mm euroweek17Euro Finance Week 2017

Notker Blechner

Frankfurt (Weltexpresso) - Wenn Event-Macher Nader Maleki zur Euro Finance Week ruft, kommen sie (fast) alle: Deutsche und europäische Bankchefs, Top-Notenbanker und Aufseher trafen sich eine Woche lang in Frankfurt, um über Regulierungsfragen, Niedrigzinsen, Fusionen und Green Finance zu debattieren. Meist waren sich alle ziemlich einig - bis auf wenige Ausnahmen.

Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, war schon längst weg, da fand Bundesbankchef Jens Weidmann doch noch ein paar kritische Worte zum Kurs der Notenbank. Eine stärkere Verringerung der Anleihenkäufe und ein klares Enddatum wären gerechtfertigt gewesen, erklärte Weidmann zum Abschluss der Euro Finance Week auf dem European Banking Congress in der Alten Oper. Vor einem Monat hatte EZB-Präsident Draghi den Anfang vom Ende der ultralockeren Geldpolitik und die Halbierung der monatlichen Anleihenkäufe auf 30 Milliarden Euro angekündigt.


Draghi: „Unsere Aufgabe noch nicht gelöst!“

Auf dem Kongress in der Alten Oper verteidigte "Super Mario" seine lockere Geldpolitik. Die europäische Wirtschaft sei immer noch auf europäische Hilfe der EZB angewiesen. Zwar befinde sich die Eurozone in einer Phase des soliden Konjunkturaufschwungs, doch die Entwicklung der Inflation sei verhalten. "Unsere Aufgabe ist noch nicht gelöst", sagte Draghi.

Für die Sorgen der deutschen Banken wegen der anhaltenden Nullzinsen hat er kein Verständnis. "Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass unsere Geldpolitik den Gewinnen der Banken schadet", meinte Draghi in der Alten Oper. Die Negativzinsen, die die Banken auf Einlagen bei der Zentralbank entrichten müssten, würden aufgewogen durch das QE-Programm der EZB, das Preise und Qualität von Anleihen in den Bankbilanzen erhöhe.


Warum Cryan von höheren Zinsen träumt

Das schluckten die versammelten Chefs der Deutschen Bank und Commerzbank fast ohne Murren. Lediglich John Cryan, der Boss der Deutschen Bank, warf ein, dass die EZB-Politik "natürlich unsere Geschäfte beeinflusst". Er rechnete aus, dass bei einem um einen Prozentpunkt höheren Zinsniveau das Frankfurter Geldinstitut im ersten Jahr rund 1,5 Milliarden Euro mehr und im zweiten Jahr rund zwei Milliarden Euro mehr verdienen würde. Commerzbank-Chef Martin Zielke sagte, die EZB-Politik sei nach der Finanzkrise die richtige Therapie gewesen, Nun müsse man diskutieren, wie man wieder aus der Therapie herauskomme.

Neben den Niedrig- oder gar Negativzinsen macht den Banken auch die die anhaltende Regulierung zu schaffen. Unter dem Schlagwort Basel III sind härtere globale Kapitalregeln geplant. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret verkündete zum Auftakt der Euro Finance Week eine Einigung zwischen der EU und den USA sei in Reichweite. Demnach soll der errechnete Kapitalbedarf nicht unter 72,5 Prozent fallen dürfen. Die europäischen Lobbyisten hatten eine Quote von 70 Prozent gefordert, die USA wollten mindestens 80 Prozent haben. Dombret rief die deutschen Top-Banker dazu auf, den Kompromiss mitzutragen. Für Deutschland sei die Einigung zwar kein Wunschergebnis, aber ein Scheitern wegen 2,5 Prozentpunkten wäre aber auch nicht gerechtfertigt.


Kritik an Kompromiss zu Basel III

Das sehen die Top-Banker anders. Auf der Euro Finance Week bewerteten sie die vorgesehenen neuen Regeln kritisch. DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch konnte nicht nachvollziehen, warum dies aus europäischer Sicht ein guter Deal sei. Und auch für Commerzbank-Finanzchef Stephan Engels ist der nahende Kompromiss "ein Dorn im Auge".

