Drucken
Kategorie: Messe & Märkte
not eurofinanBanken im Zwiespalt 10 Jahre nach der Lehman-Pleite

Notker Blechner

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Brexit, Digitalisierung, Regulierung, Handelskonflikte, Italien-Krise – Deutschlands Banken bläst derzeit von allen Fronten Gegenwind entgegen. Auf der Euro Finance Week malte die Branche die schlechte Lage schön.

Früher schaute das Ausland ehrfürchtig auf die deutschen Banken. Inzwischen ist es (fast) umgekehrt. Die Deutsche Bank und die Commerzbank sind global und selbst in Europa nur noch Mittelmaß. Andere europäische Großbanken haben Deutschlands Kreditinstitute abgehängt.


BNP Paribas-Chef als Banker des Jahres ausgezeichnet

Das zeigt sich am Beispiel des Preises Banker of the Year, den die aus mehreren renommierten Wirtschaftsjournalisten bestehende Gruppe 20+1 alljährlich verleiht. Seit vier Jahren hat kein deutscher Top-Banker mehr die Auszeichnung bekommen. Dieses Jahr ging der Preis an den Chef der französischen Großbank BNP Paribas, Jean-Laurent Bonnafé. BNP ist inzwischen die größte Bank der Eurozone und an der Börse mehr als drei Mal so viel wert wie die Deutsche Bank.

In französisch gefärbtem Englisch bedankte sich Bonnafé artig für den Preis – und beschrieb, wie sich Banken künftig effizient aufstellen sollen. "Wir sind schon sehr digital", verkündete Bonnafé im Kaisersaal im Frankfurter Römer. 2,5 Millionen Kunden seien online. Damit meinte er vor allem die Kunden der Online-Broker Consors Bank und DAB Bank, die BNP in den letzten Jahren geschluckt hat.

Die Lobesrede auf Bonnafé hielt der letztjährige Preisträger, Ralph Hamers, der Chef der niederländischen Bank ING. Er beschwörte im Kaisersaal und auch am Eröffnungstag der Euro Finance Week die digitale Zukunft der Banken. Die ING ist schon jetzt deutlich digitaler als die BNP Paribas. Die Niederländer sind mit der Direktbank Diba in Deutschland vertreten und brauchen keine Filialen. ING Diba ist die drittgrößte Privatkundenbank hierzulande. Vor kurzem hat sie auch noch den Robo-Advisor Scalable übernommen und damit die digitale Vermogensverwaltung ausgebaut.


"Wir haben zu viele Banken"

Deutschlands Top-Banker hatten erst am letzten Tag der Euro Finance Week ihren großen Auftritt. Die Chefs der Deutschen Bank und der Commerzbank sprachen auf dem European Banking Congress über die Digitalisierung, den Finanzplatz Frankfurt – und notwendige Zusammenschlüsse in der Branche. "Wir haben zu viele Banken in Europa", klagte der oberste Deutsch-Banker. Eine Konsolidierung sei unausweichlich. Als größte Bedrohung sieht Sewing, "dass wir eines Tages zu Zulieferern für die großen Tech-Konzerne werden könnten". Sewing schlug eine europäische Antwort auf die großen Tech-Unternehmen in Asien und USA vor.

Seit Monaten wird die Deutsche Bank als Fusionskandidat gehandelt. Immer wieder wird über ein Zusammengehen mit der Commerzbank spekuliert. Doch Sewing schließt einen solchen Schritt für die nächsten eineinhalb Jahre aus.


Regulierer wollen Regeln nicht aufweichen

Warum der Konsolidierungsdruck in der Bankenbranche wächst, zeigten die zahlreichen Konferenzen, die bei der Finance Week stattfanden. So macht die Regulierung den Banken immer mehr Ärger. EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger mahnte in Frankfurt, zehn Jahre nach der Finanzkrise bei der Aufsicht der Bankenbranche nachzulassen. "Es hat nicht nur der Schwung bei der Umsetzung von Reformen und der Beseitigung ungerechtfertigter Unterschiede im nationalen Aufsichtsrecht nachgelassen - in einigen Ländern ist sogar der Rückwärtsgang eingelegt worden", meinte Lautenschläger.

