Luminale 22.03. opt.2018t10. Tourismustag der Stadt Frankfurt am Main, Teil 1

Heinz Markert
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ist Frankfurt immer mehr Wirtschaftsfaktor, dem das Authentische der Kultur urheberrechtsfrei zu Diensten steht? Auf dem 10. Tourismustag (2018) der Stadt Frankfurt wurden Fakten geliefert, die der lokal empfindende Mensch gern zu speichern gestimmt und bereit ist. Das hat alles eine gewisse Berechtigung.
Weniger gut aber kommt es an, wenn ein Übergewicht des ökonomischen Kalküls die Übermacht beanspruchen wollte. Wenn der Tourismus der Kultur vorzuschreiben beginnt.

Man spricht in Superlativen

Der Trend geht zu Höher, Größer, immer Mehr - nach Art der quantitativen Unendlichkeit; kann das gut sein für die verbliebenen Sprengel einer Stadt, die schon viele Plätze, Achsen, vertraute Sichtbarkeiten, an denen interesseloses Wohlgefallen und schaue(r)ndes Verweilen sich einstellte, verloren hat? An der Offenbacher Landstraße wurde die letzte Sichtachse auf den Mühlberg, die treppenförmig aufsteigt, durch einen klotzigen Hotel-Erweiterungsbau zerstört. Da hat die Landschaftspflege geschlafen oder sich breitschlagen lassen.

Bei dem Slogan ‚Die Rhön, das Land der offenen Fernen‘ wurde einem beim erstmaligen Hören ganz mulmig; es kam die Befürchtung auf, dass die Rhön - zum eigenen Schaden - auf Dauer touristisch erdrückt werden könnte, auf Kosten all dessen, womit geworben wird.
 
Was Herberge und Unterschlupf war, wurde zur Hotellerie, die gleißt
 
Im Zentrum stehen Bettenwachstum und Übernachtung. In allen Kategorien. Frankfurt hat einen höheren Anstieg als der ‚gesamtdeutsche‘ Markt. Frankfurt hatte als relativ kleine Großstadt 2017 9 ½ Millionen Übernachtungen. Topstädte verdoppelten sich hierin seit 2006. 2018 ist ein Plus von 7 Prozent absehbar, also 10 Millionen Übernachtungen. Es hat eine hohe Bettendichte. Die neue Altstadt gemahnt die Besucherschaft sogleich an die historische Dichte von Frankfurt im Kernbereich. Der Anstieg verläuft über alle Monate, das Diagramm weist keine ‚Glocke‘ aus. Die Spitzen sind zu den Messen.
 
Mit diesem Wachstum in der Stadt korrelieren Anflüge auf die Stadt, wachsend auch mit Low Cost; in den ersten 10 Monaten lag er bei einem Plus von 8 Prozent. 69 Millionen Passagiere sind erwartbar. Das Terminal 3 wird wohl 14 Mill. an Wachstum generieren. Die Entwicklung geht zu größeren Häusern, Pensionen und einzelgeführte Hotels gehen aus dem Markt. Im stetigen Kommen sind 5-Sterne-Häuser mit 75 Prozent Auslastung, bei sonst 70. Nur in Hamburg ist die Auslastung höher. Im Geschäftstourismus liegt Frankfurt im Mittelfeld.
 
Dreißig Prozent sind Individualbesucher. Die Tourismusabgabe wird eingesetzt. Tourismus ist Chefsache seitens des OB. Die Geschäftsreisenden machen 70-75 Prozent aus, mit dem Wandel und Anstieg der Reisezahlen, besonders der Millenials, die um 2025 besonders stark sein werden, um sich dem anderen auszusetzen, geht die Tendenz der Auslastung im Bereich Geschäft, das andere Interessen nach sich zieht, hin zu 75-80 Prozent. Es kommen immer neue Häuser hinzu. Die Hotelentwicklung in Mid- und Up-Scale überwiegt.
 
Zwischen Rückgang und Wachstum, das sich aber durchsetzt
 
Es kann zur Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung kommen („es kann nicht ganz so weitergehen“), infolge von Handelskriegen und als eine der Auswirkung des sog. Brexit („Bekommt May ihn geordnet durch?“). Die Krisen 2008-2010 und 2011-2012 sind nicht vergessen. Der Wandel geht hin zum Freizeittourismus, das meiste aber wird mit Geschäftszahlen generiert. Die Messe wird mehr noch allgemeines Zugpferd mit der neuen Halle 12. Der Ausbau geht stetig auch mit Tagungen und Kongressen vonstatten, besonders Automechanika, Achema und Medizin.

