bereinigt DSC03979 2Das war und ist das Werk von Gerhard Schröder und Hans Eichel – der Volksmund weiß: „Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!“

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – An den von ihr zu verantwortenden Steuersparmodellen für Reiche, Unternehmen und Kapitalgesellschaften krankt die SPD noch heute.

Das Unverfrorenste aber war, dass Hans Eichel zur Dokumenta 2012 dem Publikum an ausgestellten Kunstwerken die Humanität verdeutlichen wollte. War das als Wiedergutmachung gedacht?

Aroundtown und die Zypern-Connection

In dieser miesen Art von Beziehungen über Grenzen hinweg liegt auch eines der Zerstörungspotentiale der EU begründet (nicht nur der SPD). Andere Standorte der Steuervermeidungs- bzw. Steuerverkürzungsindustrie sind Irland, Luxemburg, Belgien und die Niederlande. Aroundtown ist eines der größten Gewerbeimmobilien-Unternehmen in Europa und das größte börsennotierte Immobilienunternehmen in Deutschland. Ihm gehören unter anderen das Hilton in Berlin und das Interconti in Frankfurt am Main. Auch Leipzig und Köln sind mit weidlich großen Immobilien vertreten. Das plusminus-Magazin der ARD nahm sich das Wirken dieses dreisten Konzerns vor. Bereits vor der Ausstrahlung des in Arbeit befindlichen Beitrags drohte Aroundtown mit juristischen Gegenmaßnahmen. Delikat auch, dass Fußball-Union Berlin den Konzern als Hauptsponsor an Land gezogen hat.
 
Der Nettogewinn des Konzerns betrug im vergangenen Jahr insgesamt 1,8. Mrd. Euro, aus Mieteinnahmen wuchsen ihm 2018 639 Mrd. Euro zu. Der Finanzbericht nimmt Bezug auf hohe Dividenden. An Steuern und Sozialabgaben wurden in Deutschland knapp über 100 Millionen gezahlt. Wie lässt sich das erklären? - Die Struktur des Konzerns beruht in einem Dschungel an Gesellschaften und Beteiligungen. Durchweg gehört jedes Haus einer eigenen GmbH und alle diese zusammen einer Gesellschaft auf Zypern. In Deutschland ragt eine Adresse heraus: die Berliner Wittestrasse. An dieser haben 300 Gesellschaften von AT ‚ihren Sitz‘.
 
Der Firmenprospekt weist bezogen auf 2018 16 Mrd. Euro in Immobilienlagen aus, überwiegend deutschlandbezogen. Warum ist ausgerechnet Deutschland so besonders attraktiv für ausländische Investoren? Steueranwalt Johannes Fiala ist die Undurchschaubarkeit jener Konstruktionen sehr vertraut, denn: „Zypern ist ein Eldorado für den Transport und das Investment mit und durch steuerneutrales Geld“ und daher rühre generell die Schwierigkeit der Verfolgung durch die Steuerbehörden. Auf Nachfrage betont Aroundtown, man verhalte sich steuergesetzestreu und handle entsprechend geltender Gesetze. Frank Wehrheim, der von - gegenüber der Koch- Regierung - willfährigen Frankfurter Steuerbehörden unter Druck gesetzte und geschasste Steuerbeamte weiß: der Hauptgrund der Konstrukte sei, „immer reicher und reicher zu werden“. Nach außen hin werde eine Fassade errichtet, wer aber dahinterstehe werde nicht genannt; immer träten die wirklich Begünstigten nicht in Erscheinung.
 
Aroundtown rechtfertigt sich auch hier mit dem Verweis auf strenge kapitalmarkt-rechtliche Regulierungen, die gälten und verweist auf die Wirtschaftsprüfung durch KPMG und die Ratingagentur S&P. Der Steueranwalt konzediert: „Zunächst mal ist es legales Steuersparen“. Ausländische Investoren würden privilegiert, sie zahlen in Deutschland 15 Prozent Körperschaftssteuer auf den Gewinn. Die arbeitende Bevölkerung jedoch zahle bis zu 45 Prozent. Das sei eben die Gewinnsteuer „sozusagen“ für natürliche Personen. Es sei ein legales politisch gewolltes Steuervermeidungsmodell und insofern “interessant“ für ausländische Investoren.
 
