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Kategorie: Messe & Märkte
Header 1 961Die Vorstellung der Preisträger des Plagiarius 2018 wurde wieder zur Entlarvung fragwürdiger menschlicher Sitten und Gebräuche
 
Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Mit einer plagiierten Briefwaage fing es vor 40 Jahren an. Seitdem wird in jedem Jahr der Plagiarius-(Negativ)-Preis vergeben. Dieser mit einem Konnotat des Negativen versehene Preis rechtfertigt dann aber das Original umso mehr, während die durchweg miese Qualität der schlechten Kopie zur öffentlichen Hinrichtung wird. Die Fälle des Fälschens und Plagiierens werden wohl kaum versiegen.
Entwickler werden um ihren Lohn gebracht

Es gibt jedes Mal 25-40 Einsendungen an die Plagiarius-Jury, zehn Prozent werden zurückgenommen, weil sich die Parteien (Schädiger und Geschädigte) einigen, wie Fachanwältin Aliter Busse, Tochter des Preisgründers Rido Busse, ausführte. Die Urkunde und der kleine Zwerg mit der goldenen Nase gehen nicht an die Entlarvten, sondern an die Hersteller des Originals, denn die Täter halten sich bedeckt und glänzen durch Abwesenheit.

Die schlechten Kopien von Originalen sind mit großen Verlusten für die Marken verbunden. Sie gehen in die Milliarden. Entsprechende Zahlen wurden anlässlich der Negativpreis-Verleihung vorgelegt: „Allein 2016 haben die EU-Zollbehörden laut EU-Kommission mehr als 41 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von 670 Millionen Euro an den EU-Außengrenzen beschlagnahmt – und das ist nur die Spitze des Eisbergs“. Eine unrühmliche Rolle spielt immer wieder China, aber nicht allein. Konfuzianischer Moral zufolge ist das Plagiieren offenbar keine despektierliche Tat.

Das Plagiieren ist weit über China hinaus geläufig

Die mittelständische deutsche Wirtschaft handelt sich Plagiat-Probleme ein, wenn sie zunehmend mit Stätten der Hochtechnologie nach China migriert und ihr dann früher oder später aus den umgegründeten oder neu errichteten Firmen Anbieter mit geklautem Know-how entgegentreten. Der Ausdruck Klauen wurde von Michael Jungblut (auch mit WISO bekannt geworden) ausgiebig entwickelt, indem er die lange Geschichte des Klauens von den Anfängen der Hochkultur bis heute darlegte. In diesem Betracht versuchten die Alten des Orients mit Distanz- und Verhüllungstechniken das Nachvollziehbarmachen einer Ware auf alten Märkten zu erschweren. Die Schlitze in den fast den ganzen Körper verhüllenden Gewändern stellen einen Rest von damals dar, denn auch Menschen galten als Ware.

Die Strategie ist offenbar: chinesische Importeure von Endprodukten oder Zubehörteilen wollen sich den Produktions- und Distributionsprozess selbst unter den Nagel reißen. Die Bunderegierung zeigt sich ob dieser Entwicklungen immer noch wie eine Laienschar. Allein das handwerkliche Lernen und Nachformen wäre noch weitgehend verständlich, denn durch Abschauen kommen seit Urzeiten Lernprozesse in Gang. Die Fertigung mit Hochtechnologie und hohen Produktionskennziffern aber machen die Deckung von aufzubringenden Vorlaufkosten, die durch die Originalhersteller zu erbringen sind, zu einem ernsten Problem, das an die Existenz gehen kann, wenn geklaut wird.

Die Abkürzung des Aufwands bringt schnelles Geld – und birgt Gefahr

Zeit- und kostenintensive Schritte der Entwicklung, umfangreiche Investitionen sowie kreative und konstruktive Vorleistungen, die nicht schnell aus dem Boden gestampft werden können, ergeben die Maßstäbe für die Bewertung entstehender Schäden.

