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Kategorie: Messe & Märkte
zdf joopZDFzeit-Doku-Reihe über große deutsche Familienunternehmen ZDF, Dienstag, 10. März 2020, 20.15 Uhr (Die Joop-Story), Teil 2

Roswitha Cousin

Mainz (Weltexpresso) - Die erfolgreiche Doku-Reihe befasst sich 2020 mit Joop, Deichmann und 4711. Die Namen der Unternehmen oder Marken kennen viele, doch meistens sind diejenigen, die hinter den Kulissen die Firmen lenken, weitgehend unbekannt. Wer sind sie? Wer hat die Unternehmen gegründet, aufgebaut und fortgeführt? Wie gelingt der Weg in die Zukunft? Die Doku-Reihe erzählt Firmen- und Familienhistorien, die immer auch ein Stück deutsche Zeitgeschichte sind.

In der glitzernden und schillernden Welt der Mode hat es diese Marke zu Weltruhm gebracht: JOOP! Ihr Namensgeber zählt zu Deutschlands bedeutendsten Designern: Wolfgang Joop, der ewige Junge, das "Wunderkind", das Modegenie, der Künstler; einer, der sich immer wieder neu erfindet und mit 75 Jahren noch lange nicht ans Aufhören denkt. Tochter Jette ist in seine Fußstapfen getreten und hat ihr eigenes Modelabel kreiert. Ganz in Joop-Manier hat auch sie mit viel Geschäftssinn und cleverem Kalkül ihren Namen zur Marke gemacht. Mit ihren Designs, sei es für Schmuck, Kleider oder Haushaltswaren, macht sie Millionenumsätze. Auf dem roten Teppich inszeniert sie sich werbewirksam als Femme fatale, um die Marke zu stärken. "Öffentlichkeit ist mein Schicksal", sagt sie. Ein Schicksal, dass sie mit ihrem Vater gerne teilt, denn Medienpräsenz ist ein zentraler Faktor des Erfolgs. Und so wird auch der Vater-Tochter-Konflikt in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Dass es dennoch Kapitel gibt, die kaum an die Öffentlichkeit gelangten, zeigt der Film von Annebeth Jacobsen und Manfred Oldenburg, der ein Porträt der Designer-Dynastie mit zum Teil verblüffenden Facetten zeichnet: etwa über die deutsch-deutschen Aspekte der Familiengeschichte, die das Leben und Wirken des Modeschöpfers geprägt haben.

Angefangen hat alles auf einem Bauernhof in Potsdam, nahe Schloss Sanssouci. Dort wird Wolfgang Joop 1944 geboren. Er wächst zunächst ohne Vater auf, den die Sowjets nach Kriegsende als vermeintlichen US-Spion verhaftet hatten. Für den Jungen ist der Hof ein kindliches Paradies, ein Mikrokosmos der Geborgenheit. Die Idylle wird empfindlich gestört, als der Vater freikommt und mit der Familie in den Westen, nach Braunschweig, zieht: "Das war für mich ein Schock, als Kind in Braunschweig aufzuwachen und nicht zu wissen, wo ich eigentlich war", sagt Wolfgang Joop im Interview. "Da merkte ich auch irgendwie, dass es anders roch als zu Hause. Auf einmal fühlte ich mich unbeschützt und ohne Orientierung." Der Verlust der Heimat reißt tiefe Wunden, die bis ins hohe Alter schmerzen. Wolfgang Joop hat Probleme in der Schule. Der Direktor prophezeit seiner Mutter, dass der Junge es wohl nie zu etwas bringen werde.
Sein Leben nimmt eine entscheidende Wendung, als er sich in die Nachbarstochter Karin verliebt. Schon bald ist sie schwanger, im spießigen Westdeutschland der 60er Jahre ein großes Problem. Als das junge Paar dringend Geld braucht, hat Karin die zündende Idee: Die beiden nehmen an einem Wettbewerb der Modezeitschrift "Constanze" teil. Karin entwirft Kleider, Wolfgang fertigt die Zeichnungen an. Und: Sie gewinnen! Doch bei der feierlichen Preisverleihung traut sich die hochschwangere Karin nicht auf die Bühne und schickt stattdessen Wolfgang vor. Und so ist er es, der für den Erfolg gefeiert wird. Er gilt nun als der Newcomer der Modeszene.
Es ist der Beginn einer steilen Karriere, doch gleichzeitig auch großer familiärer Entbehrungen. Ihre kleine Tochter Jette überlassen Wolfgang und Karin anderthalb Jahre lang den Großeltern, während sie selbst ihren beruflichen Ambitionen und Träumen nacheifern. "Wir waren verrückt nach einander. Wir waren nicht geerdet, wir geisterten so rum und dachten, unsere Jugend und Liebe würde uns beschützen. Wir hatten keine Pläne oder Konzepte. Das fanden wir auch irgendwie spießig", sagt Joop heute über diese Zeit. Der endgültige Durchbruch als Designer kommt mit einer Pelzkollektion und einem simplen Trick: Joop soll mit seinem Namen Werbung für seine Mode machen. Um mehr Aufmerksamkeit zu erregen, wird der Nachname um ein Ausrufezeichen ergänzt: Die Geburtsstunde der Marke JOOP!. Schon bald geht es nicht mehr nur um Mode, das Label ziert nun auch Schuhe, Schmuck, Brillen, Parfum und sogar Wasserhähne. JOOP! entwickelt sich mehr und mehr von der Designer- zu einer Lifestyle-Marke.

