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Kategorie: Messe & Märkte
t online.detelKritische Antwort von «Haaretz» an den «Economist».

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - In einer ausführlichen Betrachtung gelangt Nati Tucker im «Haaretz» zum Schluss, dass die Wirtschaftszeitung «Economist» vielleicht doch nicht so ganz Recht hat mit ihrer Feststellung, dass die Stadt Tel Aviv die teuerste der Welt sei. Der Autor nimmt die Schlussfolgerung vorweg: «Der scharfe Anstieg des Werts des Schekels im Vergleich zu anderen Währungen verzerrt das Bild von Tel Aviv. Doch die Währung ist nicht der einzige Faktor».

So zum Beispiel, schreibt Tucker, zeigt der OECD-Preisindex für 2020, dass Israel um 22 Prozent teurer ist als der OECD-Durchschnitt. Nur die Schweiz, Island und Norwegen seien als noch teurer rangiert. «Wenn wir andererseits die Inflation berücksichtigen, finden wir, dass sie im letzten Jahrzehnt, verglichen mit dem Rest der Welt niedriger ist. So ist die Jahres-Inflation im vergangenen Jahr in den USA um 6,2 Prozent gestiegen – die höchste Rate seit den 1990er Jahren – und in Europa über 4 Prozent. Im Gegensatz dazu ist die Inflation in Israel immer noch im Rahmen des von der Bank of Israel gesetzten Rahmens:  Im Oktober kam sie auf Jahreswert berechnet auf 2,3 Prozent. Tucker nennt sodann vier Hauptgründe, weshalb der Konsumenten-Preisindex die Divergenz in den Preisen zwischen Israel und dem Rest de Welt nicht richtig reflektiert, nicht einmal die realen Preise, die wir in Israel zahlen.

1.    Die Lebenskosten stiegen, doch das tat auch der Wert des Schekels.
2.    Der Preisindex reflektiert die aktuellen Lebenskosten nicht korrekt.
3.    Sie (die Vertreter der Theorie des super-teuren Tel Avivs) bemessen den Wechsel in der Qualität nicht.
4.    Wenn der Konsumenten-Preisondex  steigt, heisst das, dass die Totalsumme der Produktpreise, berechnet auf Grund ihres Anteils am Index, im        Durchschnitt gestiegen ist.

Es ist jedoch möglich, dass einige der Produkte, die im Preis gestiegen sind, den regulären Konsum mehr als andere beeinflusst haben. – Betrachten wir den Wechsel im Mix des Preisindex über die Jahre hinweg, dass der Häusersektor die Kategorie war, die zwischen 2010 und 2021 die größte Zunahme erlebt hat. Diese Kategorie schließt jedoch den Häuserkauf nicht ein. Und die Kosten des Wohnungskaufs sind in einem Jahrzehnt um durchschnittlich 80 Prozent gestiegen. Stattdessen gibt der Index vor, in erster Linie die Ausgaben in diesem Sektor durch die Mietkosten reflektiert, welche seit 2010 um 32 Prozent gestiegen sind. Das ist weniger als die Hälfte der Zunahme der Verkaufspreise für Wohnungen.

Tucker fasst seine Kritik an der Betrachtungsweise des «Economist» wie folgt zusammen: «Der Index des «Economist» schliesst zwar die reale Zunahme der Wohnungspreise ein, doch der israelische Konsumenten-Preisindex reflektiert weniger als die Hälfte der Zunahme in Preisen... Bei anderen Kategorien, die scharf im Preis gestiegen sind, handelt es sich vor allem um «nicht-verhandelbare» Kategorien, die nicht Objekte des Wettbewerbs durch Importe sind. Man kann keine Wohnung importieren, ebensowenig die Unterhaltskosten für eine Wohnung. Die Kosten für diese Kategorien sind folglich raketenhaft gestiegen. Der Zuwachs für Nahrungsmittel, einschliesslich Früchte und Gemüse, wird hauptsächlich beeinflusst durch Barieren für den Import in der Form von Protektionstarifen. Das sind die Produkte, deren wöchentlichen Preisanstiege wir im Supermarkt sehen, für die wir speziell empfindlich sind. Andererseits sind die Preise für Produkte gesunken, die dem Wettbewerb durch das Online-Shopping auf ausländischen Ewebsites unterworfen sind. Diese Liste schliesst Kleidung und Schule ein, Möbel und Haushaltsgeräte. Solche Produkte kaufen wir weniger häufig, und wir schenken vielleicht deren Preisverändeurng auch weniger Aufmerksamkeit».

Soweit Auszüge aus Tuckers Betrachtungen im «Haaretz». Ob seine Gedanken an der Behauptung wesentliches ändern können, dass Tel Aviv die teuerste Stadt der Welt sei, wird die Fortsetzung der Diskussion zeigen. Vielleicht.

Foto:
©t-online.de

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 6. Dezember  2021