Auch der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, warnte vor einer Aufweichung der seit der Krise eingeführten strengeren Regeln für Banken und Finanzmärkte. Es dürfe keinen regulatorischen Schweinezyklus geben, forderte er.


Digitalisierung zwingt die Banken zu mehr Tempo

Neben der Regulierung macht die Konkurrenz der Fintechs den deutschen Geldinstituten schwer zu schaffen. "Wir Banken sind unterdigitalisiert", gestand Commerzbank-Chef Martin Zielke. "Wir müssen schneller werden, traditionelle Banken sind zu langsam", räumte er selbstkritisch ein.

Neue Innovationen wie die Blockchain sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist sie eine Bedrohung für die traditionellen Geldinstitute, weil sie den Intermediär, also die Bank ersetzen will, sagte Helge Michael, Projektmanager Blockchain des Main Incubator. Andererseits würde die Blockchain Banken bei Zahlungsvorgängen nutzen, etwa um Geldwäsche vorzubeugen.


Neue Finanzkrise kann sich wiederholen – nur anders

Könnte sich eine Finanzkrise wie vor zehn Jahren wiederholen? Das wollten die meisten Banker nicht ausschließen, sehen aber die Branche besser gerüstet. Eine neue Finanzkrise würde durch andere Faktoren wie 2008 ausgelöst, meinte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos bei der Eröffnung der Finance Week.

Manche Banker nutzten die Bühne, um die Arroganz ihrer Kollegen zu kritisieren. Boni zum Beispiel dürfte es nur abhängig vom Erfolg geben, forderte DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch. Er knöpfte sich auch die EZB vor. Der Zeitpunkt für Veränderungen sei jetzt endlich gekommen, meinte Kirsch mit Blick auf den EZB-Präsidenten Mario Draghi.


Draghi bleibt locker

Der freilich wiederholte auf der Euro Finance Week das, was er schon zuvor gesagt hatte: das Auslaufen der Anleihenkäufe werde Ende des Jahres erfolgen, sollte die Wirtschaft mitspielen. Ein Ende der europäischen Wirtschaftsdynamik sieht Draghi (noch) nicht. "Es gibt keinen Grund, warum die Expansion im Euro-Raum abrupt enden sollte", sagte er. Seit 1975 dauerten Aufschwünge in Europa durchschnittlich acht Jahre. Der aktuelle Aufschwung sei erst im fünften Jahr, meinte der EZB-Chef, der im Herbst nächsten Jahres seinen Posten räumt.


Deutsch-chinesische Finanzbeziehungen sollen vertieft werden

Die Finance Week richtete nicht nur ihren Blick auf Europa, sondern einen ganzen Tag lang auch auf China. Auf dem "China Day" warben die Vertreter auf dem Podium für einen Ausbau der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Zwar sei die Zahl chinesischer Übernahmen und Transaktionen in Deutschland in den ersten neun Monaten gesunken, "das Interesse am deutschsprachigen Raum bleibt aber nach wie vor sehr groß", sagte Markus Hauptmann, Partner bei White & Case. Die inzwischen verschärfte Kontrolle von chinesischen Investoren durch die Bundesregierung kritisierte Duan Wei von der Chinesischen Handelskammer in Deutschland als hinderlich.

Die 2015 gegründete Ceinex, ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Börse , der Börse Schanghai und des China Financial Futures Exchange, soll verstärkt deutsche Anleger für China begeistern. "Wir haben mit Ceinex neue Möglichkeiten für ausländische Investoren geschaffen und suchen weiterhin nach pragmatischen Lösungen, um die Verbindungen zwischen den Finanzmärkten in China und Europa zu stärken", sagte Ceinex-Manager Chen Han. Seit wenigen Wochen kann über Ceinex die Aktie des chinesischen Konsumgüter-Riesen Haier gehandelt werden. Weitere Börsengänge sollen folgen.

Zum Abschluss des China Day hielt der chinesische Generalkonsul ein flammendes Plädoyer für den Freihandel. Damit wollte er im Vorfeld des G20-Gipfels wohl ein Zeichen setzen gegen den von US-Präsident Donald Trump entfachten Handelskrieg mit Peking.

Foto:
Euro Finance  Week 2018, European Banking Congress
© Deutscher Fachverlag

Info:
Euro Finance Week
https://www.dfv-eurofinance.com/konferenzen/euro-finance-week-2018