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Kategorie: Messe & Märkte

Denn sie wissen immer noch nicht, was sie tun..., Teil 4

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Finanzkrise begann heiß zu werden mit der Kampagne seitens der Banken unter Kanzler Schröder (Anfang 2000), als diese mit Abwanderung aus Deutschland drohten, sofern man ihren Liberalisierungs-Forderungen nicht entspräche. „Schröder reagierte prompt“(“DIE MACHT DER FINANZLOBBY“, kontraste ARD 26.8.2010 (2).

 

 

Die Banken versprechen Deutschland treu zu bleiben und mehr Kredite an die Wirtschaft zu geben, die Gegenleistung des Finanzministers: die Banken brauchen für ihr Geschäft mit Kreditverbriefungen kaum noch Eigenkapital.“ (2). Und das ausgerechnet in Zusammenhang mit der Freigabe der sog. Verbriefungen, jener später berüchtigt gewordenen US-amerikanischen Hypothekenpapiere, die hochspekulativ waren.

 

Die 'Initiative Finanzstandort Deutschland' wird gegründet von Finanzminister Eichel und den größten Geldinstituten“ (2), eigentlich eine Lobby-Organisation der Finanzindustrie als dominierender Partei. Mit dem „Finanzstandortförderungsgesetz 2003“, das der Bundestag in völliger Ahnungslosigkeit, unter dem Rubrum „Mittelstandsförderung“, in einem spärlich besetzten Plenum durchwinkte, geschah das für heutige Verhältnisse Unfassbare: „Die Politik lässt die Finanzindustrie von der Leine“ (1) Die Banken hatten erreicht, was sie wollten und wohl auch brauchten, um ihr längst von Spekulation getriebenes „Geschäftsmodell“ weiter zu verfolgen, indem sie die Risiken unter ein noch größeres Rad in die Zukunft verschoben. Aus einem Anspruch mit Ziel 25% Umsatzrendite heraus konnte das gar nicht anders sein, sowohl gegenwärtig als auch künftig. Denn die Blase, die den Crash nur hinausschiebt, muss immer wieder aufs neue aufgepumpt werden.

 

Mit diesem Liberalisierungs-Coup offenbarte sich die Kumpanei von Politik und Finanzindustrie. Die Finanzindustrie war die neue Klasse, der die Politik hündisch zu huldigen nicht gerade erst anfing. Mit Gerhard Schröder lag die Sache längst in der Luft. Er wollte mit den Gross-Muftis des Geldes bei Tisch sitzen und als Boss unter Bossen gelten. Lafontaine, der Unbotmäßige, wurde von ihm ausgebootet. So geht man unter Parteigenossen miteinander um. Schröder war der Super-Betreiber der Vermachtete-Industrie- und Neuartige-Finanz-Elite-Hydra. Die Verbriefungs-Freigabe hatte auch für die Politik die Funktion, die gefährlichen Defizite der Banken, die bereits in den Depots schlummerten, durch neues Aufpumpen einer Spekulationsblase - unter einer noch viel größeren Glocke - unkenntlich zu machen, zu vertuschen.

 

Die „Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne“ („Deutschland-AG“ wurde damit von Schröder, dem großen Arbeiterverräter, mutwillig zerschlagen) hatte eine Geldschwemme ins System geflutet, die eine Stimmung des Hypes, des Rauschs und des Tanzes der Geier förmlich explodieren ließ. Motto wurde: ohne viel industriell-gewerbliche, d.h. ehrliche Arbeit reich werden. Eine neue Heilslehre ward geboren. Aber auch die kleinen Leute liefen den Rattenfängern hinterher, wenn sie sich an den PC setzten und „Day-Trader“ wurden.

 

Sprichwörtlich für das Hertreiben der Politik vor den Finananzmärkten war der Satz Josef Ackermanns 2002: „Wacht auf, Deutschland“ .- „kontraste“-Sprecher: „Deutschland verschlafe die Entwicklungen der Märkte, mahnen die Banker“ (2).

 

Heute zaudert die Politik in Deutschland (im Unterschied zu der in den USA) die spekulativen Märkte wieder an die Leine zu legen. Jedoch, auch Obama hat noch nicht gewonnen.

 

Die Bürger wollen Regulierung, aber die Banken wissen mit ihren Propaganda-Apparaten auf EU-Ebene und im Inland zu feuern. In Brüssel arbeiten ca. 1700 Lobbyisten, die den Parlamentariern dauernd vorgefertigte Gesetzestexte unterschieben und sie zu abendlichen Mahlen oder Banketten einladen, um sie zu bearbeiten. 123 Mill. Euro beträgt allein der Etat der Bankenlobby. (4)

 

Der größte und unerwartetste Ausfall aber ist Finanzminister Schäuble, wo er doch als Chef des Bundeskanzleramtes in den Achtzigern so ein Beißer gewesen war.

