Drucken
Kategorie: Messe & Märkte

Statement von VDA-Präsident Matthias Wissmann zum Genfer Autosalon

 

 

Günther Winckel

 

Genf (Weltexpresso) - Dem Genfer Autosalon ist es gelungen, sich so solide aufzustellen, daß eine Pressekonferenz des Verband der Automobilindustrie (VDA) zum guten Ton gehört, denn hier zeigen sich auch die Länder vereint, die als Westeuropa auftreten.

 

Die wichtigsten Sätze Wissmanns war einmal der Hinweis darauf, daß die deutschen Hersteller mit zahlreichen Premieren nach Genf kamen, aber auch kernig: „Exportstärke und freier Handel sichern heimische Standorte. , und die Feststellung, daß sich der Automobilmarkt Westeuropas nach oben bewegt.

 

Die Rede des VDA-Präsidenten wurde mitgeschickt, die wir im Folgenden abdrucken: „Das Automobiljahr 2015 hat gut begonnen: China und der US-Markt haben im Januar zweistellig zugelegt, Westeuropa wies ein Plus von gut 6 Prozent auf. Die drei großen, entscheidenden Märkte sorgen also für Dynamik. Erfreulich ist, dass im Januar alle

fünf großen Pkw-Märkte in Westeuropa im Plus waren, zum Teil mit zweistelligen Zuwachsraten. Das stimmt uns zuversichtlich.

 

Doch klar ist auch: Die weltweiten Krisenherde sorgen für politische und wirtschaftliche

Unsicherheit. Für ein nachhaltiges Wachstum müssen die politischen Konflikte gelöst und die richtigen industriepolitischen Rahmenbedingungen gesetzt werden. Da gibt es in Europa, nicht nur mit Blick auf Griechenland, noch einiges zu tun. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit muss die entscheidende Leitplanke für die EU in den kommenden

Jahren sein. Dazu gehört eine konsequente Konsolidierung der Haushalte in den Mitgliedsstaaten sowie eine offensive und marktwirtschaftliche Wirtschafts- und Industriepolitik von Seiten der Kommission.

 

Wir erwarten, dass der Pkw-Weltmarkt im Gesamtjahr 2015 um 2 Prozent auf 77,4 Mio. Einheiten zulegen wird. Gegenüber dem Jahr 2010 (61,7 Mio.) ist das ein Zuwachs um ein

Viertel.

 

Der Light-Vehicle-Absatz in den USA wird 2015 um 2 Prozent auf 16,7 Mio. Einheiten

steigen und damit den Aufholprozess zum Vorkrisenniveau nahezu abschließen. Und China ist nicht mehr weit von der 20-Millionen-Marke entfernt: Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Volumen von 19,5 Mio. Pkw, das entspricht einem Zuwachs von 6 Prozent.

 

Der westeuropäische Pkw-Markt kommt 2015 auch voran, allerdings mit niedriger Drehzahl: Wenn am Jahresende ein Volumen von 12,3 Mio. Einheiten erreicht sein wird, sind das plus 2 Prozent gegenüber 2014. Das Potenzial ist größer, denn vom Vorkrisenniveau ist Westeuropa auch dann noch 2,5 Mio. Einheiten entfernt (2007: 14,8 Mio.). Global betrachtet, gibt es zwei Wermutstropfen: Brasilien kommt 2015 nicht in die Gänge, und der russische Markt wird nach unserer derzeitigen Einschätzung um nahezu ein Fünftel zurückgehen.

 

 

Inlandsmarkt legt im Februar zu

 

Damit komme ich zum deutschen Markt – mit ganz aktuellen Zahlen: Im Februar stiegen die Pkw-Neuzulassungen um 7 Prozent auf 223.300 Einheiten, in den ersten beiden Monaten haben wir ein Plus von 5 Prozent auf 434.600 Neuwagen zu verzeichnen. Wir werden im Gesamtjahr stabil über 3 Mio. Neuzulassungen in Deutschland haben und das 2014er-Ergebnis (3,04 Mio.) leicht überschreiten. Insgesamt sind das ordentliche Voraussetzungen für den „Autofrühling“, der traditionell hier in Genf beginnt.

