet wurde. Nur dadurch weiß man von diesem Aufstand. Einen zweiten Massenaufstand gab es am 14. Oktober 1943 in Sobibor. Das sind die bekannten Versuche der Gegenwehr, ob es weitere gegeben hat, ist unbekannt. Man mußte überleben, um berichten zu können.

 

An der Erinnerungsfeier am Sonntag in TEBLINKA, die vom Jüdischen Historischen Institut in Polen organisiert war, nahm Pawel Rytel-Andrianik teil, der neu ernannte Sprecher der polnischen Bischofskonferenz, der einen Psalm auf polnisch und hebräisch las. Der bei Treblinka geborene Rytel-Andrianik studierte einige Jahre in Jerusalem und spricht 16 Sprachen. Zusammen mit der Zeremonie wurde auch eine Fotoausstellung eröffnet mit Bildern, die seit 2007 aufgenommen worden sind zur Dokumentation von der Exhumierung von Massengräbern in Treblinka.

 

Die Gesamtzahl der Opfer Treblinkas schätzt man auf über eine Million. Eines davon war der polnische Arzt und Pädagoge Janusz Kroczak, der später außerordentlich berühmt wurde, als bekannt wurde, daß er als Leiter eines Waisenhauses den Transport nach TREBLINKA seiner 200 Waisenkinder in den Tod begleitet hatte, obwohl er selbst nicht mitsollte und dies bei den SS-Leuten erst durchsetzen mußte. Den Kindern hatte er die Angst nehmen wollen und ihnen erzählt, sie würden aus dem stickigen Ghetto herauskommen und aufs Land fahren.

 

Foto.

Wir zeigen die Rauchschwaden vom brennenden Treblinka II während des Aufstandes 1943