Der prominenteste Fall der diebischen Kopie ist diesmal der Rutscher „Puky Racer“ (3.Preis). Das Original stammt von PUKY GmbH & Co. KG, Deutschland, das Plagiat vom Hersteller Xintai Kurbao Toys Co., Ltd., Hebei, VR China. Vertrieben wird online, u.a. über alibaba.com. „Design und Technik wurden 1:1 vom Original übernommen. Die billigsten Materialien (Gehäuse, Räder, Lenkrad) und schlechte Verarbeitung (Oberflächen) spiegeln die minderwertige Qualität wider“.

Im Original kostet das Gerät für die frühkindliche Aktivität 66 Euro, im Plagiat 10 Euro. Ein Problem sind mehr und mehr auch die unzähligen Online-Marktplatz-Betreiber des eCommerce. Sie arbeiten nicht nur im Kern rechtswidrig, sondern wechseln auch schnell ihre meist zweifelhafte (Schein-)Identität, können sich also in der Anonymität des Internets der Verfolgung entziehen.

Die Irreführung der Kunden ist der eigentliche Skandal

Header 1 951Zu den skandalösesten Fällen gehören zum einen der Aufblasbare Wasserpark „Wibit Sports Park XL“ (2. Preis). Das Original stammt von Wibit Sports GmbH, Bocholt, Deutschland, das Plagiat von Sunny Kingdom, VR China. Der Nachahmer kopierte „den kompletten Sports Park mit allen Details (inkl. Rettungswesten)“. Er benutzt auch die Original-„Wibit-Hand“-Bildmarke. Am Schluss der Vorstellung der ‚Plagiarius-Wettbewerb 2018-Preisträger‘ wurde das identisch nachgeäffte Werbevideo des ‚Nachahmers‘, bzw. Produktdiebes gezeigt, das nahezu im bildlichen und zeitlichen Verhältnis von 1:1 hergestellt wurde. Auch Konzept und Musik wurden vom original Wibit-Werbevideo übernommen. Zu verfolgen unter: http://www.plagiarius.com/index.php?ID=47&DS=451

1 artikel 1 1301Neben dem großen Wasserpark waren mögliche Folgen der Fälschung des Küchen-Schneidegeräts „Nicer Dicer Plus“ (1. Preis) skandalträchtig. Das Original stammt von Genius GmbH, Limburg, Deutschland. Die Fälschung von Pingyang County Leyi Gift Co., Ltd., Zhejiang, VR China. – „Der Fälscher kopiert unzählige Genius-Produkte...“. „Die Schneidklingen der Fälschung sind stumpf und brechen leicht, der verwendete Kunststoff enthält gesundheitsschädliche Substanzen“. Das Produkt von dem eigentlichen Wert kostet 49,90 Euro, die schlechte Kopie 2,36 Euro.

Es wurden noch sieben ‚gleichrangige „Auszeichnungen“‘ verliehen, darunter das bewährte Schweizer Taschenmesser „SwissChamp“ (33 Funktionen) von Victorinox AG, Ibach-Schwyz. Das muss alle, die das Fälschungsgewerbe noch relativ neutral betrachten, eines Besseren belehren. Verführt wird anscheinend problemlos mit dem Victorinox-Markenzeichen von Kreuz und Schild. Die Fälschung aus minderwertigen Komponenten weist unscharfe Messer und eine nicht funktionierende Lupe auf (wie auch weitere Defizite). Sie kostet 10 Euro.

Wichtiger Hinweis: Das Original ist immer links abgebildet, die Kopie rechts.

Fotos:
Aktion Plagiarius e.V.

Info:
Vorstellung der Preisträger zur ‚Ambiente‘ der Messe Frankfurt, 09.Februar 2018, Raum Illusion 1-3, Congress-Center. Die Laudatio hielt Michael Jungblut, freier Journalist, Autor, Moderator und Referent.