 

 

Spannende Premieren der deutschen Hersteller

 

Und unsere Hersteller kommen mit spannenden Premieren an den Lac Léman:

Audi bringt den neuen Supersportwagen R8 erstmals auch in einer rein elektrischen

Variante, den Kompakt-Sportler RS3 und den Plug-in-Hybrid Q7 e-tron, der besonders sparsam mit dem Diesel umgeht.

BMW zeigt den neuen 2er Gran Tourer mit sieben Sitzen und den neuen 1er. Mit dem 2er Gran Tourer erschließt sich BMW ein komplett neues Segment.

Ford stellt seinen Genf-Auftritt unter das Motto „Performance Cars“ und bringt den sportlichen Focus RS mit Allradantrieb sowie den Ford GT, den Focus ST und den Ford Mustang. Außerdem wird die nächste Generation des Ford S-MAX präsentiert.

Mercedes-Benz kommt nicht nur mit dem Mercedes-Maybach Pullman nach Genf,

sondern auch mit der neuen C-Klasse als Plug-in-Hybrid und dem CLA Shooting Break, den es auch als AMG geben wird. Außerdem wird der AMG GT3 gezeigt.

Opel präsentiert den pfiffigen „Karl“, ein neues günstiges Einstiegsmodell in der Kleinstwagenklasse mit fünf Türen. Mit dem Corsa OPC wird die sportliche Seite abgedeckt. Und mit der Markteinführung von Opel OnStar geht das Unternehmen zudem den nächsten konsequenten Schritt in Richtung Fahrzeugvernetzung.

Porsche geht mit top-sportlichen Modellen an den Start, eines davon ist die GT4-Version des Cayman.

Volkswagen bringt den neuen Caddy und die Neuauflage des Kompakt-Van Touran.

Sportlich zeigen sich die Wolfsburger mit dem Golf R Variant und der Variant-

Ausführung des drehmomentstarken Golf GTD. Die Passat-Baureihe wird zudem durch den Allrad-Allrounder „Alltrack“ erweitert.

 

Zusammengefasst: Die deutschen Marken zeigen in Genf, dass sie die gesamte Spannweite automobiler Kompetenz beherrschen: Vom Supersportwagen über komfortable SUV und Kombis bis hin zum pfiffigen Kleinwagen. Jede Nische wird von uns besetzt. Und die Fahrzeuge werden in allen Segmenten sparsamer; einerseits durch immer effizientere klassische Motoren, andererseits durch alternative Antriebe.

Bei der CO2-Reduktion sind wir in den vergangenen Jahren gut vorangekommen. 2014 lag der durchschnittliche CO2-Wert von in Deutschland neu zugelassenen Pkw bei 132,1 Gramm pro Kilometer. Das entspricht einem Verbrauch von nur noch 5,4 Liter pro 100 Kilometer (nach NEFZ). Aber alle wissen auch, dass eine weitere spürbare Reduktion nur mit einem erheblichen Anteil alternativer Antriebe möglich sein wird.

 

 

Elektromobilität: Deutsche Marken in der Pole Position

 

Dass die Elektromobilität heute Realität ist, wird auch hier in Genf deutlich: Die deutschen

Hersteller haben entsprechende Modelle im Angebot, vor allem als Plug-in-Hybrid. Damit wird die Reichweitenfrage beantwortet – und zudem kann man in der Stadt emissionsfrei

stromern“.

 

Doch es reicht nicht, wenn wir auf der Anbieterseite heute die Pole Position haben und

unsere Hersteller bis Ende 2015 29 E-Modelle auf die Straße bringen. Damit Deutschland auch „Leitmarkt“ für Elektromobilität werden kann, muss vor allem die Politik rasch und

entschlossen Maßnahmen ergreifen.

 

Ein wirkungsvoller Hebel wäre die 50-Prozent-Abschreibung im ersten Jahr für gewerblich

genutzte Elektrofahrzeuge. Die Sonderabschreibung würde auf der Seite der Flottenmanager einen Beschaffungsimpuls auslösen und somit den Hochlauf der Elektromobilität spürbar unterstützen.