Die Konkurrenz der Fintechs beunruhigt die Banken inzwischen nicht mehr so stark. "Das große Fintech-Sterben wird kommen", glaubt HSBC-Deutschland-Chefin Cornelia von Schmettow. Nur einige wenige Große würden überleben – wie nach dem Biotech-Boom vor einigen Jahren.


ING-Chef zum Banker des Jahres gekürt

Gleichwohl setzen die Geldinstitute zunehmend auf den Digitalisierungstrend. Als Pionier gilt die ING Bank, die mit automatisierten Diensten, Online-Konten und Robo Advisors Kunden anlockt. Banken hätten künftig gar keine andere Wahl, als "ein Technologieunternehmen mit einer Banklizenz" zu werden, meint ING-Chef Ralph Hamers. Am Rande der Finance Week wurde er im Frankfurter Römer als Europas Banker of the Year ausgezeichnet.

Auch die Deutsche Bank rüstet sich für die Digitalisierung und hofft auf Kostensenkungen. Laut Vorstandschef Cryan werden in den nächsten Jahren zahlreiche Jobs mit Standard-Aufgaben wegfallen. Andererseits könne die Bank mit neuen digitalen Dienstleistungen auch wachsen-

Cryan sieht die Digitalisierung als Treiber für eine Konsolidierung der Bankenbranche. In Deutschland gebe es immer noch zu viele Geldinstitute, die die hohen Investitionen in neue Technologien allein nicht schaffen können. Auch europaweit sei der Bankenmarkt noch zersplittert. "Europa täte es gut, wenn es eine Handvoll Geldinstitut gäbe, die auf globaler Ebene konkurrieren könnten."


Wer will die Commerzbank heiraten?

Eine Fusion mit der Commerzbank lehnte Cryan aber erneut sanft ab. Rein solcher Zusammenschluss würde das Management für die nächsten zwei bis drei Jahre beschäftigen und die Banken lahm legen", meint der Brite, der seit zwei Jahren die Deutsche Bank leitet. 2016 hatten die beiden größten deutschen Privatbanken eine Fusion ausgelotet, die aber rasch verworfen wurde, weil man erst die Hausaufgaben erledigen müsste.

Zu den Gerüchten über einen grenzüberschreitenden Zusammenschluss mit der französischen Großbank BNP Paribas äußerten sich die Top-Banker zurückhaltend. "Wir sind gute Freunde, aber auch Konkurrenten", meinte BNP-Aufsichtsratschef Jean Lemierre vielsagend. Ein klares Dementi hört sich anders an. Und Commerzbank-Chef Zielke betonte lediglich, dass Größe allein nicht die Lösung sei, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Nicht größer ist besser, sondern schneller ist besser." Banken müssten flexibler und agiler werden.


Das neue Zauberwort Green Finance

Und vielleicht auch nachhaltiger. Den das Thema Green Finance gewinnt an Bedeutung - das wurde auf der diesjährigen Euro Finance Week wieder klar. In den Kongressen wie dem Sustainable Investors Summit oder dem Faros Institutional Investors Forum war die Nachhaltigkeit ein zentrales Thema. Öko-Banken wie GLS und Ökoworld stellten ihre Expertise zu Nachhaltigkeitsfonds vor. Und passend zur Aktualität verkündete Norwegens Staatsfonds den Ausstieg aus Öl- und Gasaktien, da der Ölpreis nach Berechnungen der Regierung auf bis zehn Euro je Barrel fallen werde. Björn From, Anlagestratege des Fonds, erläuterte auf der Euro Finance Week die Strategie des Fonds. "Wir tauschen unser Öl und Gas gegen Firmenbeteiligungen." Aktuell verwaltet der Fonds fast eine Billion Euro.

Hessens Finanzminister Tarek Al-Wazir (Grüne) kündigte auf der Euro Finance Week die Schaffung eines "Green Finance Cluster Frankfurt" an, der stärker für umweltgerechte Anlagen trommeln soll. Ob mit ein bisschen mehr Grün der Finanzplatz Frankfurt weiter gegenüber London punkten kann, ist fraglich.


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Euro Finance Week 2017
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