Die Regierung Schröder mit Eichel als Finanzminister beschloss 2000 eine Steuerreform für nach Rendite lechzende Investoren
 
Dieserart wurde die Körperschaftssteuer unter anderem für Kapitalgesellschaften ab 1999 in Schritten von 35 auf 27, 25 und zuletzt auf 15 Prozent in 2008 gesenkt und hiervon profitierten ausländische Konzerne. Eichel verkündete: „Insgesamt ein sehr guter Standort muss auch im Steuerrecht ein guter Standort sein“. Die Heuschrecken-Ara hatte eingesetzt. Der Steuerfahnder Frank Wehrheim befindet: „Ich glaube, dass die bei einigen Dingen - das waren die Sozialdemokraten -, die in diesen Zeiten bei einigen Dingen die Tragweite nicht erkannt haben“. Sie wollten auf der Höhe der Zeit sein, haben aber Heuschrecken (ganz nach Müntefering) ins Land geholt.
 
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat in einer Steuervermeidungstechniken nachgehenden Studie Grand City, das auch Aroundtown-Anteile hält, untersuchen lassen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Strukturen so gestaltet seien, dass bei Immobilienverkäufen „keine Steuern auf die Wertsteigerung anfallen“ und wohl auch im Regelfall die Grunderwerbssteuer „vermieden werden kann“. Einer der Autoren, Christoph Trautvetter, hat auch Aroundtown analysiert. Ergebnis: Aroundtown müsse theoretisch auf in Deutschland entstandene Gewinne erstmal Steuern zahlen, auch wenn Aroundtown in Luxemburg sitze. Was es aber machen könne: es kann die Gewinne in Deutschland kleinrechnen, indem es die Zinsen und Gebühren sich selbst in Rechnung stelle und aus Luxemburg und Zypern „dafür sorgen, dass die deutschen Gewinne möglichst klein sind und dann in Zypern oder Luxemburg, wo die Gewinne entstehen - die nicht besteuert werden“.

Auf Konzernseite funktioniert das wie folgt (wird in einer Stellungnahme von Aroundtown erklärt): „Unsere übliche Vorgehensweise bei Immobilien, die wir in Deutschland erwerben, ist es, diese direkt mit einer deutschen GmbH zu kaufen“.- Diese Firmen befänden sich in der Regel im Besitz von zypriotischen Holdinggesellschaften, die in der luxemburgischen Muttergesellschaft Aroundtown SA ‚konsolidiert‘ würden.
 
plusminus hat in Zypern recherchiert
 
Vor Ort in Zypern: Aroundtown wurde 2004 hier gegründet. plusminus stellt fest: „Auf der Insel werden Gelder verwaltet, die 300 Mal so viel betragen wie das Bruttosozialprodukt des Staates“. In Larnaca haben AT-Gesellschaften weiterhin ihren Sitz. Plusminus nahm Einsicht in Register und stieß dabei nur auf Anwaltskanzleien. Wer dahinter im einzelnen steckt, bleibt verborgen. RA Johannes Fiala kommt auf den Punkt: mit der Geheimniskrämerei schotten sich die Investoren ab. Vor allem aber braucht die Frage nicht beantwortet zu werden: „Woher haben sie dieses Geld?“ – Warum aber ist dies alles überhaupt möglich?
 
Dies erklärt Sven Giegold (MdEP), der Finanzexperte der Grünen: Der europäische Binnenmarkt habe keine gemeinsame Steuergesetzgebung und bis dato sei es ihm unmöglich gewesen, sich auf einen Mindeststeuersatz und gemeinsame Regeln zu einigen, „wo welche Einkünfte zu versteuern sind“. – „Das ist das Grundproblem und wir brauchen eine Bundesregierung, die sich nicht länger ausbeuten lässt, steuerlich“.
 
Auf Nachfrage erfährt plusminus aus dem Finanzministerium, dass man den Vorgang bereits seit 2011 auf europäischer Ebene diskutiere, man sich jedoch noch nicht substantiell mit den ‚Parteien‘ habe einigen können. Das Magazin schließt: „Während die Politiker seit Jahren diskutieren, freut sich Union Berlin erstmal über den Geldregen“. – Darf man das als eine Bestechung auf nationaler Bundesliga-Ebene bezeichnen? – Die oftmals sozial benachteiligten Fans scheint das nicht sonderlich zu berühren. Sie bleiben im großen und ganzen versöhnlich gestimmt, „denn Geld schießt bekanntlich Tore“ (plusminus).

Info:
Aroundtown und die Spur nach Zypern, ARD, plusminus, 18.09.2019
 
Foto © Heinz Markert