 

Wir sehen darin ein marktwirtschaftliches Instrument, das sich seit Ludwig Erhards Zeiten bewährt hat. Und natürlich ist die Abschreibungsmethode nach einiger Zeit wieder auf den linearen Ansatz zurückzustellen. Auf die gesamte Laufzeit bezogen, wären übrigens auch die Belastungen für den Finanzminister nahe null, insbesondere vor dem Hintergrund des derzeit niedrigen Zinsniveaus.

 

 

Vernetztes und Automatisiertes Fahren als Innovationstreiber

 

Der zweite Innovationstreiber ist das Vernetzte und Automatisierte Fahren. Wir verstehen dies als konsequente Weiterentwicklung und Integration der zahlreichen Assistenzsysteme

im Auto. Der Prozess erfolgt in mehreren Stufen: vom teilautomatisierten über das

hochautomatisierte bis hin zum vollautomatisierten Fahren. Erste Anwendungen werden für Stau- und Autobahnszenarien zur Verfügung stehen.

 

Technologisch wäre es heute schon möglich, beim Stopp-and-Go-Verkehr oder im Stau auf der Autobahn teilautomatisiert zu fahren, d. h. der Fahrer bleibt dabei in der Verantwortung. Laut ECE79 – einer internationalen technischen Zulassungsvorschrift für Lenkanlagen – ist die Maximalgeschwindigkeit dazu allerdings bislang auf 10 Stundenkilometer beschränkt. Diese Regelung muss im ersten Schritt geändert werden, um teilautomatisierte Fahrfunktionen zu ermöglichen. Für die Realisierung des hochautomatisierten Fahrens ist in den nationalen Verhaltensvorschriften, zum Beispiel in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), ein rechtlicher Rahmen zu schaffen. Idealerweise sollte dieser Rahmen international harmonisiert sein, auch mit Blick auf den grenzüberschreitenden Verkehr. Bis das Auto hochautomatisiert auf Landstraßen oder in Städten fahren kann – der Fahrer sich also währenddessen auch anderen Tätigkeiten widmen kann, allerdings sitzt er weiterhin vorne links –, wird es noch etliche Jahre dauern. Aber es ist nicht mehr Science-Fiction, sondern eine durchaus realistische Perspektive.

 

Es gilt also, parallel zu diesen technischen Entwicklungen den rechtlichen Rahmen hierfür

auszubauen und zu gestalten. Dazu sind wir in intensiven Gesprächen mit den Bundesbehörden und der EU-Kommission. Und wir begrüßen es, dass Bundesverkehrsminister Dobrindt das Thema offensiv aufnimmt, wie das Beispiel der

Autobahn A9 zeigt.

 

 

Steigende Aufträge

 

Zurück zu den Zahlen: In den ersten beiden Monaten lagen Produktion und Export zwar

leicht im Minus (jeweils -5 Prozent). Gleichzeitig waren aber sowohl der inländische als auch der ausländische Auftragseingang im Plus: Die Bestellungen aus Deutschland stiegen bis Februar um 5 Prozent, die Orders aus dem Ausland legten um 8 Prozent zu.

 

Zum Jahresende 2014 gab es gut 781.000 Mitarbeiter in den Stammbelegschaften unserer Unternehmen. Das ist ein Zuwachs von 20.000 Beschäftigten (+3 Prozent). Allein bei den Zulieferern stieg die Stammbelegschaft um mehr als 6.000 Mitarbeiter auf knapp

298.000 Beschäftigte (+2 Prozent).

 

Im Gesamtjahr 2014 erreichte die deutsche Automobilindustrie mit 385,5 Mrd. Euro einen

neuen Umsatzrekord. Gegenüber 2013 stiegen die Erlöse damit um knapp 7 Prozent. Für

das Gesamtjahr 2015 rechnen wir mit einer Inlandsproduktion von 5,7 Mio. Pkw (+2 Prozent), und mit einem Exportvolumen von 4,4 Mio. Autos, das entspricht ebenfalls einem Zuwachs von 2 Prozent. Das bedeutet: Drei von vier Autos, die in Deutschland produziert werden, gehen in den Export. Entsprechend wichtig ist unsere Exportkraft auch für die Beschäftigten am Standort Deutschland.