Wenn Zugpferd: dann auch mit Altstadt, Museum, Musical, den Ausstellungen am Museumsufer (13, nächst des Mains); zusammen sind es 26 Museen; mit einer Oper auch, die zum vierten Mal Oper des Jahres wurde und der Frankfurter Eintracht. Zu den Messetagen hat es im Hotelgewerbe einen Aufschlag von 100 Prozent. Das Bettenangebot hinkt hinter der Entwicklung etwas hinterher. Mit Frankfurt am Main wird Goethe und das Museumsufer assoziiert. Das Event und das Neue zieht an. Das wird absehbar auch mit dem kommenden Romantikmuseum ab 2020 bestätigt werden. Man kann sagen, das Museumsufer ist ein Vermarktungstool.
 
Das Wochenende wird von Freizeittouristen nicht so bevorzugt, sie umgehen den Preisunterschied zur Woche. Offenbach ist eine mit am stärksten wachsende Destination, abhängig von Frankfurt, nach langem Stillstand. Die Sogwirkung geht von Neuem aus. Das können neue bauliche Areale sein. Und übrigens: junge Pärchen der Welt shoppen bei uns (auch aus Osteuropa kommend).
 
Auch Kultur ist Event
 
Kulturell sticht Frankfurt heraus, weil es ein Nebeneinander von Hochhäusern, mit einer beeindruckenden Skyline, und dörflichen Räumen aufweist. So war am Beginn des Vortrags der Kulturdezernentin Ina Hartwig zu vernehmen. Das hört sich schon anders an als das Sprachklischee von Frankfurt als Metropole, d.h. internationale Business-Stadt zwischen Flughafen und Skyline, von Bürgermeister Becker 2016 gesprochen. Die Kultur-Reisenden sind im Aufwind. Entsprechend gestiegener Bettenausnutzung sind es 8 Prozent mehr.
 
Das Stadtbild wird immer mehr von Menschen aus vielen Nationen geprägt. Frankfurt ist weltoffen. Das fällt Menschen, die in abgeschlosseneren Regionen leben, auf. Sie schauen interessiert und leicht ungläubig umher. Frankfurt vereint Geschichte und Gegenwart in hohem Maße. Denn in Nähe des Mainufers fanden sich Relikte aus der Zeit der frühen Besiedlung und Funde im Bodenfeld der Kaiserpfalz, die einzusehen sind. Transnationaler Schnittpunkt war Frankfurt mit der Furt am Main damals schon. Die Goldene Bulle ist immer noch ein anziehendes Highlight, während das künftige Romantikmuseum nie endende Diskussionen über das Verhältnis von Kunst und Leben auslösen dürfte.
 
‚Markenkern‘ Museumsufer
 
Das Museumsufer ist eine feste Größe, die weithin strahlt. Architektonisch hinzukommend findet sich das Nebeneinander von Gründerzeitvillen und architektonischer Moderne. Das Neue Frankfurt der Ernst-May-Ära steht hierfür tatsächlich paradigmatisch, diese Moderne reicht nunmehr schon hundert Jahre zurück. 2019 werden jene einzigartigen Bauleistungen in eine gemeinschaftliche Rezeption mit dem dann auch hundertjährigen Bauhaus – bei allen Unterschieden – eingehen und gefeiert werden. Das Goethe-Museum ist das am meisten besuchte. Es fasziniert in Japan und generell in Asien. Stichwort Struwwelpeter-Museum: Der Struwwelpeter ist das meistverkaufte Kinderbuch und Souvenir.
 
Sonderausstellungen im Städelschen Kunstinstitut mit Galerie rangieren im Besucherinteresse ganz oben, z. Zt. mit Victor Vasarely, 2019 kommt ‚Tizian und die Renaissance in Venedig‘; darüber hinaus ist ‚Making van Gogh. Geschichte einer großen Liebe‘ für 2019/20 angekündigt. Das Städel erhielt 2012 seinen Erweiterungsbau. Die Wege zu den Museen sind vom Zentrum aus gedacht nicht lang, sind auch langsam vom Südufer gen Norden „übergestiegen“, so mit dem Museum für Moderne Kunst 2 (MMK2), dem Bankenviertel also näher gerückt, sowie mit einer noch weiteren Dependance des MMK1: das MMK3 findet sich im ehemaligen Hauptzollamt Domstraße 3/Ecke Braubachstraße. Ansprüche der Vermarktung können nicht an Museen gestellt werden. Die Direktor*innen entscheiden selbst, kooperieren jetzt mehr. Dem Handel und Gewerbe kann kein Einfluss auf die Themen und Formate zugestanden werden.

Foto:
(c) Heinz Markert

Info:
10. Frankfurter Tourismustag, 20. Nov. 2018, Plenarsaal Römer, mit Thomas Feda, Tourismus+Congress GmbH; Dr. Stefan Behrendt, Dr. Lübke & Kelber; Dr. Ina Hartwig, Kulturdezernentin Stadt Frankfurt am Main; Simone Schwab, Leiterin Bereich Vertrieb und Kundenbetreuung, Fraport AG; Axel Hellmann, Mitglied des Vorstands Eintracht Frankfurt Fußball AG; Matthias Schultze, German Convention Bureau e.V.