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Kategorie: Messe & Märkte
DSC04577 2.bereinigtUnd wie das Regierungspräsidium Darmstadt die Stadt Offenbach mit einem verschenkten Klinikum ins doppelte Minus trieb

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zu den 200 Millionen für den Klinikneubau, den Offenbach finanziert hatte, kommen 385,1 Millionen Euro Verlust, weil das RP den Sanierungsplan von Franziska Mecke-Bilz abschlägig beschied. Es verlor die Nerven bzw. hatte keine. Warum eigentlich muss eine Stadt den erforderlichen Klinikneubau finanzieren, obwohl dies zu den erhabensten Aufgaben des Landes gehört.

Für Offenbach war es eng geworden, weil gegen Ende der 2000er Jahre im Gefolge der Finanzkrise es eine Delle gab, worauf aber um die Mitte der 2010er-Jahre die Wende aufwärts folgte, wie obligat. Ein Insolvenzverfahren sollte vermieden werden, weil klar war, dass dies einen geringeren Erlös bringen würde als der Verkauf in einem geordneten Verfahren außerhalb des Verfahrens der Insolvenz. Das RP schlug den Sanierungsplan von Frau Mecke-Bilz aber aus. So kam es, dass das neue Klinikum mit 90 Prozent für einen symbolischen Euro an den Sana-Konzern verscherbelt wurde und die Stadt auf den Schulden sitzenblieb.

Einem Skandal-Thriller kommen die flankierenden Bedingungen und Begleitumstände gleich, bedingt durch die Landespolitik: Offenbach übernahm die aufgelaufenen 217,7 Millionen Euro Schulden und gab 50 Mill. zur „Stärkung der Liquidität“ und als „Kapitaleinlage“ rein. Über 24,5 Mill. belief sich das „Energie-Contracting“ mit der EVO-Offenbach. Hierzu waren Kredite aufzunehmen.

Dazu kamen „Zuschüsse“ zum Eigenkapital - von vor dem Verkauf - über 90 Mill. und 3 Mill. für die „Pensionsverpflichtung“ für „ehemalige Mitarbeiter“. Bei Unterzeichnung des Kaufvertrags gewährte Offenbach der Klinikum GmbH ein „Gesellschafterdarlehen“ über 34,5 Mill Euro (erst ab 2024 zurückzuzahlen). Nebenbei bemerkt: an solchen Vorgängen wird klar, warum Offenbach sich nur die halbe Erneuerung seines Marktplatzes leisten kann. Es hat auch nicht die Chuzpe, diesbezüglich auf den zu erwartenden Gewinn und Ertrag als Folge einer Investition zu kalkulieren. Die Stadt bleibt selbstverständlich auch auf den Zinszahlungen für die aufgenommenen Kredite seiner Investition sitzen. Kämmerer Peter Freier (CDU): „Ich sehe nicht, dass Offenbach in einem überschaubaren Zeitraum von den Gesamtverbindlichkeiten runterkommt“. Er rechtfertigt aber selbst den Verkauf, zu dem es die dokumentierte Alternative der früheren Geschäftsführerin Mecke-Bilz gegeben hätte.

Zu allem Nachteil ist die Stadt auch nicht zu den zehn Prozent ihrer Anteile an den Gewinnen beteiligt, da dies für die Dauer von zehn Jahren ausgeschlossen ist. Die Vereinbarung, das Klinikum zu verkaufen, unterzeichneten am 8. Nov. 2012 Sozialminister Stefan Grüttner (CDU), OB Horst Schneider (SPD), Bürgermeister Peter Schneider (Grüne) und Geschäftsführerin Mecke-Bilz. Letztere hatte auch die Trennung von Besitz und Betrieb vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass die Stadt das neue Gebäude samt Schulden und Vermögen übernimmt und der Betrieb unter dem Dach der Tochtergesellschaft verbleibt. Die laufenden Verbindlichkeiten wären in diesem Fall niedriger ausgefallen. Schulden wären durch Sachwerte mit aufgewogen worden.

Der Ausverkauf des Gesundheitswesens (sprich: Gesundheitswirtschaft) geht immer weiter mit Stellenabbau und Outsourcing

Unter fragwürdigen Begründungen schickt die Sana-Tochtergesellschaft DGS pro service sich an, bundesweit 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlassen. Wir erinnern uns noch zu gern, wie bei einer Pressekonferenz die sprechenden Akteure peinlichst darauf achten wollten, dass ja kein Unbefugter mit einer entlarvenden Berichterstattung in ihre Kreise einfällt. Man wurde nachher noch am Aufzug gestellt und näher befragt. Als Ausnahme für die Entlassung bleibt die Reinigung (die ohnehin nur lästig ist) übrig. Ihr wird höhere fachliche Begleitung in Aussicht gestellt, was immer das bedeutet. Betroffen wären in Offenbach 58,21 Vollkräfte sowie 60 MitarbeiterInnen im Service- und Logistikbereich.