 

 

Hier die Fakten für das Jahr 2014:

Jedes zweite exportierte Auto (51 Prozent) geht nach Westeuropa

Jedes siebte (14 Prozent) geht in die USA

Jedes sechzehnte (6 Prozent) geht nach China.

 

Wir machen also 71 Prozent unseres gesamten Exports mit den drei großen Märkten

Westeuropa, USA und China.

 

 

Asien und Amerika vor allem für den Export von Premium strategisch wichtig –

Volumenmarkt Europa

 

Wenn wir die Exporte – gegliedert nach einzelnen Segmenten – betrachten, ergibt dies ein

interessantes Bild:

Mehr als ein Drittel aller aus Deutschland exportierten Pkw (36 Prozent oder 1,5 Mio.

Einheiten) sind Kleinwagen und Autos der Kompaktklasse (z. B. Mercedes A-Klasse,

VW Golf, Ford Fiesta, BMW 1er). Das entspricht mehr als einem Viertel der Produktion in den heimischen Werken. Und diese „industrielle Grundlast“ wird zu 75 Prozent in Staaten der EU28 exportiert.

Knapp ein Viertel der Exporte (23 Prozent oder 992.100 Einheiten) entfällt auf die

Mittelklasse (z. B. Audi A4, Mercedes C-Klasse, BMW 3er) – davon geht etwa die Hälfte (47 Prozent) in die EU28, gut ein Fünftel (22 Prozent) wird in die Nafta-Region ausgeführt. Die Fahrzeuge für den chinesischen Markt werden bereits heute zu einem großen Teil vor Ort gefertigt.

12 Prozent der Exporte aus Deutschland (496.300 Einheiten) zählen zur Oberen Mittelklasse (z. B. Mercedes E-Klasse, BMW 5er, Audi A6) – davon gehen bereits knapp ein Drittel (31 Prozent) in den Nafta-Raum, 30 Prozent in die EU28-Staaten und 28 Prozent nach Asien.

Auf die Oberklasse (z. B. Mercedes S-Klasse, BMW 7er, Audi A8) entfallen 5 Prozent aller Pkw-Exporte (235.600 Einheiten). Davon gehen 37 Prozent nach China, gut ein Viertel (26 Prozent) in den Nafta-Raum, mehr als ein Fünftel (22 Prozent) nach Asien ohne China – aber nur zehn Prozent in die EU28-Staaten.

 

Die deutsche Automobilindustrie hat eine sehr wettbewerbsfähige Mischung aus Volumen- und Premiumfahrzeugen. Dies sichert auch am Standort Deutschland Produktion und

Beschäftigung. Und klar ist: Ohne einen gesunden europäischen Markt, der für eine

Grundauslastung und damit für wettbewerbsfähige Produktionskapazitäten gerade in den

kleineren Segmenten sorgt, ist auch der Export nach Übersee eine größere Herausforderung.

 

Wir brauchen aber auch den freien Marktzugang nach Nordamerika und nach Asien: Sechs von zehn exportierten Fahrzeugen der Oberen Mittelklasse gehen dorthin.

 

Bei der Oberklasse ist das noch deutlicher: 85 Prozent der exportierten Neuwagen gehen

nach Nordamerika oder Asien. Von den EU-Ländern allein kann die Oberklasse nicht leben: Nur jedes zehnte Auto findet dort seinen Kunden.

 

Anhand dieser Relationen wird auch deutlich, warum wir uns so vehement für freie Märkte

und besonders für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP einsetzen: Weil der

Automobilstandort Deutschland – und hier insbesondere das Premiumsegment – strategisch auf die großen Märkte USA und China angewiesen ist. Und es wird auch deutlich, warum wir uns so nachdrücklich für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer europäischen Partner aussprechen. Eine robuste europäische Industrie sichert Beschäftigung und Wohlstand – und stärkt diesen für uns wichtigen „Heimatmarkt“.