Das mit dem „Wacht auf. Deutschland“ durch Josef Ackermann war ja nun gründlich schief gegangen.

 

Auf einem Regulierungs-Treffen der „Initiative Finanzstandort Deutschland“ (man beachte den Ausdruck „Finanzstand-Ort“ inmitten eines digitalen Hyperraums, in dem Geschäfte auch auf Jachten gemacht werden können) äußerte sich Josef Ackermann wie folgt: „Eben schaffen wir ein elementares Interesse daran, dass neue Regulierung nicht zur Wettbewerbsverzerrung und einer Benachteiligung deutscher Institute führt“ (2). Schon wieder Erpressung, nach der systemischen mit „Too big to Fail“ jetzt mit einer des internationalen Wettbewerbs unter Großbanken, den Geiern.

 

Und wie reagiert Schäuble, neben Ackermann sitzend? „kontraste“-Sprecher: „Vom Bundesfinanzminister keinerlei Widerspruch.“ Angesprochen auf sein Verhalten lehnt er ein Interview mit „kontraste“ ab.

 

Da sitzt also in der gefilmten Szene das Opfer neben dem Täter, aber das Opfer empfindet selbst eher wie der Täter. Denn man befand sich in Kumpanei als die Finanzmarktgesetze liberalisiert und dereguliert wurden. An der Seite von Ackermann dürfte aber kein Minister sitzen, sondern müsste ein Richter und zwar des Weltgerichts, sitzen. Jedoch die fähigen Richter für derartige Strafsachen fehlen in Deutschland, abgesehen von den Gesetzen, die auch fehlen, aber Richter sind in Deutschland, mehr als in den angelsächsischen Ländern, wirtschafts-, wirklichkeits- und praxisfremd. Man sehe sich an, wie ein amerikanischer Senats-Ausschuss sich die Repräsentanten von Goldman Sachs vor nahm, in die Mangel nahm und so ganz mit „common sense“ ihnen ihre Vergehen wie ein bitteres Gericht vorsetzte.

 

Mr. Levin (Chairman): „Ihre eigenen Angestellten waren der Meinung, dass ihre Wertpapiere Ramsch waren, Schrottpapiere (shitty deals), nannten sie sie“.- „Schlimmer noch: sie wetteten gegen die Papiere, die sie ihren Kunden andrehten und der Kunde weiß von nichts.“ „Scrap“ war ein weiterer verwendeter Ausdruck für die shitty deals.

 

Tip: der weltweit in Sendern und filmischen Beiträgen gezeigte Mitschnitt der eindringlichen, schneidenden Befragung des Vorstands und der Händlerabteilung von Goldman Sachs durch den US-amerikanischen Senat (zu sehen u.a. in: „Tanz der Geier“, Arte 19.11.2013).

 

In den USA bekamen US-Banken über 100 Mrd $ an Strafzahlungen verhängt (Reuters 21.5.2014). Europäische Institute, in den USA niedergelassen, kamen nicht davon. Auch die Deutsche Bank fand sich in Zusammenhang mit den Subprime-Hypotheken-Geschäften vor Gericht. Sie bekam eine Strafzahlung von 600 Mill. Euro ab. „Bundesbank besorgt“. Die Commerzbank soll „voraussichtlich ein Bußgeld von rund 650 Mill. $ (494 Mill. Euro) zahlen..“ (FR 5.9.2014)

 

Politik und Finanzindustrie bilden ohne Zweifel eine Einheit. Man kennt sich und bestätigt sich in gegenseitigem Einverständnis. Unsere Retter müssten eigentlich selbst gerettet, aus den Klauen befreit werden. Ansonsten können sie uns Bürgerinnen und Bürgern nicht helfen.

Der Kapitalismus entwickelt sich zu einem Moloch, zu einem Gespenst...Politik und Ökonomie bilden zweierlei Teilsysteme, die unter sich das Geschäft ausmachen“ (Prof. Peter-Alexis Albrecht, Strafrechtsexperte, in:“Die Macht der Finanzlobby“ (2))

 

 

Fußnoten:

(1) „Zocken bis der Staat hilft. Reißt uns die Finanzindustrie in den Abgrund?“ ARD,14.9.10

(2) „Die Macht der Finanzlobby“, Kontraste ARD, 26.8.2010

(3) „Banken außer Kontrolle – wie die Politik uns in die Krise führte-, hr_Ferns. 15.7.2013

(4) „Banken zocken weiter“, frontal21, 8.4.2014

 

 

Tip: Philipp Löpfe, Werner Vontobel, Wirtschaft boomt, Gesellschaft kaputt, Eine Abrechnung, Zürich, orell füssli Verlag, 2014

ISBN 978-3-280-05534-2