Auskünfte wollen weismachen, dass es dem Konzern nur um Qualifizierung geht. Könnte aber der Vorstand dann nicht Ausbildung und Höherqualifizierung schlicht angedeihen lassen? Wenn dem so wäre, würde es sich dann nicht anbieten, das Aufgabengebiet zurück an die Kliniken zu geben und Kolleginnen und Kollegen zu überführen, so sehen es der Konzernbetriebsrat, Betriebsräte und Betriebsrätinnen am Ort. Angesprochen ist auch die schwierige Situation infolge Kündigungen mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie. Das schlage dem Fass den Boden aus, so Sylvia Bühler vom Bundesvorstand Verdi für das Gesundheitswesen.

Hol- und Bringdienst, Begleitdienst für PatientInnen, Dienst auf der Station, Wäsche, Archiv und ‚Modul‘ sollen zum 31. Dez. 2021 eingestellt werden. Im Mai sollen Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan geführt werden. Das hierüber in Sorge versetzte Personal fragt aber: Wer soll die Arbeit machen? – Hören wir nicht Tag für Tag von katastrophalen Entwicklungen, die mit sich bringen, dass die Krankenhauskräfte auf dem Sprung sind, unhaltbaren Zuständen zu entfliehen und ihrem geliebten Beruf endgültig zu entsagen?

DSC04573 2 bereinigtSchon im März waren zehn KollegInnen entlassen worden. Hinter vorgehaltener Hand wird verbreitet, dass Pflegepersonal deren Arbeit übernehmen musste. Aber nun kommt`s: Es wird darauf abgezielt, Externe anzuheuern, die nur den Mindestlohn erhalten. Das fällt unter die Praxis Outsourcing, respektive Ausgründung in schlechtere Verhältnisse, die in den Neunzigern zum Unwort erstiegen und als Verheißung unter die Leute gebracht wurden, als Heilsversprechen von Kostensenkung und Personalabbau in Kombination. So wird mit Menschen umgegangen, die unter Corona-Bedingungen Alles geben und sich ums tägliche Leid der erkrankten Menschen plagen, um es zu lindern, während von allen Seiten ausstehender Reformbedarf angemahnt wird.

Die Leichenfledderer

Dr. Bernd Hontschik, Chirurg und Publizist, hat es schon wiederholt und in Variationen erklärt: Im klinischen Bereich werden aus Verachtung der Abgetanen und Abgemeldeten beständig Defizite angehäuft. Landesbehörden (merke: ‚Behörde‘ ist Problemtitel) ignorieren den Stau in der Versorgung. Defizite steigen beständig an. Zuletzt wird verkauft oder es kommt zu Fusionen und Übernahmen durch die kapitalgetriebene Gesundheitsindustrie, was ein Widerspruch in sich selbst ist und der Anfang vom Ende der Sorge um das Leben. Die Häuser werden zu Spielbällen der globalisierten Finanzmafia. Gewinnmaximietung steht oben an.

In den USA ist der Körper ein Profitobjekt für andere

Es ist absurd, dass ausgerechnet die Aasgeier und Leichenfledderer zum Ausweiden ansetzen dürfen. Mit Verkäufen und Komplett-Übernahmen geht´s fort Richtung Destruktion einer nicht erst seit der Antike ehrbar gewesenen Tätigkeit der Heilkunst. Klinikbau ist Landessache, aber Offenbach musste die Arschkarte ziehen, weil die Landesregierung als gesetzliche Wegemacherin auf der ganzen Linie versagt hat. Die CDU ist allein nur noch Bewahrerin der Finanzinteressen einer ausgekochten Minderheit. Von der FDP gar nicht zu reden. Die Union ist materialistisch. Das C sollte sie endlich ablegen. Wie auch die Kirchen es schon viele Male forderten.

Foto © 1+2
Heinz Markert
Nr. 2: Historisches Klinikum, Vorderansicht

Info:
‚Der große Krankenhaus-Raub‘ (correctiv.org)
https://correctiv.org/aktuelles/wirtschaft/2017/02/24/der-grosse-krankenhaus-raub/