Die rein westdeutsch erscheinende Erfolgsgeschichte sorgt auch im Osten für Furore. In einer Nacht- und Nebelaktion lassen DDR-Funktionäre Wolfgang Joop ein geheimes Angebot übermitteln: Er soll die Textilindustrie der DDR über die neuesten Trends unterrichten. Die Gegenleistung: Ein Halbjahresvisum für die DDR. In Joop regt sich eine lang gehegte Sehnsucht: Damit kann er, wann immer er will, die alte Heimat Potsdam besuchen, ohne lästige Fragen und Anträge. Doch dadurch lässt er sich mit dem Regime und der Stasi ein. Eine gefährliche Gratwanderung, die ihn später im Westen teuer zu stehen kommen wird.

Seine Marke indes boomt, sie verkörpert ein Stückweit den Lifestyle der 80er Jahre. Doch immer seltener verbirgt sich sein kreativer Kopf hinter den Produkten. Er gibt seinen Namen auch für Kreationen, die er später gar nicht mehr überschaut. Auf dem Höhepunkt des Erfolgs zerbricht die Familie, Karin und Wolfgang Joop trennen sich. Wolfgang verliebt sich in Edwin Lemberg und die beiden werden ein Paar. 1985 lässt das Ehepaar Joop sich scheiden. Wolfgangs Verhältnis zu den beiden Töchtern Jette und Florentine leidet darunter.

Mit dem Fall der Mauer geht für Wolfgang Joop ein Traum in Erfüllung: Endlich ist der Weg in seine alte Heimat Potsdam frei. Doch schon bald holt ihn seine Vergangenheit ein. Seine "merkwürdigen" DDR-Besuche werden aufgedeckt. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt 1991 gegen ihn – wegen des Verdachts auf geheimdienstlicher Agententätigkeit. Die Medien greifen den Skandal begierig auf, eine tiefe Kränkung für Joop, auch dann noch, als die Ermittlungen schließlich eingestellt werden. Er lässt Deutschland erst einmal hinter sich und zieht nach New York, um von dort aus zu arbeiten.

Inzwischen will Jette Joop in die Fußstapfen des Vaters treten. Doch ihr Versuch, bei JOOP! einzusteigen, führt zu einem heftigen Streit mit den familienexternen Managern und mündet in einem Hausverbot. Sie beschließt, ihr eigenes Design-Imperium aufzubauen. "Ich glaube, hier haben wir es mit etwas zu tun, was wir klassisch unter dem Vater-Sohn-Konflikt verstehen, in diesem Fall ging es allerdings um Vater und Tochter. Sie wollte ihm einfach beweisen, dass sie gut ist, vielleicht sogar besser. Und auch der Firma, die sie nicht aufgenommen hat, wollte sie es zeigen", sagt Jettes Mutter Karin Joop-Metz im Interview. Der Ehrgeiz zahlte sich aus. Heute ist Jette Joop eine von Deutschlands erfolgreichsten Design-Unternehmerinnen.

1998 steigt Wolfgang Joop selbst bei JOOP! aus, doch ohne Arbeit hält er es nicht lange aus. Er gründet das neue Modelabel "Wunderkind", wieder eine Erfolgsgeschichte. 2014 holt ihn Heidi Klum in die Jury von "Germany‘s next Topmodel". Er ist rastlos, auch noch im Alter. Der Kosmopolit hat ein großes Ziel: Ankommen und Wurzeln schlagen. 2017 zieht Joop mit seinem Ehemann in die frühere Heimat, auf das Gut Bornstedt, wo er als Kind so glücklich war. Gegenüber wohnt die jüngere Tochter Florentine mit Mann und Kindern, ein Stückchen weiter Joops Ex-Frau Karin. Doch ausgerechnet das Heimatidyll wird 2010 zum Zankapfel in der Familie: Denn auch Jette Joop erhebt Anspruch auf den Hof. Vater und Tochter – zwei starke Charaktere, die sich immer wieder aneinander reiben. Doch sie eint ihre Kreativität und der Wagemut, sich immer wieder neu zu erfinden. Die Zukunft wird zeigen, ob die Joops eine Design-Dynastie bleiben, ob es in der dritten Generation weitergeht und ob Vater und Tochter Frieden schließen können.

ZITATE

Inga Griese, Senior Editor Style & Fashion der "Welt"-Gruppe und Chefredakteurin des Stil-Magazins ICON, über Joops Heimatverbundenheit:
"Wolfgang hat Wurzeln und weil er Wurzeln hat, kann er auch so fliegen. Er ist ein Riesenbaum geworden, aber er hat eben diese starken Wurzeln und die haben mit Bornstedt zu tun."

Wolfgang Joop über seinen Erfolg:
"Ich war mit JOOP! sehr erfolgreich. Das war etwas, was es vorher nicht gab. Ein Deutscher mit einem Gesicht, das man multiplizieren konnte, einem Namen, der sich ausländisch anhörte. Es war nicht so plump deutsch. Das war der Moment, in dem ich beruflich geboren wurde. Das war ein Moment, in dem mir selber die Spucke wegblieb vor Staunen über die Möglichkeit, dieser Pionier zu sein."

Wolfgang Joop über sein Talent:
"Ich hatte eigentlich nie ein deutliches Talent verspürt. Ich war der, den man mir zudachte. Alles, was man mir zudachte, was ich erfüllen konnte, erfüllte ich. Ich war das Wunderkind, wenn es die Tanten wollten. Ich war der charmante Typ, wenn es die Leute wollten. Ich war dann plötzlich auch der Designer, als die Leute meinten, ich könnte es sein, und wollte dann in allem auch der Beste sein."

Karin Joop-Metz, Ex-Frau von Wolfgang Joop, über Wolfgang Joop:
"Die Faszination, die er für andere Menschen hatte, konnte ihm nicht verborgen bleiben. Und als wir dann auf der freien Wildbahn waren, in Hamburg, in Paris, in London, New York, da hat er das natürlich gespürt, wie gut er ankam, wie ihm die Leute praktisch zu Füßen gelegen haben."

Karin Joop-Metz, Ex-Frau von Wolfgang Joop und Mutter von Jette, über das Vater-Tochter-Verhältnis:
"Jette wollte einfach ihrem Vater beweisen, dass sie gut ist, vielleicht sogar besser. Diesem Vater die Stirn zu bieten und auch der Firma und zu sagen: Gut, wenn ich hier nicht unterkomme, dann mache ich eben mein eigenes Ding. Und das hat sie gemacht. Da muss man wirklich sagen: Hut ab. Sie hat es konsequent gemacht, mit viel Kraft und sicherlich mit sehr viel Einsatz. Es war bestimmt nicht immer leicht für sie."


Foto:
Wolfgang Joop zeichnet einen Modeentwurf
© ZDF und Privatsammlung Wolfgang Joop


Info:
ZDF, Dienstag, 17. März 2020, 20.15 Uhr (Die Deichmann-Story)
ZDF, Dienstag, 24. März 2020, 20.15 Uhr (Die 4711-Story)

Dienstag, 10. März 2020, 20.15 Uhr
Deutschlands große Clans – Die Joop-Story
ZDFzeit-Dokumentation

Buch/Regie (Doku) _____Annebeth Jacobsen, Manfred Oldenburg
Kamera (Doku)_____Sebastian Woithe, Reiner Bauer, Jörg Adams
Regie (Szene)_____Saskia Weisheit
Kamera (Szene)_____Torbjörn Karvang, Peter Trinks
Schnitt_____Dirk Hergenhahn
Grafik_____Zornshot
Szenenbild_____Stefanie Probst
Ausstattung_____Ines Wüllner, Karsten Hochmut
Kostüm_____Lena Wolf
Maske_____Elisa Flehmer, Stefanie Dimitrow
Herstellungsleitung_____Bettina Kluge
Produktionsleitung_____Karoline Noth (Broadview TV), Katrin Thomas, Tilo Gläßer (Sinn Filmproduktion), Carola Ulrich, Philipp Müller (ZDF)
Producerin_____Kirby Welcker
Archivrecherche____Britta Luckas
Produzent_____Leopold Hoesch
Redaktion_____Annette Koehler
Leitung_____Stefan Brauburger

Die Rollen und ihre Darsteller
Wolfgang Joop (jung)_____Emil Alexander Braun
Wolfgang Joop (erwachsen)_____Marcus Schinkel
Charlotte Joop_____Nadine Warmuth
Frau Friederitzky_____Béatrice Bergner
Dr. Haupt_____Hans Brückner
DDR-Agent Frank_____Matthias Wagner